Längst als Ulk enttarnt ist die Frage, weshalb Tag für Tag exakt so viel passiert, wie in eine Zeitung passt. Geradezu zwangsläufig finden hingegen sämtliche Ausgaben eines Blattes Platz zwischen den Deckeln der ein ganzes Jahr umfassenden Archivbände. Zahlreiche aus seinem eigenen Bestand hat das Heidenheimer Pressehaus jetzt an die Historia GmbH in Freiburg verkauft.
Es war geradezu ein Schwertransport, der sich unlängst von der Ostalb auf den Weg in den Breisgau machte. 2,7 Tonnen brachte die auf fünf Paletten verteilte und mit Schutzfolie umwickelte Fracht auf die Waage. Unzählige Buchstaben, die schwarz auf weiß zu einem großen Teil das Gedächtnis der Heidenheimer Lokalpresse bilden: Die rund 500 gebundenen Bände beinhalten sämtliche zwischen den 1950er-Jahren und 2010 erschienenen Ausgaben der Heidenheimer Zeitung (HZ) und der Heidenheimer Neuen Presse (HNP).
Doppelte Exemplare abgegeben
Zuvor hatten sie im Heidenheimer Pressehaus gestanden. Und das gleich zweifach. Geschäftsführer Martin Wilhelm traf deshalb die Entscheidung, sich von den doppelten Exemplaren zu trennen, um nicht zuletzt heimatgeschichtlich Interessierten den Zugriff auf diese umfassende Informationsquelle zu eröffnen: „So ermöglichen wir meiner Meinung nach eine sinnvolle Nutzung des Bestandes“, sagt Wilhelm.
Nicht eingeschlossen sind historisch weit vor allen Möglichkeiten der Digitalisierung angesiedelte Zeitungen. Die erste erschien in Heidenheim am 13. Januar 1830 – damals als Nummer 1 des „allergnädigst genehmigten Stadt- und Amtsblattes“ für den Oberamtsbezirk Heidenheim. Es folgten Titel wie der Gränzbote – später Grenzbote -, das Heidenheimer Tagblatt und andere.
Nach dem Zweiten Weltkrieg, im Jahr 1948, kam dann die Heidenheimer Zeitung heraus. Sie wurde 1975 mit der konkurrierenden HNP in einer Verlagsgemeinschaft zusammengeführt. Die Zusammenlegung der Redaktionen erfolgte 2009.
Allen technischen Neuerungen zum Trotz erweitern die beiden Titel das Pressehausarchiv auch weiterhin in gedruckter Form. Aber seit der 2010 parallel laufenden digitalen Speicherung nur noch in einfacher Ausfertigung, während die genannten Jahrgänge nun ihr zweites Leben begonnen haben; zunächst ebenfalls in einem Archiv, aber dieses ist möglicherweise nur eine Durchlaufstation.
Zeitungen aus aller Welt
Auf den Weg gebracht hat die ganze Geschichte Dr. Joseph Nietfeld, ein Jäger und Sammler, was Printprodukte aus der ganzen Welt angeht. Vor dreieinhalb Jahrzehnten gründete er in Freiburg das Historia-Zeitungsarchiv. Mittlerweile führt der 76-jährige ausgebildete Archivar und Historiker das Unternehmen zusammen mit seiner Tochter Dr. Sophie Bender.
Was sich in den Regalfluchten auf dem Gelände des Freiburger Güterbahnhofs stapelt, ist gewaltig: „Wir verfügen derzeit über etwa sieben Millionen Zeitungen und Zeitschriften von zweieinhalbtausend Titeln auf der ganzen Welt, aber mit Schwerpunkt Europa“, sagt Joseph Nietfeld.
HZ und HNP neu im Bestand
Bedeutet: „New York Times“, „Corriere della Sierra“, „Le Figaro“. Und inmitten dieser illustren Runde jetzt auch noch HZ und HNP. Die aus Heidenheim angelieferten Bände werden nach und nach aufgetrennt, die einzelnen Zeitungen anschließend in die EDV aufgenommen und in den Bestand integriert.
Dort liegen sie dann zum Beispiel neben einer gewaltigen Menge bedruckten Papiers, das Nietfeld Ende der 1990er-Jahre in Bonn abholte: Als die Bundesregierung nach Berlin umzog, wollte sie das Zeitungs- und Zeitschriftenarchiv des Presse- und Informationsamts nicht mitnehmen. Daraufhin griff Nietfeld zu und brachte elf Lkw-Ladungen nach Freiburg.
Größter Zeitungsbestand Europas
Der 76-Jährige hat Augen und Ohren stets dort, wo händische Archive zumindest teilweise aufgelöst werden. So erhielt er auch den Tipp einer Firma, als die HZ ihre Zeitungsbände digital erfassen ließ. Das Sammeln alter Ausgaben ist freilich kein Selbstzweck der Historia GmbH und ihrer ca. 30-köpfigen Belegschaft. Vielmehr wird der eigenen Angaben zufolge größte Zeitungsbestand Europas häufig von Universitäten, Wissenschaftlern und Heimatforschern genutzt.
Sie können in einem acht Länder und sechs Sprachen umfassenden Shop Originalzeitungen bestellen. Und für Nachschub sorgt Nietfeld permanent. Eine der jüngsten Neuerwerbungen stammt aus dem Archiv des Norddeutschen Rundfunks in Hamburg.
Personalisierte Geschenkartikel
Die Historia GmbH vertreibt nicht nur Zeitungen. Sie hat darüber hinaus historische und auf Wunsch personalisierte Geschenkartikel im Angebot. Die Palette reicht von Weinen über Vinyl-Schallplatten bis zu Münzen und Badeenten.