Eigentlich sollte es mittlerweile bekannt sein, dass Alkohol während der Schwangerschaft Kinder fürs Leben schädigen kann. Trotzdem gibt es immer noch den Irrglauben, ein Gläschen schade ja nicht oder mit ein bisschen Sekt komme der Kreislauf der Schwangeren in Schwung. Uli Altmann, Sozialpädagogin und zertifizierte Fachkraft FASD, widerspricht dem vehement: „Es reicht auch wenig Alkohol, um das Kind zu schädigen.“ Die Heidenheimerin arbeitet für die FASD-Hilfe Baden-Württemberg und berät betroffene Eltern. FASD steht für Fetale Alkohol Spektrum Störung, eine Behinderung, die durch den mütterlichen Alkoholkonsum in der Schwangerschaft entsteht.
Zusammen mit dem kommunalen Suchtbeauftragten Peter Barth und der Kindergarten-Fachberaterin Alexandra Floruß gehört Uli Altmann zum Arbeitskreis FASD, den es seit 2017 im Landkreis Heidenheim gibt. „Unser Ziel ist es, ein Netzwerk für den Landkreis Heidenheim aufzubauen“, sagt Peter Barth. „Außerdem wollen wir umfassend über die Gefahr von Alkohol während der Schwangerschaft informieren“, ergänzt Uli Altmann.
Werbeaktion auf einem HVG-Bus
Dazu wird es im September eine Aktion geben, bei der auf der Rückseite eines HVG-Busses um Aufmerksamkeit für FASD geworben wird. Erfolg verspricht sich der Arbeitskreis auch davon, dass der Bus im Umfeld von Schulen fährt und viele junge Menschen mit dem Thema konfrontiert werden. Als Motiv sind drei schwangere Frauen zu sehen, die mit Wassergläsern anstoßen. Die Szene wurde im Brenzpark fotografiert, die drei Frauen kommen aus dem Landkreis Heidenheim – alles soll laut Peter Barth möglichst authentisch wirken. „Schwanger? Alkohol? Kein Schluck!“ ist der dazugehörige Slogan.
Alkohol ist ein starkes Zellgift, das die Entwicklung des Ungeborenen beeinflussen kann. Laut Homepage der FASD-Hilfe führt dies unter Umständen zu erheblichen körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen sowie zu Verhaltensauffälligkeiten. Es kann nicht vorhergesagt werden, welche Alkoholmenge bei welchem Kind welchen Schaden verursacht. Die Auswirkungen sind entsprechend vielfältig: „Jeder Fall ist anders“, sagt Uli Altmann aus ihrer Erfahrung.
Symptome, die in Zusammenhang mit FASD gebracht werden, sind beispielsweise eine Störung der Impulskontrolle, die verzögerte Entwicklung eines Kindes, Verhaltensstörungen oder auch Distanzlosigkeit und Aggressivität. Nur bei rund 30 Prozent der Betroffenen gibt es auch körperliche Merkmale, die auf FASD hinweisen wie ein zu kleiner Kopf, Untergewicht, geringe Körpergröße oder Veränderungen des Gesichts, beispielsweise eine schmale Lidspalte, eine fehlende Rinne zwischen Nase und Oberlippe oder tiefe und nach hinten gedrehte Ohren.
Große Schwierigkeiten im Alltag
Die Intelligenz ist bei FASD-Betroffenen oft nicht beeinträchtigt. Insbesondere dann, wenn sie auch eine gute Sprachkompetenz haben, führt das oft zu einer Überschätzung ihrer Kompetenz durch Außenstehende und dadurch zu Problemen. Denn Menschen mit einer FASD-Behinderung haben oft enorme Schwierigkeiten, ihren Alltag zu bewältigen, weil sie sich Dinge schlecht merken können, zwischen Wichtigem und Unwichtigem kaum unterscheiden und ihre Impulse nur schwer regulieren können. Auch soziale Kontakte können problematisch sein, da FASD-Betroffene die Gefühle und Bedürfnisse anderer nur schwer bis gar nicht wahrnehmen können und das eigene Bedürfnis auf andere übertragen.
Die Diagnose von FASD ist oft schwierig: „Gerne werden Sekundärdiagnosen wie ADHS oder Autismus genommen, weil FASD mit Schuld verbunden ist“, sagt Uli Altmann. Deshalb würden Pflege- oder Adoptiveltern auch öfter FASD als Ursache für das schwierige Verhalten eines Kindes in Betracht ziehen als leibliche Eltern. „Keine Mutter schädigt ihr Kind mit Absicht“, meint Peter Barth. Oft wisse man anfangs auch gar nicht, dass man schwanger sei, so der Suchtbeauftragte. Deshalb sei es aber um so wichtiger, dass Frauen auch dann bereits keinen Alkohol trinken, wenn sie versuchen schwanger zu werden.
Der Arbeitskreis FASD will weiterhin an der Aufklärung zum Thema arbeiten, um der Schädigung von Kindern in der Schwangerschaft vorzubeugen. So ist beispielsweise geplant, im kommenden Jahr eine begehbare Gebärmutter nach Heidenheim zu holen. Peter Barth hat für die Aufklärungsarbeit an Schulen eine Puppe, die einem Baby mit sichtbaren FASD-Merkmalen nachempfunden ist. Die Verantwortung soll dabei nicht allein bei den jungen Frauen liegen: „Ich möchte auch die Jungs mit ins Boot holen“, sagt Peter Barth.
Informationen und Diagnose
Wer sich weiter über FASD informieren will, kann sich auf der Homepage der FASD-Hilfe Baden-Württemberg umschauen (www.fasd-hilfe.de). Dort findet man auch Kontakt zu Uli Altmann, die bei der Diagnose von FASD bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen weiterhelfen kann (altmann@fasd-hilfe.de, Tel. 0176.215 640 21)