Weniger Flüchtlinge, weniger Ehrenamtliche

So steht es um die Freundeskreise Asyl im Landkreis Heidenheim

Seit 2015 hat sich in der Flüchtlingsarbeit viel verändert. Ein Gespräch mit den Mitgliedern des Netzwerks der Freundeskreise Asyl im Landkreis Heidenheim über alte und neue Herausforderungen.

Zehn Jahre ist es her, seit im Jahr 2015 hunderttausende Flüchtlinge aus Syrien und anderen Ländern nach Deutschland, und auch in den Landkreis Heidenheim, kamen. Inzwischen leben viele davon anderswo in Deutschland oder im Ausland, andere haben sich hier ein neues Leben aufgebaut, haben Arbeitsstellen angenommen oder Familien gegründet. In diesen zehn Jahren gab es eine Konstante in der Flüchtlingsarbeit, und zwar die Freundeskreise Asyl – Zusammenschlüsse von Ehrenamtlichen in einzelnen Gemeinden, die sich um Geflüchtete kümmern. Einige davon tauschen sich im Rahmen eines Netzwerks immer noch regelmäßig über die Erfolge und Herausforderungen in der Flüchtlingsarbeit aus. Beim Netzwerktreffen im Mai räumen sie etwas Zeit ein, um zurückzublicken.

Stets mit dabei ist Ursula Rödner-Delling, die Sprecherin des Netzwerks. Sie ist seit 2015 im Freundeskreis in Nattheim aktiv. „Die Arbeit hat sich seit damals enorm verändert“, sagt Rödner-Delling. Am Anfang sei Wert darauf gelegt worden, in den Austausch mit den Flüchtlingen zu kommen, indem man zusammen zum Beispiel eine Tasse Kaffee trinkt oder bei einem Spaziergang den Ort anschaut. „Das ist komplett weg, ersetzt durch eine Begleitung, die sehr anstrengend ist.“ Dazu gehören Behördengänge, das Ausfüllen von Dokumenten und das Erklären von Konzepten.

Dass diese zeitintensive Arbeit überhaupt noch zu leisten ist, liegt vor allem daran, dass kaum mehr neue Flüchtlinge in den Landkreis kommen. „Und die, die da sind, sind fast alle im Job“, sagt Rödner-Delling, es sei also insgesamt weniger zu tun. Auch die bei den Gemeinden, Städten oder dem Landkreis angestellten Integrationsmanager würden viel Arbeit übernehmen.

Nur wenige Ehrenamtliche sind noch dabei

Aber nicht nur die Zahl der Flüchtlinge, sondern auch die Zahl der in Freundeskreisen aktiven Helfer ist massiv gesunken: In Nattheim seien es ursprünglich 90 gewesen, nun bleibe noch ein „harter Kern“ aus vier Frauen, erzählt Rödner-Delling. In einem von der Gemeinde bereitgestellten Raum bietet man Sprechstunden an, früher häufiger als heute. Was in Nattheim immer noch wichtig bleibt, ist die Frauenarbeit: Freitags oder samstags lädt der Freundeskreis geflüchtete Frauen ein, damit diese etwas Zeit ohne Kinder und Männer verbringen können. Gemeinsam macht man auch Ausflüge, zum Beispiel zu Museen, Bibliotheken oder Kunstausstellungen.

Auch andere Freundeskreise verfügen über regelmäßig stattfindende Angebote. Christine Witzig aus Gerstetten berichtet über größere Sammlungen, die der Freundeskreis dort gestartet hat, um Flüchtlinge mit Bettwäsche, Kleidung und ähnlichem zu versorgen. Von der Gemeinde habe man dafür zunächst einen Kellerraum in der Schule bekommen, später dann das alte Postgebäude. Immer am Dienstagnachmittag ist es für alle, die etwas aus dem Lager benötigen, geöffnet. Die Nachfrage hat sich nicht geändert, dafür aber das „Klientel“, erklärt Witzig: „Es kommen jetzt weniger Araber, dafür viele Ukrainer und sogar Deutsche.“

Zusätzlich hat der Freundeskreis in Gerstetten ein Angebot unter dem Namen Lesepaten. Neben dem gemeinsamen Lesen wird in diesem Rahmen auch Nachhilfe, Hilfe bei den Hausaufgaben oder sogar Einzelunterricht angeboten, zum Beispiel zur Vorbereitung auf Prüfungen in der Ausbildung.

Einsatz auf ganz unterschiedlichen Gebieten

Königsbronn ist bei den Netzwerktreffen vertreten durch Michael Herkt. Auch er engagiert sich seit 2015, mit dem Schwerpunkt Sprachunterricht. „Aber das geht sich aus, weil die jüngere Generation die Sprache kann oder Übersetzungsapps nutzt“, sagt Herkt. Ohnehin habe sich niemand im Freundeskreis nur auf eine Aufgabe fokussieren können; Herkt fuhr zeitweise einen Transporter, hat Kontakte zu Firmen und Handwerksbetrieben vermittelt, bei der Wohnungssuche oder beim Asylverfahren geholfen und Nachhilfe gegeben.

