Bundestagsabgeordneter zieht Bilanz

Roderich Kiesewetter spricht über US-Friedensplan, Renten-Enthaltung und Hilfe für Ostalb-Wirtschaft

Ob in der Weltpolitik oder bei der Rentenreform: Der CDU-Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter ging im vorigen Jahr oft seinen eigenen Weg. Im Jahresgespräch zieht er Bilanz über die Regierung Merz, warnt vor einer „Kapitulation“ in der Ukraine und erklärt, warum er für die regionale Industrie auf der Ostalb jetzt Lichtblicke sieht.

Dass Roderich Kiesewetter kein Freund von Fraktionszwang ist, wenn es um Grundsätze geht, bewies er im vergangenen Jahr gleich zweifach. „Ich bin meinem Gewissen verpflichtet“, sagt er im Gespräch mit unserer Redaktion mit Blick auf zwei weitreichende Entscheidungen.

Zuerst war da der Januar im Vorfeld der Bundestagswahl: Kiesewetter blieb einer namentlichen Abstimmung zur Migrationspolitik fern. Der Grund war nicht die Sache selbst, sondern der politische Kontext. Die Union suchte eine Mehrheit mit den Stimmen der AfD – und das ausgerechnet am Rande des Holocaust-Gedenktages. Er kritisiert, dass seine Partei in eine „AfD-Falle“ getappt sei, anstatt sich auf das Kernthema zu konzentrieren. „Migration ist nicht unser Hauptproblem, es ist die Integration.“

Er fordert eine Rückbesinnung auf christlich-soziale Wurzeln und schlägt einen „Gesellschaftsdienst“ vor, wie ihn der Bundespräsident schon lange fordere, um mithilfe junger Menschen unter anderem die Sprachförderung in Schulen und Kitas massiv zu stärken. „Wir können es uns nicht leisten, dass 22 Prozent der Kinder als strukturelle Analphabeten die Schulen verlassen“, sagt er.

Wir sollten die Ergebnisse der Rentenkommission abwarten, statt auf Kosten der nachfolgenden Generation Fakten zu schaffen.

Roderich Kiesewetter, CDU-Bundestagsabgeordneter

Ein ähnliches Bild bei einer Abstimmung im Dezember: Bei der Verabschiedung des Rentenpakets enthielt sich der Abgeordnete der Stimme. Seine Kritik richtet sich gegen ein Parlamentsverständnis, das Abgeordneten keine inhaltlichen Änderungen an Gesetzentwürfen mehr erlaubt. „Das ist ein unreifer Prozess. Wir sollten die Ergebnisse der Rentenkommission abwarten, statt auf Kosten der nachfolgenden Generation Fakten zu schaffen“, so Kiesewetter. Diese Unabhängigkeit habe ihm in Berlin nicht geschadet, sondern „einen Grundrespekt und eine neue Wirksamkeit“ verschafft, sagt Kiesewetter. Er betont seine 45-jährige Treue zur CDU, fordert aber eine breitere Ausrichtung seiner Partei. Die Union müsse mehr sein als „nur konservativ“. Für ihn bleibe Politik eine Frage der Menschlichkeit und des gesellschaftlichen Zusammenhalts.

Kiesewetters Strategie im Ukraine-Krieg: die Ostsee-Blockade

Sicherheitspolitik bleibt Kiesewetters Kernthema. Für Februar 2026 kündigt er ein neues Buch an, in dem er die Jahre 2026 und 2027 als „entscheidend zur Kriegsvermeidung“ definiert. Denn danach sei Deutschland gewappnet. Einer seine Vorschläge, die er im Buch beschreibt: Ein ökologischer Hebel gegen Putins Kriegskasse.

Er schlägt vor, die russische „Schattenflotte“ in der Ostsee über Umweltstandards zu stoppen. Schiffe, die nicht doppelwandig oder ausreichend versichert sind, müssten dann umkehren. „Das ist eine reine Umweltschutzmaßnahme, kein militärischer Akt“, so Kiesewetter. Damit ließe sich Putins Finanzfluss empfindlich stören, ohne in den direkten Konflikt mit globalen Ölpreisinteressen der USA zu geraten. Die Einhaltung dieser Umweltstandards hätte auch Russland unterschrieben.

