Lesung in der Stadtbibliothek Heidenheim

Welcher Betrug die Autorin Vea Kaiser zu ihrem Roman „Fabula Rasa“ inspirierte

Autorin Vea Kaiser las in der Heidenheimer Stadtbibliothek aus ihrem Buch „Fabula Rasa“ und sinnierte über die Frage, ob Männer die besseren Verbrecher sind.

Das hätte man sich ja eigentlich denken können: Dass jemand, der Romane mit Verve, Charme, Humor und anspruchsvoller Leichtigkeit verfasst, auch genauso plaudert. Eben dies hat Autorin Vea Kaiser am Montagabend in der Stadtbibliothek bewiesen, als sie ihren gerade eben erschienenen Roman „Fabula Rasa oder Die Königin des Grand Hotels“ vorstellte.

Charmant, humorvoll und mit einer schier nicht enden wollenden Lust an der Plauderei nahm die Wienerin ihre Zuhörer mit auf einen Ausflug in ihre Heimatstadt. Zwischen Gemeindebau und Grand Hotel, Traumprinz und Traumtänzer, Lust und Lüstern, Sex und Servietten steckt Vea Kaisers Heldin Angelika Moser, Buchhalterin aus Passion, mit besonderen Fertigkeiten im Bereich akkurater Buchung, in die eigene Tasche.

Immer neues Kopfkino

Einmal mehr besticht Vea Kaiser in ihrem neuesten Roman mit dem, was schon bei dessen Vorgängern „Blasmusikpop“ und „Rückwärtswalzer“ für unbändiges Lesevergnügen sorgt: Figuren aus dem prallen Leben, von denen man gar nicht genug bekommen kann, agierend in detailliert geschilderten Schauplätzen, die immer wieder neues Kopfkino entstehen lassen. Und das alles verwoben in immer neue, durchaus auch kühne Einfälle, die dem Leser völlig unerwartete Wendungen bescheren.

Die Idee zum Plot selbst hat Vea Kaiser der Realität entnommen: Zufällig las sie vom millionenschweren Betrug einer Buchhalterin im Sacher-Hotel, und da war sie geboren, ihre Heldin Angelika Moser in ihrem Aufstieg und Fall. Die Seitenstränge, die mit der schillernden Schummelei einhergehen, von Opernball bis Donaufischen, und die Personen von Hochadel bis Hallodri, die entstammen freilich der Fantasie der Autorin. Und was für eine außergewöhnliche Fantasie das ist, das wurde in dieser Lesung, in der Vea Kaiser praktisch über eine Stunde lang durchplauderte, mehr als offensichtlich.

Benko und die kleinen Fische

Freilich stößt auch eine Fantasie von den Ausmaßen derer Vea Kaisers an ihre Grenzen, wie sie frank und frei gestand. Wann ist es genug, fragte sich die Autorin selbst in Bezug auf den Betrug, der scheinbar so leicht gelingt. Und: Kann man ihn genießen? Fragen, die sie auch gerne einmal René Benko stellen würde, für den ja der Hotel-Betrug gerade mal ein winzig kleiner Fisch wäre.

„Ein unerlaubtes Rindvieh“ – damit ist jetzt nicht René Benko gemeint – hätte beinahe dafür gesorgt, dass Vea Kaiser nicht pünktlich oder womöglich gar nicht zur Lesung gekommen wäre. Denn auf der Zugfahrt nach Heidenheim hatte Vea Kaiser das Vergnügen einer bisher noch nie gehörten Bahndurchsage: „Ein unerlaubtes Rindvieh auf den Gleisen verhindert die Weiterfahrt“.

Einsichtiges Rindvieh

Glücklicherweise war das Rindvieh einsichtig genug, die Schienen rechtzeitig wieder freizugeben. Sonst wäre den Zuhörern ganz schön was entgangen. Nicht nur der Einblick in den süffig-süffisanten Schelmenroman – auch so ein Wort neben „Kavaliersdelikt“, für das es keine weibliche Form gibt –, sondern auch die Einsprengsel, mit denen Vea Kaiser freigiebig aus ihrem eigenen Leben erzählte. Etwa von zwei angefangenen Romanen, die von der Wirklichkeit eingeholt wurden: Corona und Ukraine-Krieg. Oder auch aus ihrem eigenen Leben in Hotels während Lesereisen, von der Frankfurter Buchmesse mit Österreich-Empfang, der nach Jahren des an Köstlichkeiten in Hülle und Fülle beinhalteten Buffets mit Kartoffelsuppe aufwartete. Und die Frage, ob Männer vielleicht die besseren Verbrecher sind.

Von der Fremdenführerin zum Jung-Star

Vea Kaiser, 1988 in St. Pölten geboren, studierte zunächst klassische und deutsche Philologie und arbeitete als Übersetzerin und Fremdenführerin. 2012 erschien ihr Roman-Debüt „Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam“, das sie zum Jung-Star der österreichischen Literatur machte. 2023 wurde die von ihr geschaffene Bühnenfassung dieses Romans uraufgeführt.