Mittwochvormittag, 11 Uhr. An der Kasse des Waldbads fordert eine Schulklasse lärmend Einlass. Kinder stürzen sich johlend die Rutsche hinab ins Nichtschwimmerbecken. Vor der Gaststätte rangeln sich in einer langen Schlange lautstark die ungeduldig Wartenden ihrer Portion Pommes entgegen. So sieht das häufig aus. Allerdings nicht jetzt, mitten im Dezember.
Stattdessen: Stille. Abgesehen davon, dass irgendwo im nahen Wald Forstarbeiter mit ihren Motorsägen rhythmisch die Ruhe zerschneiden. Wer das Treiben des Sommers erlebt hat, muss sich erst an diese fast völlige Lautlosigkeit gewöhnen. Das gilt auch für Dominic Kewitz. Der 31-Jährige ist Meister für Bäderbetriebe und kennt die Freizeitanlage im Westen der Stadt aus dem Effeff. Jetzt, da sich kein Mensch außer ihm auf dem 45 Hektar großen Gelände befindet, gehört die Bühne anderen. Rehen beispielsweise, die über den Zaun springen und sich dann an Zierkirschen gütlich tun.
Eisschicht auf dem Wasser
Eine Mischung aus Natur, Nachdenklichkeit und Nostalgie empfängt den einzigen Besucher an diesem Tag: Auf der Wasseroberfläche schwimmt eine dünne Eisschicht, die sich in der kraftlosen Morgensonne spiegelt. Sie verzerrt den Blick Richtung Beckenboden, wo Laub seiner Vergänglichkeit entgegen dämmert. Noch heben sich die braunen Blätter deutlich vom Hintergrund ab. Nach dem Winter wird das Wasser dann eine grasgrüne Färbung angenommen haben. „Wie ein umgekippter See mit Algen drin“, sagt Kewitz.
Und dann tut sich geradezu Museales auf: Im Gebäude neben dem Eingang schweigt ein metallenes Ungetüm vor sich hin, das während der Betriebszeiten im Sommer bis zu zwölf Stunden täglich Erdgas in jene Wärme verwandelt, die das Wasser im Schwimmerbecken auf mindestens 24 Grad Celsius bringt. 34.265 Betriebsstunden hat der Brenner mittlerweile auf dem Buckel, und doch lässt er sich nach der winterlichen Verschnaufpause bislang immer wieder zum Leben erwecken. Respekt.

Das Baujahr ist auf 1954 datiert. Wie bei so manchem im Waldbad. Man mag es kaum glauben: Damals wurde Deutschland mit Sepp Herberger auf der Trainerbank zum ersten Mal Fußballweltmeister.
Jetzt aber bewegt sich gar nichts. Im „Maschinenraum“ ist es kälter als draußen. Aus sämtlichen Leitungen ist das Wasser abgelassen, damit der Frost die Rohre nicht sprengen kann. Auch der Schaltschrank befindet sich in Winterruhe. Zumindest im November und Dezember. Es ist die Zeit, in der diejenigen endlich Urlaub nehmen und Überstunden abbauen können, die im Sommer dafür sorgten, dass die Gäste entspannte Stunden im Heidenheimer Freibad verbringen konnten. Mehr als elf Millionen Besucherinnen und Besucher kamen in den vergangenen 71 Jahren. Die meisten waren es 1992 mit 295.502, die wenigsten 1968 (75.076).

Die Planungen für die neue Saison, die meistens von Mai bis September dauert, starten schon kurz nach Jahresbeginn. Es werden kleinere Reparaturen erledigt, etwa an den Sonnenliegen und an den rund 450 Schließfächern. Mitte März laufen dann die Instandsetzungs- und Reinigungsarbeiten an, die das Bad optisch wieder auf Vordermann bringen. Dem Dreck auf den Wegen geht es mittels Hochdruckreinigern an den Kragen, die Wasseraufbereitungsanlage wird durchgespült, die Dosierpumpen müssen sich einem eingehenden Check unterziehen, damit später Chlor in ausreichender Menge ins Wasser gelangt und Flockungsmittel verlässlich alle Körperflüssigkeiten binden.

Besonderes Augenmerk gilt den beiden großen Becken. Dass sie während der Überwinterung gefüllt geblieben sind, ist kein Schlag ins Wasser, also kein Versäumnis der Verantwortlichen. Im Gegenteil. „Wäre kein Wasser drin“, erläutert Kewitz, „dann könnten Nähte reißen, wenn der Edelstahl sich bei großer Kälte zusammenzieht.“

Heidenheimer Waldfreibad: Auf welche Sanierungsmittel die Stadt jetzt hofft
Deshalb heißt es also erst im Frühjahr: Stöpsel raus. Binnen eines Tages strömen dann 650.000 Liter aus dem Nichtschwimmerbecken in die öffentliche Kanalisation, zwei Tage sind es beim Schwimmerbecken mit seinem Fassungsvermögen von 2,5 Millionen Litern. Doppelt so lange dauert es, bis Frischwasser nachgelaufen ist. Dazwischen liegt eine ausgiebige Schönheitskur – und schlussendlich der mit Spannung erwartete Moment: „Das ganze Personal fiebert immer mit, ob die Technik wieder anspringt“, sagt Kewitz.

Ist das der Fall, so beginnt der kontinuierliche Kreislauf des Wassers von Neuem. Es gelangt aus den Becken in die Überlaufrinnen, wird zunächst in einen Zwischenspeicher gepumpt, durchläuft Filter, erhält eine Dosis Chlor, außerdem den passenden ph-Wert und die gewünschte Temperatur verpasst, ehe es wieder in den Bassins landet.
Vor sieben Jahrzehnten beliefen sich die Baukosten für das Waldbad auf eine Million Mark. Jetzt soll es für bis zu 17 Millionen Euro modernisiert und erweitert werden. Voraussetzung: Der Bund übernimmt knapp die Hälfte der Summe. Die Entscheidung fällt im kommenden Februar. Positive Nachrichten aus Berlin kämen einem glücklichen Erwachen aus dem Winterschlaf gleich.
Der nächste Teil der Winterserie befasst sich mit Strategien der Wildtiere im Winter.