Redaktionsbesuch Roderich Kiesewetter. Natascha Schröm

Dem aktuell diskutierten Friedensplan misst Kiesewetter wenig Erfolg bei. Es sei ein „Diktatfrieden“, ein Ende des Kriegs sei damit nicht verbunden, da Präsident Wladimir Putin nie von seinen weitergehenden Zielen abgerückt sei – darunter der Anspruch auf die Ukraine und weitere frühere Sowjetrepubliken sowie ein Rückzug der USA aus Europa. „Damit würde Aggression belohnt“, warnt Kiesewetter. Der Plan sehe vor, dass die Ukraine selbst dort Gebiete abtreten müsse, wo sie militärisch standhält. Die Ukraine drohe zu einer dauerhaften Pufferzone ohne EU- oder NATO-Perspektive zu werden, was faktisch einer Kapitulation gleichkomme. Zugleich warnt er vor massiven Fluchtbewegungen, auch in Richtung Deutschland, sollte die Ukraine zu diesem Schritt gezwungen werden.

Impulse für die regionale Ostalb-Wirtschaft

Trotz seiner Kritik an Details der Regierungsarbeit unter Kanzler Friedrich Merz sieht Kiesewetter weitgehend positive Impulse, vor allem auch für die deutsche Wirtschaft. Allerdings weiß er um die angespannte Lage bei regionalen Schwergewichten wie Voith, Bosch oder Varta. Dass bei Bosch in Schwäbisch Gmünd mehr als 3000 Stellen wegfallen, während diese in Ungarn neu aufgebaut würden, ist für ihn ein Warnsignal: „Die EU darf kein Arbeitsverlagerungssystem sein, bei dem Jobs dorthin wandern, wo die Sozialkosten am geringsten sind.“ Kiesewetter kritisiert eine Fehlentwicklung der letzten zwei Jahrzehnte. Unternehmen stünden nun unter Druck: hohe Energiekosten, steigende Arbeitskosten und eine bürokratische Last, die Investitionen lähme.

Um diesen Trend zu brechen, setzt Kiesewetter auf drei konkrete Maßnahmen der neuen Regierung, die bei den Unternehmen im Wahlkreis greifen sollen. Die Aktivrente: Ein Modell, das es Rentnern ermöglicht, steuerfrei weiterzuarbeiten, um den Fachkräftemangel zu lindern. Der Bauturbo: Wenn Kommunen auf Bauanträge von Firmen nicht innerhalb von drei Monaten antworten, gelten diese künftig als genehmigt. Investitionshilfen: Unternehmen können Investitionen in den kommenden drei Jahren zu 90 Prozent abschreiben.

Infrastruktur: Die Brenzbahn nimmt Fahrt auf

Ein Erfolgserlebnis für den Wahlkreis ist für Kiesewetter die gesicherte Finanzierung der Brenzbahn mit rund 600 Millionen Euro. Kiesewetter lobt hier Landrat Peter Polta als treibende Kraft. Die Strecke soll als wichtige Ausweichroute für den Fernverkehr Ulm-München dienen, wenn diese Hauptlinie saniert werde. „Geld ist jetzt da, die Planer sind am Start“, so Kiesewetter. Nach der gesicherten Finanzierung der Planung sei auch die Finanzierung des Baus innerhalb der nächsten zehn Jahre realistisch.

Roderich Kiesewetter verfolgt die ersten Hochrechnungen am Wahlabend im CDU-Büro in Heidenheim.

Roderich Kiesewetter reist mit drittbestem CDU-Ergebnis im Land nach Berlin

Der Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter zieht mit dem drittbesten CDU-Erststimmenergebnis in Baden-Württemberg erneut in den Bundestag ein. Er bewirbt sich wieder als Fachmann für Außen- und Sicherheitspolitik.
more
Heidenheim
Bundestagswahl 2025

Termine: Buchveröffentlichung und Königsbronner Gespräche

Voraussichtlich am 26. Februar wird das Buch von Roderich Kiesewetter erscheinen: „Was wollen wir? Was können wir – Deutschlands Rolle in der globalen Machtverschiebung“. Darin fordert Kieswetter eine grundlegende Neuausrichtung unserer Sicherheitspolitik und zeigt auf, welche Reformen aus seiner Sicht notwendig sind, um handlungsfähig zu bleiben und nicht fremden Mächten unsere Zukunft zu überlassen.

Am 25. April finden die Königsbronner Gespräche statt unter dem Titel: „Die Welt im Wandel: Wie machen wir uns resilient für Zeiten des Aufruhrs?“ Hauptredner ist der Militärhistoriker Sönke Neitzel, Professor an der Universität Potsdam. Unter den Gästen ist weiterhin Kai Sauer, der Botschafter von Finnland in Deutschland sowie Hartmann-Chefin Britta Fünfstück.