Auch in Heidenheim habe man zu Anfang alle Felder abgedeckt, berichtet Werner Oßwald vom dortigen Freundeskreis. Mit 100 Leuten habe man angefangen, später hätten sich viele zurückgezogen, aus zeitlichen Gründen oder aus Mangel an Motivation. Ein großes Problem sei auch die Corona-Pandemie gewesen: „Wir hatten keine Räume mehr, keinen Kontakt, keine Möglichkeit zur Kommunikation.“

Der Heidenheimer Freundeskreis existiere inzwischen fast nur noch auf dem Papier, die verbleibenden Mitglieder seien fast alle im Ruhestands-Alter und voll ausgelastet. Jüngere Helfer habe man gesucht, aber nicht gefunden. Trotzdem bringt sich Oßwald weiterhin ein, vor allem mit seiner rechtlichen Expertise. Er begleitet Flüchtlinge, zum Beispiel bei der Stellung eines Asylantrags oder auch vor Gericht. Eine wichtige Mittlerrolle, wie er findet: „Man muss Geduld haben, zuhören, manches auch fünfmal sagen – Behörden machen das nicht.“

Erfahrung aus mehr als 40 Jahren

Länger als alle anderen Teilnehmer an den Netzwerktreffen kümmert sich Gisela Moukam um Flüchtlinge. Seit 1982 betreibt sie eine Anlaufstelle für Informationen und Hilfe unter dem Namen „Refugees Support“. 2015 arbeitete sie mit 18 Ehrenamtlichen zusammen, jetzt sind es nur noch zwei. Zwischen 9 und 17 Uhr dürfen Flüchtlinge das Büro in Moukams Haus in Heidenheim aufsuchen. „Manche Sachen können gleich erledigt werden, andere, zum Beispiel Anträge, brauchen mehrere Sitzungen“, sagt Moukam.

Auch sie geht bei Bedarf mit zum Jugendamt, Standesamt oder aufs Amtsgericht. Früher hat sie zudem Workshops gegeben, die auf verschiedene Lebenssituationen vorbereiten sollen, zum Beispiel Heirat, Arbeitsvertrag oder Mietverhältnis. In Zukunft will sie ein System aufbauen, dass es Flüchtlingen erlaubt, selbst in der Flüchtlingshilfe mitzuarbeiten. Schon jetzt seien zwei Togolesen und zwei Nigerianer an Projekten beteiligt.

Immer wieder neue Hürden

Alle beim Netzwerktreffen Anwesenden sind sich einig, dass ihre Arbeit immer noch wichtig ist, auch wenn nun kaum noch Flüchtlinge hinzukommen. Stattdessen gibt es immer wieder neue Hürden, die überwunden werden müssen: Moukam berichtet zum Beispiel von den Problemen, vor denen die neuen E-Services der Agentur für Arbeit Flüchtlinge und Ehrenamtliche stellen. Das Stellen von Anträgen würde so um ein Vielfaches komplexer, und es werde auch ein NFC-fähiges Smartphone benötigt, was nicht jeder habe.

Oßwald fügt hinzu, dass die Arbeit auch dadurch erschwert wird, dass die Gesellschaft sich nicht entscheiden könne, was sie von den Flüchtlingen wolle, zum Beispiel zu welchem Grad sie sich kulturell assimilieren sollen. In der Arbeit mit Geflüchteten gebe es „so viele Projekte, die gefördert werden, aber die meisten haben keine Breiten- und Tiefenwirkung.“ Die großen Dinge können Ehrenamtliche allein nicht lösen, sagt Oßwald. „Aber wenn man im Kleinen etwas ausrichten kann, lohnt sich das.“

Die Situation der ukrainischen Flüchtlinge

Mit Geflüchteten aus der Ukraine haben die Freundeskreise im Landkreis Heidenheim weniger oft zu tun als mit Menschen aus anderen Ländern. Das liegt, wie Christine Witzig erklärt, zum Teil daran, dass Menschen, die aus der Ukraine geflohen sind, von Anfang an andere Möglichkeiten hatten als andere Flüchtlinge. So durften sie direkt arbeiten und sich relativ frei bewegen, zudem waren einige auch mit dem Auto nach Deutschland gekommen oder konnten weiterhin auf ihr Geld zugreifen. Gisela Moukam gibt an, gar nicht mit Ukrainern zu arbeiten, denn die hätten in Heidenheim mit „Heidenheim für Ukraine“ ja einen eigenen Verein, der sich um sie kümmere.

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