Mikroabenteuer

Von Freiheit und Grenzen: Einen Tag in Heidenheim barfuß unterwegs sein

Die Vorfreude ist groß. Einen Tag lang die Schuhe abstreifen und barfuß gehen? Das muss Freiheit pur sein. Doch die Wahrheit sieht am Ende anders aus, wenn sie auch abenteuerlich ist. Vom Genießen und Scheitern eines Mikroabenteuers.

Von Freiheit und Grenzen: Einen Tag in Heidenheim barfuß unterwegs sein

Der Morgentau benetzt noch das Gras, als ich die ersten Schritte auf die Terrasse und weiter in den Garten mache. Der Boden fühlt sich kühl an, die Füße werden nass, doch dennoch tut es gut, so in den Tag zu starten. “Sollte ich öfter machen”, denke ich mir und gehe zurück in die Wohnung.

Bewusst habe ich mir einen Samstag ausgesucht für mein Mikroabenteuer. Keine Arbeit, keine Verpflichtungen. Denn da wird es leichter sein, einfach mal die Schuhe im Schrank zu lassen und den Boden unter den Füßen zu spüren. Denke ich zumindest. In Gedanken habe ich mir den Tag schon ausgemalt. Vorfreude stellt sich ein: Es ist die Aussicht auf das Gefühl von Freiheit, den Alltag hinter sich zu lassen und sich unbeschwert und leichtfüßig zu bewegen. Es ist wie ein Versprechen an sich selbst, das Leben auf eine neue und intensivere Art zu erfahren.

Tatsächlich spüre ich die Temperatur, die Textur und sogar Unebenheiten im Boden, die sonst durch Schuhe geschluckt würden. Die kalten, glatten Fliesen fühlen sich ganz anders an als der warme, weiche Holzboden oder der flauschige Teppich.

Die erste Herausforderung: barfuß auf den Markt?

Das geht so lange gut, solange ich mich im Haus oder in der Natur bewege. Doch die erste Herausforderung naht mit der ersten Unternehmung des Tages: der Marktbesuch. Für Notfälle stecken die Flip-Flops in der Tasche. Man weiß ja nie, was einem so unter die Füße kommen wird. Allein schon die Fahrt auf dem Fahrrad ist komisch. Barfuß drücken die Pedale leicht in die Fußsohlen. Doch das lässt sich aushalten.

Jetzt steigen die ersten Zweifel auf, ob der Barfußtag wirklich eine gute Idee war. Wird den anderen auffallen, dass da jemand ohne Schuhe über den Markt läuft? Doch es ist weniger schlimm als erwartet: Die meisten sind mit sich selbst, dem Obst und Gemüse beschäftigt oder in ein Gespräch mit Bekannten vertieft. Nur vereinzelt schaut jemand etwas komisch auf meine Beine und Füße. Ich gehe weiter, als ob nichts wäre. Doch dann begegnet mir eine Situation, bei der ich zu den Flip-Flops greife.

Modrig und nass: Soll ich da wirklich barfuß drüber?

Der Barfußtag dauert noch keine zwei Stunden, als ich ihn unterbreche. Vor mir auf dem Pflaster ist es nass. Irgend etwas muss hier ausgelaufen sein. Undefinierbar, um was für eine Substanz es sich hier handelt. Bilde ich mir das ein oder riecht es auch etwas modrig? Mir ekelt. Ich ziehe die Flip-Flops über, passiere wie auf Eiern diese Stelle und schaffe es, dass ich keinen Spritzer abbekomme. Ist nochmal gut gegangen. Das Mikroabenteuer kann weitergehen.

Die Flip-Flops müssen her, um über diese unbekannte Brühe zu gehen. Karin Fuchs

Die zweite Herausforderung stellt sich auf dem Nachhauseweg. Mit schweren Einkaufstaschen beladen und bergauf graben sich die Pedale schon tiefer in die Fußsohlen als vorher. Angenehm fühlt sich anders an. Daheim angekommen laufe ich erst einmal wieder durchs Gras. Was für eine Wohltat. Später komme ich auf die Idee, einen kleinen Spaziergang zum Bach in der Nähe zu machen. Mittlerweile ist es mittags, der Straßenasphalt wird wärmer, doch es fühlt sich angenehm an. Noch angenehmer ist dann das kalte Fußbad, das ich im Bach nehme. Nebenan spielen Kinder, bauen mit Stöcken einen Damm. Auch sie sind barfuß. Erinnerungen an die unbeschwerten Tage der Kindheit stellen sich ein. Genau das ist es, was ich mit diesem Mikroabenteuer erleben wollte.

