Wirtschaftskrise

Führungskräfte und indirekte Mitarbeitende: Voith will weltweit bis zu 2500 Stellen abbauen - So kommt die Nachricht in Heidenheim an

Angesichts einer anhaltenden Krise will der Maschinenbauer Voith in den kommenden zwei Jahren international bis zu 2500 Arbeitsplätze streichen. Das hat Konzernchef Dirk Hoke am Dienstag gegenüber den Mitarbeitenden mitgeteilt. Betroffen seien vorrangig Führungskräfte und Mitarbeitende außerhalb der Produktion, so Hoke gegenüber der HZ.

Der Voith-Konzern will in den kommenden zwei Jahren weltweit bis zu 2500 Stellen abbauen. Diese Nachricht hat der seit April amtierende CEO Dirk Hoke am Dienstagvormittag bei einer Betriebsversammlung in Heidenheim bekanntgegeben. Im Anschluss wurden die Mitarbeitenden in den globalen Teams in einer Online-Veranstaltung informiert. Die Betriebsversammlung fand im Congress Centrum statt und wurde per Livestream auch ins Konzerthaus übertragen. Wie sich die Pläne der Geschäftsführung konkret auf die Zahl der Mitarbeitenden am Konzernsitz in Heidenheim auswirken werden, teilte Hoke zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit, sagte aber: „Deutschland wird dieser Abbau überproportional treffen.“

Das Thema des Stellenabbaus, das via Flurfunk schon seit Wochen unterwegs ist, stand am Ende der Versammlung und wurde anschließend von Alexander Schlotz, dem Konzernbetriebsratsvorsitzenden, sowie von Tobias Bucher, dem Ersten Bevollmächtigen der IG Metall Heidenheim, kommentiert. „Das sind Nachrichten, die keiner hören will und die mit dem bevorstehenden Weihnachtsfest nichts zu tun haben“, so Alexander Schlotz. Klare Konfliktpunkte sind für ihn mögliche Betriebs- oder Standortschließungen, die die Arbeitnehmerseite unbedingt verhindern wolle. „Es darf keinen Kahlschlag geben“, so Schlotz. Man werde es auch nicht zulassen, dass die Standorte sich gegeneinander ausspielen und auseinanderdividieren lassen.

Keine Aussage zum Geschäftsergebnis

Der geplante Stellenabbau geschieht vor dem Hintergrund einer schwierigen finanziellen Lage: Im Geschäftsjahr 2023/24 musste das Unternehmen einen Verlust von 247 Millionen Euro tragen. Das Ende September abgeschlossene Jahr 2024/25 sei besser verlaufen, aber nicht so, dass man auf die gewählten Maßnahmen verzichten könne, so Voith-Chef Hoke. Genaue Zahlen werde man aber nicht nennen.

Für Heidenheim existiert ein mit Arbeitnehmervertretern und der Gewerkschaft IG Metall vereinbarter Standortsicherungspakt, der besagt, dass bis März 2028 maximal 500 Stellen abgebaut werden können, jedoch auf betriebsbedingte Kündigungen verzichtet wird. Unantastbar scheint dieser Pakt nicht zu sein. Man strebe einvernehmliche Lösungen zum Stellenabbau an, aber: „Wir können nicht alles ausschließen“, so Hoke. „Wir glauben fest daran, dass wir das im Dialog gemeinsam machen und dann auf betriebsbedingte Kündigungen und Betriebsschließungen verzichten können. Wir können es nicht garantieren, aber wir setzen alles daran, es möglich zu machen.“

Steht der Standortsicherungspakt noch?

IG-Metall-Chef Bucher hofft, dass man sich in der Konzernführung an die getroffenen Vereinbarungen hält, was bislang auch der Verhaltenskodex an der Voith-Spitze gewesen sei. Für die Beschäftigungssicherung habe es im Gegenzug auf Seite der Arbeitnehmer auch Einschnitte im Tarifvertrag gegeben. „Dies hat dem Unternehmen über mehr als fünf Jahre sehr große Ersparnisse und somit einen Wettbewerbsvorteil gebracht“, erinnert Bucher. Er erwartet, dass man zunächst alle gesetzlichen und tariflichen Mittel anwendet, um die Beschäftigung zu sichern – auch wenn es dann länger dauere, bis man den Turnaround schaffe. Nur so könne man langfristig das Wissen im Unternehmen halten.

Voith-Chef Dirk Hoke. Rudi Penk

In einem Interview mit der HZ am Montagabend versicherte Hoke, die Abbaupläne beträfen nicht die Produktion: „Es geht um Führungskräfte und indirekte Mitarbeiter, nicht um die Werksmitarbeiter.“ Als indirekte Mitarbeitende gelten zum Beispiel Beschäftigte in der Verwaltung.

