Premiere im Naturtheater

Warum sich ein Besuch in der „Pension Schöller“ auf dem Heidenheimer Schlossberg lohnt

Das Heidenheimer Naturtheater feierte Premiere: Regisseur Marco Graša setzt den Lustspiel-Klassiker „Pension Schöller“ hinreißend amüsant in Szene.

Der Psychiater, Psychotherapeut, Theologe und Vatikan-Berater Manfred Lütz schrieb 2009 einen Bestseller. Der Titel des Buches lautet: „Irre! Wir behandeln die Falschen. Unser Problem sind die Normalen“. Passender könnte auch die Überschrift über den Lustspiel-Klassiker „Pension Schöller“, den das Naturtheater zeigt, nicht lauten. In dem 1890 uraufgeführten Stück geht es um die Frage: Wer ist eigentlich normal – und wer verrückt? Am Ende fällt die Antwort überraschend anders aus als gedacht. Und schon allein das ist irgendwie verrückt. Oder ist es normal?

Ein gewisser Ladislaus Klapproth wird in der Annahme, es handle sich um eine Nervenheilanstalt, in die Pension Schöller geschickt – und hält deshalb die „Normalen“ für verrückt. Ein durchgeknallter Major a.D, eine Roman-Schriftstellerin mit abenteuerlicher Phantasie, ein großspuriger Großwildjäger, eine abgetakelte Opern-Diva und vor allem ein selbstverliebter Möchtegern-Schauspieler mit Sprachfehler bilden die schrullige personelle Kulisse. Und damit ist klar: Es gibt viel zu lachen.

Verdichtete Missverständnisse

Mit Verrückten lässt sich schon immer gut Theater machen. Aber die Aufgabe ist auf der Bühne trotzdem nicht einfach umzusetzen. Angesichts der verdichteten Missverständnisse, der Lächerlichkeiten ihres Charakters, denen sich die Darstellerinnen und Darsteller hingeben müssen, und eines Feuerwerks an Kalauern und Zoten besteht leicht die Gefahr, in die Albernheit abzurutschen.

Das vor allem wollte Regisseur Marco Graša in seiner Debüt-Komödie am Naturtheater vermeiden. Und dies ist ihm auch hundertprozentig gelungen. Die „Pension Schöller“ der Heidenheimer Machart hat den Charme feinsinniger Unterhaltung, gepaart mit derbem Wortwitz und leidenschaftlichem Agieren auf der Bühne, das stets locker daherkommt. Da verkraftet man auch den eher flachen Humor, wonach ein Beduine der „Vater der Morgana“ ist und jemand „Klavierspielen kann wie Rembrandt“.

Im Flow der Pointen mag zwar manches zu Boden fallen. Doch der Stoff, so bunt wie ein Regenbogen, schauspielerisch ohne Schwächen höchst amüsant und im besten Sinne unterhaltend umgesetzt, lässt in keiner Minute Langeweile aufkommen und sorgt für das, was so eine Komödie leisten soll: Man lacht viel, weil's einfach gut gemacht ist. Und der Spannungsbogen reißt auch nie ab. Christian Horn glänzt in der Hauptrolle als Ladislaus Klapproth, überzeugt sprachlich durch klare Akzentuierung, durch körperliche Ausdruckskraft und starke Mimik und wird so zum glaubhaften (Ver-)Wandler zwischen den sonderbaren Charakteren. Aus dem vermeintlich Normalen wird am Ende selbst der Verrückte.

Was ist verrückt und was normal? Mit dieser spannenden Frage spielt die Komödie im Naturtheater. Natascha Schröm

Beeindruckend auch, wie Andreas Grimminger-Graša den Sprachfehler des Leo Schöller (er spricht statt des Buchstabens L ein N) konsequent durchzieht und seinen Traum, eine „tonne Ronne“ (tolle Rolle) zu spielen, auf diese Art tatsächlich umsetzt. „Das muss ein Unheilbarer sein“, stellt Ladislaus Klapproth fest. In der Tat: So stellt man sich einen Verrückten vor. Neben dem sensibel-verträumten Möchtegern-Schauspieler wirkt die schweizerdeutsch-sprechende Christine Früh-Böhni als Roman-Autorin Sophie Malzpichler mit dem Wahnsinns-Künstlernamen Gundula Freifrau von Zetterström wie eine hektische Plaudertasche, die sich unentwegt Notizen über Ideen für neue Geschichten macht. So einer, das stellt Ladislaus Klapproth schnell fest, kann man leicht einen Bären aufbinden.

Es sind gerade auch die Gegensätze der angeblich Verrückten, die das Unterhaltungs-Spektrum so breit machen und damit Kurzweil programmieren. Der Major a.D. zum Beispiel (dargestellt von Katja Aubele) mag's logischerweise zackig, weshalb ihn Klapproth als „Bumbum, plemplem“ bezeichnet. Sangessicher nervt Stephanie Seifert als Wanda Staudinger die Schöller-Pensionäre mit dem Dirnen-Lied. Und der aufschneiderische „Löwenjäger im Pyjama“ namens Paul Bernhardi (verkörpert von Matthias Wagner) wird am Ende ganz schwach, indem er sich verliebt.

Schüchterner Heiratsantrag

Ach ja, die Heiratswilligen finden zum Schluss ohnehin alle zusammen – wie es sich für ein Lustspiel eben gehört. Der vorausgegangene schüchterne Heiratsantrag von Julius Ferstl alias Alfred Klapproth ist einfach toll gespielt.

Das Wort vom Happy End machte am Ende auch in anderer Hinsicht die Runde. Regisseur Marco Graša musste kurzfristig selbst auf die Bühne und schlüpfte in die Rolle des Pensions-Chefs Ludwig Schöller, weil sein Kollege Manuel Meiswinkel krankheitsbedingt noch am Premierentag absagen musste. Dem Regisseur fiel es deshalb zu, den entlarvenden Satz zu sagen: „Das sind ganz normale Menschen wie Sie und ich!“. Ein bisschen eigenartig zwar – aber was ist schon normal? Eben.

Noch weitere neun Aufführungen

Der Theatersaal des Naturtheaters war bei der Premiere von „Pension Schöller“ am Freitagabend mit 120 Zuschauerinnen und Zuschauern voll besetzt. Nach den ersten drei Aufführungen am zurückliegenden Wochenende wird das Stück bis zum 2. November noch neunmal aufgeführt. Nach Auskunft des Vorsitzenden Thomas Schirm stehen noch Karten in begrenztem Umfang zur Verfügung. Die Tickets gibt es unter anderem im Pressehaus Heidenheim und unter hz-ticketshop.de. Termine der weiteren Aufführungen: 17., 18., 19., 24., 25., 30. und 31. Oktober sowie 1. und 2. November.

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