Nachdem die HZ über sehr lange Wartezeiten bei Anträgen auf Wohngeld in der Stadt Heidenheim berichtet hatte, wandte sich ein betroffener Antragssteller an das Regierungspräsidium in Stuttgart. Ihm sei dadurch bewusstgeworden, dass nicht nur er betroffen ist, sondern es sich offenbar um ein strukturelles Problem handle, so der Mann gegenüber der Redaktion. Er selbst möchte anonym bleiben, wie viele andere Betroffene auch. Auf Nachfrage sagt er, dass das Thema für ihn schambehaftet sei. Er fühle sich unwohl zu sagen, dass er Wohngeld beantrage, weil seine Rente knapp sei. Der 69-Jährige hat bereits im Januar 2023 seinen Erstantrag gestellt, doch bis heute noch keinen Bescheid geschweige denn Zahlungen erhalten.
Sehr schnell kam hingegen die Rückmeldung, dass eine Aufsichtsbeschwerde über die Heidenheimer Wohngeldstelle beim Regierungspräsidium Stuttgart nicht möglich sei. Der organisatorische und personelle Bereich in einer Kommune sei Teil der kommunalen Selbstverwaltung und unterstehe somit nicht der Kommunalaufsicht, so die Pressestelle des für das Thema Wohngeld zuständigen Ministeriums für Landesentwicklung und Wohnen.
Akteneinsicht fand statt
Die Situation in der Wohngeldstelle der Stadtverwaltung Heidenheim ist dem Regierungspräsidium jedoch längst bekannt: Mitarbeiter des Regierungspräsidiums sowie des Ministeriums für Landesentwicklung und Wohnen waren schon im Frühjahr dieses Jahres bei der Stadtverwaltung Heidenheim. Neben Gesprächen mit der Amtsleitung sowie der Leitung der Wohngeldstelle haben sie sich die Arbeitsabläufe sowie die Gründe für die Rückstände in der Bearbeitung von den Mitarbeitenden erläutern lassen, teilt die Pressestelle des Ministeriums auf HZ-Anfrage mit. Zudem habe man stichprobenartig Einsicht in verschiedene Akten genommen.
Was ist mit Überbrückungszahlungen
Der Grund für die Verzögerungen in der Bearbeitung liegt für die übergeordneten Behörden in der Wohngeld-Plus-Reform, die zum 1. Januar 2023 in Kraft getreten ist. Dadurch seien mehr Menschen wohngeldberechtigt und die Zahl der Wohngeldanträge stieg erheblich. Das hätte bundesweit, wie auch bei den kommunalen Wohngeldbehörden, zu besonderem Arbeitsaufwand und Herausforderungen geführt. Vom Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen und dem Regierungspräsidium Stuttgart wird zudem ergänzt: „Zur Unterstützung wurden seitens des Landes Baden-Württemberg für die Jahre 2023 und 2024 jeweils 17 Millionen Euro an die Wohngeldbehörden ausgezahlt, damit organisatorische und insbesondere personalwirtschaftliche Maßnahmen auf kommunaler Ebene rechtzeitig ergriffen werden können.“
Gleichwohl wissen die Behörden, dass es bisweilen schwierig ist, Fachpersonal für die Verwaltung zu finden: „In Heidenheim wurden die Abläufe vor Ort geprüft, jedoch verzögern Fachkräftemangel und die aufwendige Einarbeitung neuer Mitarbeiter die Verbesserung.“
Giengen und Landkreis ohne Bearbeitungsstau
Nicht überall führt die geänderte Gesetzeslage zu Problemen: Auch das Landratsamt Heidenheim und die Stadt Giengen waren von der Wohngeld-Plus-Reform betroffen, auch dort werden seitdem mehr Wohngeldanträge gestellt. Allerdings kommt es im Giengener Rathaus und im Landratsamt mit jeweils drei Mitarbeitenden, die sich um die Anträge kümmern, zu keinem Bearbeitungsrückstau.
Die Stadt Giengen habe auf das erhöhte Antragsaufkommen frühzeitig reagiert und im Bereich Wohngeld eine neue Stelle geschaffen, erläutert der Giengener Oberbürgermeister Dieter Henle. Zudem habe man gute Erfahrungen damit gemacht, die Wohngeldstelle bei Bearbeitungsrückstau einen Tag pro Woche für den Publikumsverkehr zu schließen und die entstehende Zeit zur Antragsbearbeitung zu nutzen. Henle ergänzt: „Hilfreich ist sicher, einen Bearbeitungsrückstau gar nicht erst aufkommen zu lassen. Bekanntermaßen ist das Abarbeiten solcher Staus schwierig, da durch verständlicherweise zahlreiche Bürgeranfragen zum Bearbeitungsstand des eigenen Falles Kapazitäten gebunden werden.“
Auch keine Überbrückungszahlungen
Welche Möglichkeit bleibt nun Betroffenen, die auf Wohngeld angewiesen sind, um ihre Lebenshaltungskosten zu bestreiten? Theoretisch können sie in Härtefällen eine vorläufige Zahlung erhalten, dies bestätigt auch das Regierungspräsidium Stuttgart. Ob die Wohngeldbehörde allerdings vorläufige Zahlungen übernehme, dürfe sie selbst pflichtbewusst entscheiden. Von den Wohngeldbehörden würde allerdings überwiegend mitgeteilt werden, dass die vorläufigen Zahlungen mit einem Mehraufwand verbunden seien, da neben der vorläufigen auch eine endgültige Entscheidung erforderlich sei. Betroffenen bleibt am Ende also nur, auf eine Entscheidung der zuständigen Behörde zu warten.
Probleme auch bei anderen Kommunen
Bei der Bürgerbeauftragten des Landes Baden-Württemberg, Beate Böhlen, sind auch weitere Fälle von Kommunen, in denen sich die Bearbeitung von Wohngeldanträgen verzögert, bekannt. Aktuell liege beispielsweise ein Fall aus Stuttgart vor, in dem der vollständige Antrag im April 2024 bei der Stadt Stuttgart eingereicht worden sei. Dem Antragsteller sei mitgeteilt worden, dass die Bearbeitungszeit mittlerweile bis zu 18 Monaten dauern könne.