Was für ein schöner Abend, ja, was für ein schöner Tag für die Freundinnen und Freunde des Jazz, des alten Jazz, so wie er in New Orleans und im New York der 1920er und 30er Jahre gespielt wurde. Zu Gast in Heidenheim war die „New Orleans Experience“ um den gebürtigen Engländer Simon Holliday auf Einladung des Vereins Jazz Heidenheim.
Bei großer Hitze tourten Holliday und seine musikalischen Mitstreiter bereits mittags zwei Stunden mit einem Bollerwagen durch die Innenstadt, um mit ihrem Spiel etwas Frische zu spenden und die Wurzeln des Jazz ohne technischen Schnickschnack neu austreiben zu lassen. Auch im Stadtgarten war das Ensemble zu hören, machte auch hier Werbung für die Musik und für ihr Konzert am Abend.
Erstmals Jazz-Konzert vor der Stadtbibliothek Heidenheim
An den Einsatz einer Marching Band hatte Jazz Heidenheim die Hoffnung geknüpft, mehr Menschen für den Jazz gewinnen zu können. Holliday und seine Musiker ließen diese Hoffnung aufgehen.
Weit über 100 Besucher, darunter viele neue Gesichter, fanden sich abends vor der Stadtbücherei ein, um die „New Orleans Experience“ und als zweite Formation „Simon Holliday & his Rhythm“ zu hören. Ganz nebenbei erlebten die Besucher eine Premiere. Denn erstmals fand ein Jazz-Konzert vor der Bibliothek statt.
500 Titel hat Fats Waller in seinem nur kurzen Leben geschrieben. Sie haben den Pianisten, Organisten, Sänger und Entertainer im Jazz zu einem der ganz Großen gemacht. Simon Holliday, in England geboren, in Freiburg lebend und seit über 40 Jahren professioneller Musiker, wird nicht müde, dessen Musik am Leben zu halten. „Ain’t Misbehavin’“, „The Jitterbug Waltz“ „The Joint is Jumpin’“: die Hits von damals gehen auch heute noch ins Blut.

Der Schlagzeuger Simon Palser definierte abends in beiden Bands den dafür nötigen schnellen Rhythmus mit exakten Schlägen, kleinen Wirbeln und treffenden Interpunktionen. Jürgen Kulus, wurde nicht nur am späteren Abend mit seinem virtuosen „Tiger Rag“ seinem – von Holliday vergebenen – Titel „King of Banjo“ voll gerecht, er sorgte auch an der Gitarre geschmeidig für harmonische Fülle. Achim Bolender, als Bolheimer mit Heimvorteil an diesem Abend, zeigte sich als Meister an der Klarinette: ein leichter, unbeschwerter Ton, grazile Eleganz, Genauigkeit und viel Wärme zeichneten sein Spiel aus: Jazz auf Wolke sieben.
Neben ihm und mit ihm war es Andy Lawrence an der Trompete, der die Freiräume für Improvisation am weitesten öffnete. Lawrence, auch ein exzellenter Jazz-Sänger mit sanftem Timbre, überraschte immer wieder mit Tonfolgen und Breaks außerhalb der Melodie-Linie und deren spannender Einbindung. Simon Holliday war als formidabler Pianist, als farbenreicher Sänger und als Conferencier mit Humor, Herz und Seele dieser und seiner zweiten Band. Zusätzlich mit dem starken Bassisten Bernd Schöpflin und Thomas Kaltenbach, der mit seinem Growling an der Posaune den Sound weitete, wandelte sich die Gruppe im zweiten Set zum Septett und zur „New Orleans Experience“.
Dunkler Blues, warme Spirituals und Creole-Jazz
Im angehenden Dunkel der Nacht setzte diese Band neue Glanzlichter für ein rundum begeistertes Publikum. Schneller Rhythmus, feine Melodien, dunkler Blues, warme Spirituals, Ragtime, Gassenhauer und Creole-Jazz: Dies und noch vieles mehr verschmolz der New-Orleans-Jazz bis in seiner Hochphase in den 1920er Jahren. Und vieles davon war an der Mauer der Stadtbibliothek zu hören. „We Shall Walk Through the Streets of the City“ – mit einem Spiritual begann die „Experience“, mit „High Society“ setzte sie einen von vielen Höhepunkten, mit einem Boogie-Woogie zeigte sie, wie sich der alte Jazz weiterentwickelte.
Nach gut zwei Stunden setzte die Band mit einem, gänzlich von Melodramatik freien „When the Saints go Marchin in“ einen schönen Schlusspunkt. 21 Grad standen da immer noch auf dem Thermometer an diesem dank der Musik gleich doppelt heißen Abend. Auf Eintrittsgeld hatte Jazz Heidenheim an diesem Tag verzichtet. Simon Holliday lobte die Anstrengungen des Vereins für den Jazz als „beispielgebend“.