Captagon-Herstellung

So schilderten BKA-Beamte die Festnahme der beiden Angeklagten Männer im Drogenprozess in Ellwangen

Im Prozess am Ellwanger Landgericht um das in Regensburg entdeckte Drogenlabor für Captagon-Tabletten, bei dem auch ein Heidenheimer angeklagt ist, wurden am Donnerstag Zeugen des Bundeskriminalamtes gehört. Die beiden angeklagten Männer wurden in flagranti bei der Herstellung erwischt.

Es ist kein alltäglicher Fall. Laut der Staatsanwaltschaft Ellwangen und dem Bundeskriminalamt (BKA) ist das, was im Juli vergangenen Jahres in einer Autowerkstatt in Regensburg entdeckt wurde, das größte bekannte Drogenlabor für Captagon in ganz Deutschland.

Wobei das Wort Drogenlabor in diesem Zusammenhang etwas irreführend ist. Ein Labor verknüpft man mit Reagenzgläsern, Mikroskopen und Hygiene. Was auf den Tatortfotos des BKA, die bei der Gerichtsverhandlung am Donnerstag gezeigt wurden, zu sehen war, erinnerte mehr an eine Rumpelkammer als ein Labor. „Viel Müll“, kommentierte auch ein BKA-Beamter mehrfach das auf den Fotos Festgehaltene. Müll, gemeint war Gerümpel, neben Kunststoffwannen mit vorgemischtem Pulver, neben Paketen und Säcken – ebenfalls befüllt mit Pulvermischungen und fertigen Tabletten. Und hygienisch ging es bei der Produktion auch eher nicht zu. „Überall war weißer und gelblicher Staub von den verschiedenen Pulvern“, erläuterte ein Kriminalbeamter des BKA. Auf dem Boden, auf den Maschinen und auch auf den beiden Männern, die dort vorgefunden wurden, den beiden Angeklagten.

Zwei Millionen Tabletten für Saudi-Arabien

Auf die Schliche war das BKA den beiden durch einen Verbindungsbeamten in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad gekommen, der den Ermittlern mitgeteilt hatte, ein syrischer Staatsbürger produziere in Deutschland Captagon-Tabletten, von denen zwei Millionen nach Saudi-Arabien gebracht werden sollten. Über Telefondaten wurde zunächst der 52-jährige Heidenheimer mit syrischer Staatsangehörigkeit identifiziert und abgehört. Außerdem der Werkstattinhaber und Vater des 31-jährigen Angeklagten. Der Vater ist womöglich der Haupttäter, wurde bislang allerdings nicht von der Polizei gefasst und befindet sich auf der Flucht.

In der Nacht des Zugriffs vom 3. auf den 4. Juli 2023 waren nur die beiden Angeklagten in der Werkstatt zugegen und zugange. Die Türen waren verschlossen, also verschafften sich die BKA-Beamten zunächst über ein Fenster Zugang. Als sie in den hinteren Bereich der Werkstatt, wo die Captagon-Tabletten hergestellt wurden, vordrangen, erwischten sie die beiden Angeklagten quasi in flagranti bei der Arbeit. Die sogenannte Tablettier-Maschine – ein „älteres Modell chinesischer Herkunft“ für die Herstellung der Tabletten – lief zwar nicht, dafür aber ein Rührgerät und mehrere Heizradiatoren. Letztere sind nötig, um das Pulver zu trocken, denn – wie ein Mann vom BKA erläuterte – die Amphetaminbase sei flüssig. Um ein Pulver daraus herzustellen, müsse ein Kristallisationsprozess in Gang gesetzt und Aceton oder Schwefelsäure zugesetzt werden. Das zunächst feuchte Pulver müsse getrocknet werden, um es in der Tablettier-Maschine dann pressen zu können.

31-Jähriger versuchte vor dem BKA zu flüchten

Der 52-jährige Heidenheimer sei, so einer der Beamten, gerade aus dem Bad gekommen und wollte sich, als er die Einsatzkräfte bemerkte, in Richtung Hintertür begeben, wurde allerdings festgehalten und festgenommen. Der 31-Jährige schaffte es, aus einem Fenster zu klettern, wurde dann aber auf dem Gelände der Werkstatt zwischen dort abgestellten Autos auf- und festgehalten. Angeklagt sind die beiden Männer wegen gemeinschaftlichen unerlaubten Handeltreibens in nicht geringer Menge. Und nicht gering ist im Zusammenhang mit diesem Fall nicht nur geringfügig untertrieben.

Gefunden und beschlagnahmt wurden in der Nacht vom 3. auf den 4. Juli 2023 rund 300 Kilogramm Amphetamin zur Herstellung der Captagon-Tabletten sowie Streckmittel wie Magnesium. Als in der derselben Nacht die Wohnungen der Beteiligten durchsucht wurden, fand man dort weiteres Amphetamin und 2,5 Tonnen Streckmittel. Mit den gefundenen Chemikalien hätten sich laut BKA rund drei Tonnen Amphetamin-Gemisch herstellen lassen. Millionen Tabletten für Millionen Euro.

Telefonische Abhörprotokolle und Chatverläufe zwischen den Beteiligten legen nahe, dass verschiedene verwendete Substanzen für die Tablettenproduktion in den Niederlanden eingekauft worden waren. Ihren Weg nach Saudi-Arabien sollten sie wohl im Flugzeug über Wien und Saale-finden. Das legen jedenfalls gefundene Frachtpapiere nahe. In der Werkstatt und auf dem Gelände wurden mehrere gelbe, zwei Meter große Hydraulikzylinder gefunden. Ihr Innenleben war entfernt und ein künstlicher Hohlraum geschaffen worden. Darin, so die Vermutung, sollten die Tabletten für den Transport versteckt werden. Der Prozess wird in Ellwangen fortgesetzt. Mit einem Urteil ist am Montag, 18. März, zu rechnen.

Die Droge Captagon

Die Droge Captagon spielt in Deutschland kaum eine Rolle, so ein Ermittler des BKA in der Gerichtsverhandlung. Anders als im arabischen Raum. „Kämpfer der Hamas und des Islamischen Staats werden damit ausgestattet, um lange wach bleiben zu können.“ Aber es auch eine Partydroge. Bis zu 20 Euro koste umgerechnet eine Tablette Captagon. Die Droge macht schnell süchtig und kann Depressionen, Halluzinationen und Angstzustände auslösen.

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