Hoke geht davon aus, dass die am Dienstag verkündeten Pläne für die Voith-Belegschaft nicht überraschend kommen. Seit seinem Start als Konzernchef habe er gesagt, das Unternehmen umfassend analysieren zu wollen. Das Ergebnis ist demnach: „Wir müssen unsere Personalstruktur überprüfen, weil sich über die Jahre ein Verhältnis zwischen direkten und indirekten Mitarbeitenden entwickelt hat, das nicht mehr optimal ist“, sagte Hoke. In manchen Bereichen gebe es Vierfach-Strukturen, die parallel in den drei Divisionen Paper, Turbo und Hydro sowie im Konzernbereich aufgebaut wurden. „So, wie wir heute aufgestellt sind, können wir nicht mit homöopathischen Mitteln arbeiten“, sagt Hoke.

Andere Unternehmen haben schon verlagert

Als Kritik an seinen Vorgängern an der Unternehmensspitze wollte Hoke die Ergebnisse seiner Analysen nicht verstanden wissen. Voith beschäftige heute jedoch rund 60 Prozent seiner weltweit fast 23.000 Beschäftigten in sogenannten Hochlohnländern. Konkurrierende Unternehmen hätten bereits in der Vergangenheit deutlich mehr Arbeitsplätze in Länder mit geringeren Arbeitskosten verlagert. Das führe dazu, dass Voith in Kalkulationen oftmals um zehn bis 20 Prozent schlechter abschneide als seine Wettbewerber. „Das gelingt nur, wenn wir uns neuen Handlungsspielraum erarbeiten, und den erreichen wir mit der aktuellen Struktur so nicht“, stellt der Voith-Chef fest.

Dass die Pläne bei vielen Beschäftigten Sorgen und Ängste auslösen, kann man in der Chefetage nachvollziehen. Hoke legt Wert auf die Feststellung, dass man dem Personal nicht unterstelle, einen schlechten Job gemacht zu haben. Das Unternehmen habe aber nicht früh genug Gegenmaßnahmen eingeleitet. Man sei aktuell an einem Punkt, an dem es sich Voith nicht mehr leisten könne, Aufträge zu verlieren.

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Die Probleme bei Voith sieht man auch auf der Arbeitnehmerseite. Tobias Bucher, Erster Bevollmächtigter der IG Metall in Heidenheim, sieht das Unternehmen „teilweise in schwierigen Fahrwassern“. Die Division Paper sei stark unterausgelastet, und der Markt sei aktuell nicht positiv. Bei Voith Turbo seien die Ergebnisse aufgrund der sehr unterschiedlichen Geschäftsbereiche sehr heterogen. Voith Hydro hat laut Bucher einen historischen Auftragsbestand. Jedoch sei aufgrund von schwierigen Vertragsgestaltungen damit zu rechnen, dass Nachsteuerungen während der Projektlaufzeiten erforderlich werden. „Wasserkraft ist eine nachhaltige Energiequelle und angesichts des steigenden Energiebedarfs durch KI auch ein Zukunftsmarkt“, so Bucher.

IG-Metall-Chef Tobias Bucher hofft darauf, dass die Voith-Geschäftsführung sich an den Standortsicherungspakt hält. Markus Brandhuber

Mit dem angekündigten Stellenabbau einher gehen auch andere Maßnahmen, die laut Geschäftsführung „die langfristige Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens sichern sollen.“ Es gehe darum, Prozesse zu vereinfachen, Entscheidungswege zu verkürzen, die Marktorientierung zu stärken und gezielt in Zukunftsfelder zu investieren. Im Gespräch mit der HZ gibt sich Hoke optimistisch: „Wir haben genug Wachstumspotenzial in den Geschäftsfeldern, in denen wir sind. Wir haben ausreichend Ideen, um Innovation zu gestalten und auch neue Felder zu erschließen.“

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Die meisten Mitarbeitenden in Deutschland und Europa

Voith beschäftigt nach wie vor die meisten Menschen in Deutschland (7868). Zweitgrößte Region ist das übrige Europa (4952), dicht gefolgt von Asien (4828). Dahinter folgt Amerika (4400). Insgesamt arbeiten 22.243 Menschen beim Konzern. Die Zahlen stammen aus dem Geschäftsbericht 2023/24 und wurden zum 30. September 2024 erfasst. Während in Amerika gut 220 neue Arbeitsplätze entstanden, wurden laut dem Unternehmen in Deutschland, dem übrigen Europa und in Asien Stellen abgebaut. Für Löhne und Gehälter musste das Unternehmen 1,5 Milliarden Euro aufwenden.