Tierquälerei oder Unwissenheit?

Wie ein lebendiges Bienenvolk auf der Holzdeponie im Mergelstetter Entsorgungszentrum landete

Im Entsorgungszentrum Mergelstetten entdeckten Mitarbeiterinnen ein lebendes Bienenvolk im Außenbereich auf einem Holzstapel. Die Herkunft des Volkes ist unklar, der Verursacher bislang unbekannt. Welche Folgen dieser Fund haben könnte.

Was ein ruhiger Arbeitstag im Entsorgungszentrum Mergelstetten hätte sein sollen, nahm vor rund drei Wochen eine unerwartete Wendung: Zwischen den Holzsortierungen tauchten plötzlich Bienen auf. Als Mitarbeiterinnen genauer hinsahen, fanden sie mehrere Waben mitten im Stapel.

Um die Situation einschätzen zu können, riefen die Mitarbeiterinnen den Heuchlinger Imker Andreas Müller, wie er selbst der HZ-Redaktion erzählt. Der 76-Jährige, Vorstand des Obst- und Gartenbauvereins und seit zehn Jahren im Imkerverein Gerstetten aktiv, fand auf dem Stapel 18 Waben mit noch lebenden Bienen. „Nach ein, zwei Tagen wären sie tot gewesen“, sagt Müller. Die Tiere hatten keine Vorräte mehr und in den Waben war Kalkbrut zu sehen – eine Bienenkrankheit, hervorgerufen durch einen Pilz. „Etliche Waben waren weiß. Wahrscheinlich wollte man sie deshalb loswerden“, so seine Vermutung.

Sorge um die Sicherheit im Entsorgungszentrum Mergelstetten

Das Entsorgungszentrum brachte Absperrbänder an, um Besucherinnen und Besucher sowie Mitarbeitende vor möglichen Stichen zu schützen. „So etwas ist bei uns noch nie vorgekommen“, sagt Bärbel Hörger, zuständige Ansprechpartnerin des Kreisabfallwirtschaftsbetriebes Heidenheim. Man habe in der Vergangenheit schon viele ungewöhnliche Funde gemacht – von Metallkugeln bis hin zu einer Granate –, doch ein Bienenvolk sei neu. Aus ihrer Sicht ist es auch gefährlich für Mitarbeitende und Besucher des Entsorgungszentrums, vor allem für solche, die beispielsweise allergisch auf Bienenstiche der womöglich gestressten Tiere reagieren.

Einer der Holzrahmen mit den noch lebenden Bienen. Andreas Müller

Behandlungsmöglichkeiten für das kranke Bienenvolk

Normalerweise gebe es Möglichkeiten zur Behandlung, erklärt Müller. Laut der Internetseite Bienenundnatur.de etwa seien das Sanieren des Volkes oder – bei besonders starken Völkern – auch Selbstheilung möglich. Gemeinsam mit einem Kollegen brachte er die Waben in eine Ersatzkiste. Am nächsten Tag waren die Bienen jedoch verschwunden: „Vermutlich ausgeflogen, um sich ein neues Zuhause zu suchen“, so die Vermutung des Imkers.

Die Herkunft des Volkes bleibt bis heute unklar. Ob es von einem Imker stammte oder wie es auf den Holzabfallplatz kam, ist ebenso offen wie die Frage, ob eine Behandlung wirklich noch möglich gewesen wäre. Müller macht deutlich: „So sollte niemand mit Bienen umgehen.“ Für ihn sei der Umgang mit den Tieren unvorstellbar, denn „normalerweise haben Imker eine besondere Beziehung zur Natur und ihren Tieren“.

Aufklärungsmaßnahmen für Imker sind nötig

Rechtlich ist die Lage nicht ganz eindeutig: Während Wildbienen unter § 44 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) besonders geschützt sind, zählen Honigbienen in der Imkerei zu Nutz- und Haustieren. Für sie greift das Tierschutzgesetz (§ 1, § 2 TierSchG), das vorsieht, Tiere nicht ohne vernünftigen Grund leiden zu lassen oder zu töten. Ob im konkreten Fall ein strafbarer Verstoß vorliegt, könnten nur die zuständigen Behörden beurteilen. Eine Anzeige wurde bisher nicht erstattet, und der Verursacher ist weiterhin unbekannt.

Hörger betont, dass eine bessere Aufklärung imkerlicher Kreise sinnvoll wäre. „Wir können nicht jede Entsorgung kontrollieren. Wir gehen davon aus, dass die Kiste noch geschlossen und mit anderem Holzabfall abgeladen worden ist.“ Erst als ein Bagger die Abfälle zusammengeschoben habe, muss die Kiste zerstört worden sein, sodass die Bienen ausfliegen konnten. „Wichtig wäre, dass Imker aufgeklärt werden, wie sie in solchen Situationen richtig vorgehen können.“

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