60 Kilometer pro Stunde, dann ist Schluss. Mehr dürfen die beiden Lokomotiven nicht auf dem Tacho haben, die ab November 1965 Güterwaggons durchs Brenztal ziehen. Die jeweils gut 60 Tonnen schweren Kolosse aus dem Hause Voith markieren zwischen Ulm und Aalen den Beginn eines neuen Bahn-Zeitalters: die Umstellung von Dampf- auf Dieselbetrieb.
Mit der Baureihe V 100 und 1100 PS Motorleistung geht es nun auf der Schiene Richtung Zukunft, wobei das nicht durchweg im D-Zug-Tempo gelingt. Die Bundesbahndirektion in Stuttgart schickt nämlich – eineinhalb Jahre später als ursprünglich angekündigt – zunächst nur zwei der Kraftprotze in den östlichsten Zipfel des Landes und lässt offen, wann die Flotte erweitert werden soll.
Filmisches Denkmal für die „Schättere“
An die Blütezeit der sich ihrem Ende nähernden Ära erinnern derweil die Heidenheimer Filmfreunde 08/16. Im kleinen Saal des Konzerthauses präsentieren sie einen Streifen, in dem die „Härtsfeld-Schättere“ die Hauptrolle spielt. Einige Wochen zuvor noch Hauptattraktion beim Heidenheimer Kinderfest, wird der betagten Dampflok jetzt auf der Leinwand ein Denkmal gesetzt, ehe sie auf dem Galgenberg als weithin sichtbarer Spielort für Kinder geparkt werden soll.
Unberührt davon, läuft der Umbau des Güterbahnhofs weiter. Nachdem die Arbeiten vier Wochen lang unterbrochen werden mussten, weil Grundwasser und eine wenig tragfähige Schicht zutage getreten waren, kann jetzt eine 30 Zentimeter dicke Betonplatte gegossen werden, auf der das neue Gebäude stehen soll.

Allerdings droht bereits das nächste Ungemach: Unerwartet früh schneit der Winter herein und sorgt nicht nur auf den Baustellen für Turbulenzen. Auch in vielen Autowerkstätten herrscht Ausnahmezustand. „Die meisten Autofahrer haben auch in diesem Jahr nichts hinzugelernt“, ist in einem Artikel der Heidenheimer Zeitung zu lesen, der den hektischen und angesichts des Straßenzustands längst überfälligen Wechsel von Sommer- auf Winterreifen beschreibt.
Kaum sind die ersten Flocken gefallen, da kracht es im Landkreis Heidenheim witterungsbedingt 30 Mal binnen drei Tagen. Es bleibt überwiegend bei Blechschäden, allerdings müssen auch einige Verletzte versorgt werden. So beispielsweise eine Passantin und ihre Tochter. Sie sind auf dem Gehweg entlang der Hauptstraße unterwegs, als ein Autofahrer bei Glatteis wegen zu hoher Geschwindigkeit die Kontrolle verliert und die beiden Frauen gegen ein Schaufenster drückt. Glücklicherweise kommen sie mit leichten Blessuren davon.
Die Polizei ist im Dauereinsatz, und das nicht nur, um Unfälle aufzunehmen. Für Aufsehen sorgt auch die Festnahme eines Einbrechers: Ein Mitarbeiter der Wach- und Schließgesellschaft schlägt Alarm, nachdem er festgestellt hat, dass mit einem Brecheisen gewaltsam die Tür eines Heidenheimer Handelsunternehmens geöffnet wurde. Eine Streife durchsucht daraufhin die Räume und wird stutzig, weil im Chef-Büro vor einem Schränkchen Akten stehen, die dort offenkundig nicht hingehören. Beim Blick in das enge Möbel stoßen die Beamten auf einen zusammengekauerten Eindringling. Sein Versteckspiel ist aufgeflogen, und er wandert in die Gewahrsamszelle.
Alles andere als zum Schmunzeln ist die Situation, in der sich ein 21-jähriger Taxifahrer unversehens wiederfindet. Am Droschkenplatz beim „Scharfen Eck“ steigt ein Fahrgast zu und setzt sich hinter den Chauffeur. Dieser steuert seinen Wagen nach Mergelstetten. Am Erzknappenweg angekommen, sieht er im Rückspiegel, wie der Kunde ein Messer aus der Tasche zieht und auf ihn einstechen will. Der 21-Jährige tritt auf die Bremse, wirft sich nach rechts und springt aus dem Auto.
Kampf auf Leben und Tod
Wie er später im Gespräch mit der HZ schildert, entwickelt sich jetzt ein Kampf auf Leben und Tod. Bis zur Giengener Straße rückwärtsgehend, weicht der Überfallene immer wieder den Stichen seines Widersachers aus. Als er stürzt, kann er sich im letzten Moment mit einem Gummiknüppel der Angriffe des rabiaten Fahrgastes erwehren. Mindestens 20 Schläge sind nötig, um ihn schließlich außer Gefecht zu setzen.
Der Grund für den Überfall macht sprachlos: Zwei Monate zuvor ruft der 21-Jährige per Funk seine Kollegen zur Hilfe, weil ein Fahrgast einen anderen Taxifahrer um die Anfahrtsgebühr prellen will. Dabei handelt es sich um den mit dem Messer Bewaffneten, der sich jetzt rächen will.

Weitaus friedlicher, ja geradezu feierlich, geht es unterdessen bei den Heidenheimer Stadtwerken zu. Zu würdigen gilt es gleich drei Anlässe: 100 Jahre Gasversorgung, 80 Jahre Wasserversorgung, 60 Jahre Stromversorgung unterm Hellenstein. Einen Überblick über die Entwicklung der städtischen Energiewirtschaft gibt Stadtwerke-Direktor Rolf Fries.

Unter den Zuhörern sind viele Vertreter des politischen Lebens, das auf lokaler Ebene erst wenige Tage zuvor neu zusammengestellt worden ist. Nach den Gemeinderatswahlen vom 7. November prägen zehn frische Gesichter den 36-köpfigen Heidenheimer Gemeinderat. Unberücksichtigt bleiben dabei die persönlichen Präferenzen zweier älterer Damen, die inmitten des Kumulierens und Panaschierens offenkundig den Überblick verlieren: In eines der 42 Wahllokale bringen sie Stimmzettel mit, die dort für ungläubiges Staunen sorgen – sie stammen noch von der Oberbürgermeisterwahl am 8. November 1964.

Damals bestätigen die Heidenheimer Elmar Doch für weitere zwölf Jahre im Amt. Ein Jahr nach seinem überragenden Wahlsieg hat er jedoch abermals Grund zur Freude: Heidenheims Ehrenbürger Hanns Voith überreicht ihm die von ihm aus Anlass seines 80. Geburtstags gestiftete Amtskette.
Warum ausgerechnet 60 Jahre zurück?
Im Dezember 2008 war der Lokschuppen Schauplatz eines Festabends, bei dem eine seit 60 Jahren bestehende freie und unabhängige Presse in Heidenheim im Mittelpunkt stand. Damals mischten sich Aus- und Rückblicke. Unter anderem wurde die Idee geboren, regelmäßig in Erinnerung zu rufen, worüber die HZ jeweils 60 Jahre zuvor berichtet hatte. Die Serie startete mit der Rückschau auf 1949. Mittlerweile gilt das Augenmerk dem Jahr 1965.