Die Notlüge und das schlechte Gewissen

Doch irgendwann ruft der Alltag wieder in Form des Wochenendeinkaufs im Supermarkt. Das Fahrrad lasse ich diesmal stehen und mache mich zu Fuß auf den Weg. Der Asphalt ist warm, die Fußsohlen werden es auch, doch sie halten besser durch als gedacht. Ab und zu sticht ein Steinchen, besonders hartnäckige bleiben an der Fußsohle kleben und ich muss sie mit den Händen abstreifen. Halb so schlimm. Allerdings schaue ich mir den Boden vor mir schon sehr genau an, zu groß ist die Angst, nicht doch in eine Scherbe zu treten. Ganz so unbeschwert läuft es sich sich dann eben doch nicht auf dem Teer, wo nicht täglich die Kehrmaschine für sauberen Untergrund sorgt.

Vor dem Supermarkt wieder das komische Gefühl: Was werden die Leute denken, wenn ich da jetzt barfuß reinspaziere? Den Leuten ist es egal, aber es spricht mich eine Mitarbeiterin an und weist mich darauf hin, dass man hier eigentlich Schuhe tragen müsste. Ich überlege kurz, ob ich ihr von meinem Experiment erzähle und entscheide mich dann aber für eine Notlüge. Wegen einer Verletzung könne ich zurzeit keine Schuhe tragen. Sie nickt und wendet sich ab. Ich habe ein schlechtes Gewissen. Und von Freiheit spüre ich gerade ganz wenig.

Daheim kommt mein Mann auf die Idee, zum Motorradladen zu fahren, um dort nach einem Ausrüstungsteil zu gucken. Natürlich werden wir dorthin mit dem Motorrad fahren. Also muss ich das Mikroabenteuers noch einmal unterbrechen. Barfuß auf dem Motorrad geht nicht, das wäre zu gefährlich und ans Schalten und Bremsen mit nackten Füßen ist gar nicht zu denken. Also ziehe ich Motorradstiefel an.

Endlich dürfen die Füße unbeschwert nackt sein

Dann aber ist Schluss mit derartigen Unternehmungen. Die Füße sind schwitzig, als ich die Stiefel abstreife und ich genieße es, wieder barfuß zu sein: im Garten, in der Hängematte, beim Abendessen auf der Terrasse. Den Nachbarn ist es egal, dass ich barfuß auf einen kurzen Schwatz vorbei komme. Abends gehe ich nochmal in die Stadt auf ein Getränk in meiner Stammkneipe. Dort guckt niemand auf meine Füße, es ist heiß und auch einige andere haben die Schuhe abgestreift. Zum Glück ist es einer dieser warmen Sommertage, an denen es auch abends nicht wirklich kalt wird. Also bleiben mir auch zu später Stunde kalte Füße erspart.

Das Resümee nach dem Mikroabenteuer Barfußlaufen

Vor dem Zubettgehen schaue ich mir meine Fuße noch einmal ganz genau an. Eine dickere Hornhaut bekommt man von einem Tag ohne Schuhe also nicht. Allerdings sind meine Fußsohlen dunkelgrau dreckig. Ich nehme ein Fußbad und versuche den Schmutz wegzurubbeln. Doch ganz schaffe ich das nicht.

Mein Fazit: Ich will öfter barfuß gehen als bisher, denn trotz der kleinen Herausforderungen hat mich das Mikroabenteuer bereichert. Es mag nicht immer unbeschwert und einfach sein, aber eröffnet neue Perspektiven. Denn barfuß zu gehen ist nicht nur ein Schritt aus der Komfortzone, sondern ein Sprung in eine Welt, in der wir unsere Füße wie Kinder auf Entdeckungsreise schicken. Es lehrt aber auch, zwischen Freiheit und Grenzen zu balancieren.

Ist Barflußlaufen gesund?

Unsere Füße sind anatomisches Meisterwerk und bestehen aus je 26 Einzelknochen und über 30 Gelenken und Muskeln, die von vielen Bändern gehalten und verbunden werden. Das alles beweglich zu halten, gilt als gesund.

Als Vorteile des Barfußlaufens nennt zum Beispiel die AOK die Stärkung der Muskulatur, Verbesserte Körperhaltung, Stärkung des Immunsystems, kostenlose Reflexzonenmassage, Verminderung von Fußpilz. Allerdings rät die AOK dazu, langsam mit dem Barfußaufen zu beginnen, damit sich der Fuß an die neue Belastung gewöhnt.

Besonders vorsichtig sollten Menschen mit Arthrose oder mit Fußfehlstellungen herangehen sowie auch Menschen mit Übergewicht.

Nicht geeignet ist Barfußlaufen für Menschen mit Diabetes. Eine Begleiterscheinung sind Durchblutungs- und Nervenschäden. Dadurch können kleinere Verletzungen an den nackten Sohlen unbemerkt bleiben und schlecht verheilen.

Im nächsten Mikroabenteuer geht es um einen Tag im Wald.

Hier gibt es alle Teile der Sommerserie “Mikroabenteuer” zu lesen.