Während man auf das kleine Holztor zwischen den Bäumen und Büschen in der Nähe des Heidenheimer Waldbads zuläuft, hört man wie jeden Sommer bereits laute Musik, Kinder, die lachen und durcheinanderrufen. Auch wenn es in der vierten und fünften Woche der Sommerferien regnerisch ist, toben die Mädchen und Jungen bei der Awo-Kinderfreizeit unbeeindruckt draußen weiter.
Die Ferienfreizeit der Arbeiterwohlfahrt hat in Heidenheim und Giengen eine lange Tradition: Seit 100 Jahren gibt es das Angebot, das Kindern unbeschwerte Ferientage ermöglicht und Eltern entlastet. Seit fast 30 Jahren nutzt der Ortsverein das Gelände neben dem Waldbad, wo ein eigens gebautes Haus als Zentrale dient.
Das Gesicht hinter dem Ferienprogramm
Eine, die die Entwicklung seit vielen Jahren begleitet, ist Jacqueline Lechner. Die 29-jährige Heidenheimerin ist seit diesem Jahr Hauptleiterin und kümmert sich mit ihrem Team um das Programm. Zusammen mit ihrer Co-Leitung Fabienne Messner ist sie beim Kreisverband angestellt und für beide Standorte, also Giengen und Heidenheim, verantwortlich.
Nach dem Abitur brachte ihr Schwager sie auf die Idee. Er hatte selbst lange bei den Kinderfreizeiten mitgeholfen. „Er sagte mir: ‚Du wirst zwar nicht die Welt verdienen, aber eine coole Zeit haben‘“, sagt sie. Und es hat sich bewahrheitet: „Ich bin damals gekommen und seither nie gegangen.“ Ursprünglich studierte Lechner Design in Schwäbisch Gmünd und arbeitete fünf Jahre in diesem Bereich, die Awo war aber schon seit damals ein großer Teil ihres Lebens. Ab Oktober beginnt sie ein Studium im Sozialmanagement. Sie möchte weiterhin für die Freizeiten zuständig sein und bei der Awo Fuß fassen.

Steigendes Pensum, begrenzte Plätze in Heidenheim
In diesem Sommer nehmen pro Woche rund 80 Kinder teil, insgesamt 242 sind angemeldet. Nicht alle davon sind die ganzen fünf Wochen lang dabei, manche bleiben auch nur eine, zwei oder drei. „Es ist schon sehr schade. Auch wenn wir gerne mehr Kinder aufnehmen wollten, muss man immer ein Auge auf die Kapazitäten haben und der Platz ist begrenzt“, sagt Jacqueline Lechner. Neben Neuzugängen gibt es auch Kinder, die seit dem fünften Lebensjahr dabei sind.
Die Anmeldung startete bereits ab Februar, im Mai waren sie voll ausgebucht. „Viele Eltern wollen ihre Kinder am liebsten direkt fürs nächste Jahr wieder anmelden“, sagt die 29-Jährige und lacht.
In vier Gruppen werden die Kinder nach Altersstufen eingeteilt. Die Altersspanne liegt bei fünf bis 13 Jahren. Ältere Kinder können ab 15 Jahren im Praktikantensystem teilnehmen. Wer möchte, kann ab 16 Jahren aber auch selbst als Betreuer einsteigen. Die Betreuenden werden über mehrere Seminare und nach dem Standard für Jugendleiter (Juleica) geschult.
Ein Tag bei der Freizeit mit buntem Programm
Montag bis Freitag sind die Kinder von 8 bis 17.15 Uhr auf dem Gelände, am Wochenende zu Hause. Jede Gruppe hat ein Zelt als Treffpunkt, die Mahlzeiten kommen aus dem Eugen-Loderer-Zentrum.
Mittwochs gibt es Workshops wie Batiken, Graffiti oder wie im vergangenen Jahr Hockey mit dem HSB. „Uns ist wichtig, die Umgebung in Heidenheim in die Aktivitäten miteinzubeziehen“, sagt Lechner. Die Ältesten gehen auf Nachtwanderungen, andere Gruppen verbringen Nachmittage auf dem Spielplatz neben dem Naturtheater oder beim Schloss. Freitags endet die Woche traditionell mit der „Äktschn“, einem Motto-Tag mit Spielen und Stationen.
Bei heißem Wetter gibt es Pool und Wasserschlachten, für die Jüngeren genügen Sandkasten und kleinere Spiele. Fußball oder „Ochs am Berg“ stehen den aktiveren Kindern offen. Die Freizeit wird unterstützt von der Stadt durch Mitnutzung der Waldbadwiese und kostenlosen Eintritt ins Waldbad.
Das Bärenfest als Höhepunkt
Ein besonderes Ereignis der Freizeit ist das Bärenfest. Die Kinder bereiten Aufführungen vor, singen den Awo-Song und bekommen Besuch vom Awo-Bären, mittlerweile in dritter Generation. Die Eltern sollen dabei die Betreuer kennenlernen und sehen, was ihre Kinder gelernt haben. Spielstraße, Glücksrad, Essen und Popcorn vom Kino in Heidenheim gehören ebenfalls zum Programm.
Zum 100-jährigen Bestehen erhielt die Awo-Kinderfreizeit ein Geldgeschenk von der Stadt. „Normalerweise wird beim Bärenfest eine Woche Freizeit kostenlos verlost, dieses Jahr sollen es ganze fünf sein“, sagt Lechner. So möchte die Awo mithilfe der Spende den Kindern und Eltern etwas zurückgeben.
Das Ehrenamt und seine Herausforderungen
Rund 38 Betreuende von 16 bis 30 Jahren engagieren sich ehrenamtlich in Heidenheim und Giengen. „Unsere Helfenden sind alle ehrenamtlich, was nicht selbstverständlich ist. Es gibt einem aber unglaublich viel zurück“, sagt Lechner. Viele waren selbst früher Teilnehmer. Nach Ende der Freizeiten gibt es Feedbackgespräche, drei Monate Theoriephase mit Seminaren und drei Monate Praxisvorbereitung für das nächste Mal. Denn hinter den Ferientagen steckt viel Arbeit: Logistik, Aufsicht, Organisation, Wetterumschwünge oder individuelle Bedürfnisse der Kinder, auf die flexibel eingegangen werden muss. Das Gute: „Es ist immer irgendwer da, der eine Lösung weiß“, sagt die Leiterin.
Eine Traditionsfreizeit mit Zukunft
Die Awo-Freizeit ist seit einem Jahrhundert ein fester Bestandteil der Region. Kinder aus unterschiedlichen sozialen Hintergründen verbringen hier ihre Ferien, lernen miteinander und bilden Freundschaften. Unterstützt durch Ehrenamtliche und Angebote wie Jobcenter-Gutscheine bleibt die Teilnahme auch für Familien möglich, die auf zusätzliche Hilfe angewiesen sind. „Spielen verbindet einfach“, sagt Lechner – und fasst damit den Kern der Freizeit zusammen.