Das Heidenheimer Klinikum bietet nicht nur stationäre und ambulante Krankenhausversorgung an, sondern beherbergt auch mehrere Arztpraxen. Diese firmieren unter dem Begriff MVZ. Die Abkürzung steht für Medizinisches Versorgungszentrum und meint eine Organisationsform, bei der die einzelnen Ärztinnen oder Ärzte als Angestellte arbeiten. Das Klinikum, das vom Landkreis in öffentlicher Trägerschaft betrieben wird, unterstützt so die ärztliche Versorgung vor Ort und sichert die Arztsitze. Diese würden sonst verloren gehen, da es auch im Bereich der Fachärzte immer schwieriger wird, Nachfolgerinnen oder Nachfolger für bestehende Praxen zu finden.
Herz und Nieren
Zuletzt wurden die MVZ am Klinikum durch die Bereiche Kardiologie und Nephrologie (Nierenheilkunde) ergänzt. „Der Übernahme gingen längere Verhandlungen mit beiden Eigentümern voraus“, erläutert Klinik-Geschäftsführer Dr. Dennis Göbel. Seit vergangenem April ist die ambulante Dialyse der zuvor in der Schmelzofenvorstadt beheimateten Praxis im Klinikum untergebracht, seit November auch der Sprechstundenbetrieb. „Unser Ziel war es, die Bereiche Kardiologie und Nephrologie strukturell zu stärken, insbesondere im Hinblick auf die ambulante Patientenakquise“, so Göbel. Der Umzug der Kardiologie aus der Schmelzofenvorstadt sei für Ende 2026 geplant.
Schon länger gibt es Fachärztinnen und Fachärzte für Gynäkologie, Radiologie, Kinder- und Jugendmedizin sowie ein MVZ für Psychotherapie unter dem Dach des Klinikums. Derzeit werden rund 35.000 Patientinnen und Patienten jährlich in den Klinik-MVZ versorgt und die Fallzahlen steigen. Synergieeffekte verspricht sich Geschäftsführer Göbel daraus, dass die einzelnen Praxen räumlich zusammengeführt werden sollen. So sind gemeinsame Wartezonen, ein gemeinsamer Empfangstresen und gemeinsam genutzte Untersuchungsräume geplant. „Die Praxen sollen in einem baulich gestuften Konzept im Klinikum räumlich, personell und organisatorisch zusammengeführt werden“, so Göbel.
Finanziell lohnen sich die MVZ derzeit noch nicht fürs Klinikum. Laut Göbel liegt das unter anderem daran, dass aufgrund von Personalengpässen die erforderlichen Fallzahlen nicht erreicht werden oder in anderen Bereichen der Personaleinsatz noch zu hoch ist, weil es die oben beschriebenen Synergieeffekte noch nicht gibt.
Hausarztpraxis fürs Klinikum?
Trotzdem würde der Klinikgeschäftsführer gerne einen weiteren Bereich ins Klinikum integrieren: eine Hausarztpraxis. Von einem Hausarzt-MVZ verspricht sich Göbel auch eine Entlastung der Zentralen Notaufnahme (ZNA), die ausgelegt sei für 13.000 Patienten jährlich, wo aber tatsächlich 28.000 Fälle behandelt werden. Hier stellt sich der Klinikgeschäftsführer vor, dass Patienten, die selbstständig ins Klinikum kommen, sich zunächst in der Hausarztpraxis vorstellen. Dort würde dann entschieden werden, ob sie direkt behandelt werden können oder in die ZNA müssen. „Dies führt – zumindest in der Theorie – zu einer deutlichen Entlastung der ZNA während der Öffnungszeiten der Praxen“, meint Göbel.
Allerdings: Das Klinikum bemüht sich schon seit zwei Jahren um eine geeignete ärztliche Besetzung des Hausarzt-MVZ und steht im Wettbewerb mit den Kommunen im Landkreis. „Die Umsetzung des Plans scheint fraglich angesichts der Tatsache, dass bereits rund 20 Hausarztsitze im Landkreis unbesetzt sind“, sagt Göbel.

Für die Klinik sind die Medizinischen Versorgungszentren wichtig, um einerseits eine angemessene Nachsorge nach stationären Aufenthalten anbieten zu können, andererseits aber auch, um stationäre Patientinnen und Patienten zu bekommen – allerdings nur, wenn auch ein stationärer Klinikaufenthalt notwendig ist. „Die Quote der von unserem MVZ zugewiesenen stationären Fälle entspricht in etwa der von anderen niedergelassenen Praxen“, so Göbel.
Neben den Praxisstrukturen der MVZ gibt es im Klinikum auch noch den ambulanten Bereich, in dem Sprechstunden in speziellen Fachgebieten, Untersuchungen sowie mit steigender Tendenz Operationen angeboten werden. „Die Zahl der ambulanten Operationen und der sogenannten stationsersetzenden Maßnahmen steigt von Jahr zu Jahr kontinuierlich an“, erläutert der Klinik-Geschäftsführer. Der ambulante Bereich entwickele sich zunehmend zu einem existentiellen Standbein im Krankenhaus. „Wenn wir den ambulanten Patienten von unserer Qualität überzeugen können, dürfen wir auch darauf hoffen, dass sich dieser bei größeren Erkrankungen wiederum für uns entscheidet“, sagt er.
Um dieser Entwicklung Rechnung zu tragen, wünscht sich das Klinikum einen zweiten ambulanten OP-Saal, der räumlich im bestehenden ambulanten OP-Zentrum angegliedert werden soll. Für die Baumaßnahmen fehlt noch grünes Licht von Seiten der zuständigen Gremien. Sollte dieses kommen, sei eine Inbetriebnahme Ende 2027 oder Anfang 2028 realistisch, meint Göbel.
Notfallpraxis soll umziehen
Ein weiterer ambulanter Anlaufpunkt im Klinikum ist die Notfallpraxis, die als allgemeinärztliche Bereitschaftspraxis die Zeiten am Abend und am Wochenende abdeckt, in der Hausarztpraxen geschlossen sind. Hier ist der Betreiber aber nicht das Klinikum, sondern die kassenärztliche Vereinigung.
Die Notfallpraxis soll nach Fertigstellung des aktuellen Bauabschnitts 3A am Klinikum ins neue Haus L umziehen. „Die kassenärztliche Vereinigung zieht sich vermehrt aus den ambulanten Versorgungsstrukturen zurück“, so Klinik-Geschäftsführer Dr. Dennis Göbel. Deshalb sei ein gemeinsamer Tresen von Zentraler Notaufnahme und Notfallpraxis vorgesehen. „Die Möglichkeiten, diesen zu etablieren, hätten wir.“

