Naturtheater Heidenheim

Premiere von „Die drei Musketiere“: Temporeiches Stück mit Action – und Längen

„Die drei Musketiere“ feierte Premiere im Naturtheater Heidenheim. Das Stück überzeugt mit hohem Tempo und viel Action – und bleibt bisweilen doch unfokussiert.

In einer Zeit, in der Frankreich und England ihre Differenzen primär auf Fußballfeldern und Eurovision-Song-Contest-Bühnen austragen, fällt es mitunter schwer zu glauben, dass diese beiden Nationen in vergangenen Epochen oftmals bittere Rivalen gewesen sind. Statt Elfer und „douze points“ verteilte man untereinander Kriegserklärungen – oder war wenigstens kurz davor. Einen solchen Zeitpunkt in der Historie visiert Alexandre Dumas in seinem Abenteuerroman „Die drei Musketiere“ an. Man nehme einen Teil anschwellende Feindseligkeiten, füge zwei Esslöffel niederträchtigen Verrat hinzu und garniere das Ganze mit einer Prise unerschütterlicher Loyalität. Fertig ist das Rezept für die „Musketiere“. Bei diesen Grundzutaten ist es nur logisch, dass das Naturtheater Heidenheim jenen Stoff in sein Menü aufnimmt. Am Freitag feierte das diesjährige Erwachsenenstück Premiere.

Handlung in Hochgeschwindigkeit

Die Fassung für die Freilichtbühne stammt – eigens für das Naturtheater verfasst – aus der Feder von Sarah Krenz. Deren Textbuch ist durchaus ein ambitioniertes. In rund zweieinhalb Stunden wickelt das Stück die Abenteuer von d’Artagnan (Mattis Fleck), Athos (Stefan Ziegengeist), Porthos (Constantin Ciobanu) und Aramis (Jonas Hirschberger) in Hochgeschwindigkeit ab. Eben noch wird der junge Gascogner von dem Musketier-Trio zum Duell herausgefordert, da schließt sich das Quartett schon zusammen, um die mörderischen Intrigen des Kardinal Richelieu (Günther Herzog) zu vereiteln. Von der Gascogne geht es nach Paris, nach England, zurück nach Frankreich, hin und her.

Um diesen sich selbst auferlegten Handlungsumfang abdecken zu können, muss „Die drei Musketiere“ ein hohes Tempo durchhalten. Über weite Strecken gelingt das dem Stück auch. Langeweile kommt bei den teils stakkatoartigen Szenensprüngen nie auf. Mit Action hält die von Karsten Tanzmann inszenierte Mantel-und-Degen-Geschichte ebenfalls nicht zurück. Hier wird geprügelt, geballert und sich duelliert, bis die Klingen glühen.

Schattenspiel: Die Henkerin vollstreckt das Urteil gegen Mylady de Winter. Foto: Natascha Schröm

Seine stärksten Momente erreicht das Stück allerdings in jenen Szenen, in denen es zur Ruhe kommt und Zeit zum Durchatmen lässt. Eine große Schlacht wird etwa nur durch Soundeffekte von Explosionen und das kurze Auf- beziehungsweise Anleuchten der Bäume im Hintergrund der Bühne angedeutet. Großartig funktioniert zudem Mylady de Winters (Dina Tanzmann) letzter Gang zum Schafott. In absoluter Stille, begleitet von einer Henkerin, schreitet die Spionin hinter eine transparente Wand und legt ihr Haupt auf den Richtblock. Ihr Kopf rollt als Schattenspiel. Stark.

Andere Stellen wirken hingegen unfokussiert. Ein Gespräch zwischen d’Artagnan und Musketier-Hauptmann Tréville (Manuel Meiswinkel) findet am äußersten linken Rand der Freilichtbühne statt. Bis das Publikum begreift, wer hier spricht, und vor allem, wo gesprochen wird, vergehen einige Momente, insbesondere, da sich das Volk währenddessen noch in der Mitte der Bühne tummelt.

