Wenn der Theaterregisseur mit tiefdunklen Augenringen vor sein Ensemble tritt, ist in der Regel klar: Hier wurde eine Nachtschicht eingelegt, am Textbuch gefeilt, Dialoge gestrafft, Übergänge verflüssigt. Textbuchänderungen sind in Theaterhäusern Alltag. Im Schnaitheimer Sasse-Theater hat beim neuen Stück „Das politisch korrekte Schneewittchen“ neben den Regisseuren Benjamin Hessenauer und Markus Beuther noch ein drittes Paar „Hände“ mitgewirkt. Das Stück wurde mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) umgeschrieben.
Warum, ist eigentlich schnell beantwortet. Mit knapp 60 Minuten Aufführungsdauer ist das Stück in der Version, in der es vom Deutschen Theaterverlag verliehen wird, fürs Sasse-Theater schlichtweg zu kurz. „Unser Publikum ist eher zwei Stunden Aufführungsdauer gewohnt“, erklärt Hessenauer, der zugleich Vorsitzender der Sasse ist. Um das Stück auszudehnen, mussten zusätzliche, noch nie dagewesene Szenen geschrieben werden.

„Wir hatten natürlich unsere eigenen Ideen dafür, aber es war interessant, zu sehen, was die KI sich zusätzlich überlegt“, so Hessenauer. Das Team der Sasse sei ebenfalls gespannt gewesen – und der Verlag übrigens auch. Dessen einzige Voraussetzung: Anfang und Schluss des Stücks dürfen nicht geändert werden, zudem müsse der Sinn der Handlung erhalten bleiben.
Leichter gesagt als getan. Denn auch durch KI-Unterstützung schreibt sich so ein Stück nicht so einfach mit einem simplen Knopfdruck beziehungsweise Prompt um. „Man muss relativ detailliert prompten und später viel verfeinern und insbesondere die Übergänge zwischen den einzelnen Szenen händisch anpassen“, erläutert Beuther. Es sei „eine nette Unterstützung“, ergänzt Hessenauer, „aber die restliche Regiearbeit ersetzt die KI natürlich nicht.“
Man muss relativ detailliert prompten und später viel verfeinern und insbesondere die Übergänge zwischen den einzelnen Szenen händisch anpassen.
Markus Beuther, Teil des Regie-Duos im Sasse-Theater
Letztlich wurde „Das politisch korrekte Schneewittchen“ um etwa 50 Prozent des Inhalts erweitert. Thematisch befasst sich das Stück mit etwas, mit dem die Sasse bestens vertraut ist: Trubel im Theater.
In dem Stück geht es um ein Stück. Und in dem ist der Wurm drin. Weil Theaterdiva Victoria von Leitenschau mit Egbert Hubertus in der Rolle des Prinzen nicht einverstanden ist, muss Egbert jetzt den Zwerg spielen – obwohl diese Rolle aufgrund seiner Körpergröße völlig unpassend ist. Und für sieben Zwerge reicht das Budget leider nicht, also muss der Reim „hinter den sieben Bergen bei den sieben Zwergen“ an die Besetzungsverhältnisse angepasst werden. Das Reimen gestaltet sich zusätzlich schwierig, weil die Regisseurin darauf besteht, den Zwerg aus politischen Gründen „Kleinwüchsiger“ zu nennen. Dazu kommt, dass das Theaterhaus in der Inszenierung praktisch pleite ist und kurz vor der Schließung steht.
Ein Stück im Stück im Sasse-Theater
„Theater im Theater zu spielen ist ziemlich cool“, findet Benjamin Hessenauer. Cool – aber auch herausfordernd. Denn jedes Ensemblemitglied muss letztlich zwei Rollen lernen, die klar voneinander unterscheidbar sein müssen, deren Übergänge dennoch zugleich sichtbar und flüssig gestaltet werden sollten.
In den Befindlichkeiten und Macken des fiktiven Ensembles finden sich die realen Sasse-Schauspielerinnen und -Schauspieler gelegentlich wieder. „Wenn die Regie zum Beispiel alle auffordert, jetzt doch auf die Bühne zu kommen, die Probe fängt nämlich an, dann aber niemand kommt, dann kennen wir das natürlich auch“, sagt Hessenauer.
Publikum den Spiegel vorhalten
Der Aspekt politische Korrektheit soll in der Inszenierung weder verteufelt noch zur Maxime gemacht werden. Es gehe darum, dem Publikum den Spiegel vorzuhalten – jeder könne sich mit der Thematik identifizieren. „Klar wird dabei auch, dass die Verfehlungen der Charaktere keinen Erfolg haben“, erklärt Markus Beuther. „Der Chauvinist des Stücks erfährt zum Beispiel die Konsequenzen seines Handelns.“
Benjamin Hessenauer findet, dass das Stück „super in die heutige Zeit passt. Vor zehn Jahren wäre das noch anders gewesen, und in fünf Jahren vielleicht auch.“ Der Humor der Komödie, da sind sich die beiden Regisseure einig, treffe den Nerv der Zeit.
Ins Rennen gebracht wurde das Stück übrigens von der Sasse-Ehrenvorsitzenden Christina Kling. Weil diese jedoch nicht allein inszenieren wollte, sprangen Hessenauer und Beuther ein. Kling unterstützt die beiden als Regieassistenz.
Aufführungstermine im Sasse-Theater
Premiere feiert „Das politisch korrekte Schneewittchen“ am Samstag, 18. Oktober, ab 20 Uhr. Weitere Aufführungstermine: 25. und 26. Oktober, 8., 9., 15., 16., 22., 23., 29. und 30. November sowie 6., 7., 13. und 14. Dezember. Karten sind unter anderem im Pressehaus in Heidenheim und unter hz-ticketshop.de erhältlich.