Schon im vierten Jahrhundert erkannte ein griechischer Philosoph: „Zufälle sind unvorhergesehene Ereignisse, die einen Sinn haben.“ Was für die einen nur die leeren Worte Diogenes’ sein mögen, ist für andere eine tiefgründige Wahrheit im Alltag. Denn wie oft passieren Zufälle, die wir als schön betiteln? Zum Beispiel, wenn sich bei einem spontanen Blick ins örtliche Tierheim jemand in einen Welpen verliebt – und plötzlich sitzt der beste Freund für die kommenden 15 Jahre auf dem Schoß. Oder wenn es an der Supermarktkasse in einem fremden Ort zu einer Begegnung mit einer längst vergessenen, einst vertrauten Person kommt.
Ein ähnlicher Zufall ereignete sich auch in der Heidenheimer „Villa Kunterbunt“, als sich die beiden FSJler Adam Hepperle und Carolina Schlee nach Jahren erstmals wiedersahen. Einst besuchten sie dieselbe Kindergartengruppe, heute arbeiten sie Seite an Seite im selben Kindergarten, ohne in der Zwischenzeit Kontakt gehabt zu haben.
Das Wiedersehen aus dem Nichts
Lange grübelt Hepperle bei der Frage, ob er sich noch an etwas erinnern kann aus seiner Zeit im Kindergarten. „Nein, eigentlich nicht“. Die Zeit hat die Bilder der Kindheit verblassen lassen. Umso größer war die Überraschung, als sich Schlee und Hepperle am ersten Tag ihres Freiwilligen Sozialen Jahres in der Villa Kunterbunt wiederbegegneten. „Irgendwas war da doch“, dachte sich Hepperle. „Der Name kommt mir bekannt vor.“ Und tatsächlich: Die beiden waren nicht nur gleichzeitig im selben Kindergarten, sondern auch Nachbarn – und das schon immer. Ohne je engen Kontakt gehabt zu haben, arbeiten sie nun gemeinsam mit Kindern im inklusiven Kindergarten.

Doch wie begann alles? Hepperle und Schlee waren gemeinsam in der Gruppe „Takatukaland“ der Villa Kunterbunt in der Heidenheimer Weststadt. „Ich kann mich erinnern, dass ich damals viel mit seiner Schwester gespielt habe“, erzählt Schlee. Durch ihr Nachbarschaftsverhältnis sei dies auch häufiger außerhalb des Kindergartens der Fall gewesen. „Wir waren halt richtige Sandkastenfreunde“, sagt Hepperle. Nach dem Schuleintritt trennten sich dann die direkten Wege der beiden. „Klar. Als Nachbarn hat man sich mal flüchtig gesehen, aber mehr hatten wir nicht miteinander zu tun“, sagt der 18-Jährige.
Für ihr Fachabitur entschieden sich beide unabhängig voneinander für ein FSJ.
„Ich dachte mir: Wenn ich hier schon mal war, ist das der perfekte Ort dafür“, sagt Schlee und fügt hinzu: „Vielleicht treffe ich ja Leute, die ich noch kenne.“ Tatsächlich sollte sie damit recht behalten: Neben bekannten Erziehern stand ihr plötzlich auch Hepperle wieder gegenüber – nicht als Kindergartenfreund, sondern als Kollege. Ein echter Zufall eben.
Der Alltag im inklusiven Kindergarten
In der Villa Kunterbunt betreuen Hepperle und Schlee tagtäglich gemeinsam Kinder mit und ohne Beeinträchtigungen. „Das Konzept der Villa Kunterbunt hat mir schon als Kind viel beigebracht“, sagt Hepperle über seine eigene Zeit dort. „Ich bin auf jeden Fall offener dadurch geworden.“ Für beide 18-Jährigen ist besonders der Umgang der Kinder untereinander ein Highlight des Berufs. Täglich entstehen neue Situationen und Herausforderungen, die in anderen Kindergärten so nicht üblich sind.
Den gesamten Arbeitsalltag verbringen die beiden jedoch nicht zusammen: Die Kindertagesstätte besteht aus mehreren inklusiven Gruppen mit individuellen Angeboten. Hepperle ist mitverantwortlich für eine dieser Gruppen, Schlee arbeitet in einer Krippengruppe. „Mein Aufgabenfeld ist ruhiger als das von Adam“, sagt sie, „aber natürlich ist es auch harte Arbeit, täglich auf die Kinder zu achten.“
Blick in die Zukunft
Trotz vieler Parallelen im bisherigen Leben der beiden Heidenheimer ist es eher unwahrscheinlich, dass sich ihre beruflichen Wege noch einmal kreuzen: Hepperle beginnt eine Ausbildung zum Fachinformatiker, Schlee startet eine Lehre zur Bürokauffrau. „Trotzdem hätte ich nie gedacht, wie viel Spaß der Beruf machen kann“, sagt Hepperle. „Mein beruflicher Plan stand schon vorher fest. Aber es war sehr lehrreich, über so eine lange Zeit in den Erzieherberuf reinzuschnuppern“, ergänzt Schlee. Dass sich die beiden weiterhin als Nachbarn begegnen, ist da schon viel wahrscheinlicher. „Jetzt haben wir uns ja auf dem Schirm“, sagt Schlee. „Ich denke, da werden sich auf jeden Fall noch einige Gespräche ergeben.“