17-jähriger Hauptdarsteller überzeugt auf ganzer Linie

Die Entscheidung, den Bereich rechter Hand der Freilichtbühne nahezu dauerhaft zu bespielen, will nicht immer gelingen. Je nach Schauplatz wird dort ein anderes Wirtshaus samt Personal gezeigt, worauf stetig wechselnde Schilder auch hinweisen. Wenn sich die eigentliche Szene allerdings in einem anderen Bereich der Bühne abspielt, sorgt dieser Umstand bisweilen für Irritation. Wo der Blick der Zuschauerinnen und Zuschauer hinsoll – es ist nicht immer gleich klar.

Klar ist hingegen, dass das Ensemble sichtlich Spaß an dem Stück hat. Insbesondere der erst 17-jährige Mattis Fleck zeigt als d’Artagnan in seiner ersten Premiere überhaupt, dass er allemal das Zeug zur Hauptrolle hat und sich auch gegenüber gestandenen Naturtheater-Darstellerinnen und -Darstellern beweisen kann.

Constance Bonacieux (Pauline von Fürich) vermittelt zwischen d'Artagnan (Mattis Fleck, links) und dem Herzog von Buckingham (Sebastian Hirschberger). Foto: Natascha Schröm

Überhaupt traut Karsten Tanzmann vielen jungen Ensemble-Mitgliedern viel zu. Ein Schritt, der stets belohnt wird, sei es in Form von Pauline von Fürich als Constance Bonacieux oder durch Stefan Ziegengeist, Constantin Ciobanu und Jonas Hirschberger, die respektive als Athos, Porthos und Aramis wahrlich den Wahlspruch der drei Musketiere zum Leben erwecken. Einer für alle, alle für einen.

Als einer, der diese Einheit brechen will, gibt Günther Herzog einen Richelieu, der seine Rolle als Intrigant so gut spielt, dass man fast schon überrascht ist, wenn das Böse im Kardinal dann doch aufblitzt. Lob verdient auch die Darstellung von Mylady de Winter, welche durch Dina Tanzmann wunderbar perfide bis hin zu psychotisch verkörpert wird, ohne dabei je ins Überzogene abzurutschen.

Gastspiel von Urgestein Dieter Junginger

Ein herzerwärmendes, wenn auch sehr kurzes Gastspiel gibt darüber hinaus Dieter Junginger zum Besten. Er kehrte dem Verein in den 70er-Jahren nach Diskrepanzen mit dem damaligen Vorstand den Rücken. Nach einem Auftritt bei „Wilhelm – Tell Me Your Story“ im vergangenen Herbst ist Jungingers Stimme hier einmal mehr im Naturtheater zu hören, wo er als d’Artagnans Vater aus dem Off „Die drei Musketiere“ eröffnet.

Ein erfreulicher Aspekt dieser Inszenierung ist zudem, dass vermehrt Frauen-Rollen in Action-Szenen auftreten. Die Bedienungen eines der Gasthäuser beteiligen sich eifrig am Fechtkampf gegen Rochefort (Carsten Fleck) und seine Schergen, ein rein weiblicher Entführungstrupp stellt sich – und überrumpelt – Athos, und eine Henkerin schwingt am Ende das Beil, das Mylady einen Kopf kürzer macht.

Die Bösen: (von links) Rochefort (Carsten Fleck), Kardinal Richelieu (Günther Herzog) und Mylady de Winter (Dina Tanzmann). Foto: Natascha Schröm

In Sachen Ausstattung lässt sich nichts bemäkeln. Kostüme und Bühnenbild sind der Musketier-Geschichte gegenüber völlig angemessen. Echte Pferde, die eine echte Kutsche ziehen, und auf der ebenso wie auf einem weiteren Gaul ganz echt geritten wird, runden die Inszenierung ansprechend ab.

Was bleibt also am Ende von diesen „Drei Musketieren“? Ein Stück, das sich viel vornimmt. Ein Stück, dem ein weniger opulenter Umfang bisweilen gutgetan hätte. Aber auch ein Stück, dass es vermag, sein Publikum mit hohem Tempo und Musketier-würdigen Action-Szenen bei Laune zu halten.

Immer freitags und samstags

Weitere Vorstellungen der „Drei Musketiere“ im Naturtheater gibt es immer bis einschließlich 23. August immer freitags und samstags ab 20.30 Uhr zu sehen. Karten gibt es unter anderem im Pressehaus in Heidenheim sowie unter hz-ticketshop.de.

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