Arbeitsvermittlung im Fokus

Neuer Heidenheimer Jobcenter-Chef Markus Ebersbach bezieht Stellung zu Bürgergeld-Plänen und Sanktionen

Markus Ebersbach ist seit 100 Tagen neuer Chef des Jobcenters Heidenheim. In einer ersten Bilanz spricht er über den Umgang mit Totalverweigerern, Sanktionen, die Herausforderungen bei der Vermittlung in Arbeit – und welche Antworten die neue Bundesregierung jetzt liefern müsste.

Seit gut 100 Tagen leitet Markus Ebersbach das Jobcenter Heidenheim – eine Einrichtung, die er seit Langem kennt. Bereits seit 2008 ist er dort tätig, zunächst als Integrationsfachkraft, später als Teamleiter im Bereich Markt und Integration. Nach einem halben Jahr als Bereichsleiter bei der Agentur für Arbeit in Aalen ist er nun zurück an alter Wirkungsstätte. „Es war sehr schön, wieder offen empfangen zu werden“, sagt Ebersbach. Gleichzeitig spüre er, dass die Erwartungen an ihn hoch seien – auch, weil er als vertrautes Gesicht für neue Strukturen und eine verlässliche Arbeitsweise stehe. Auf bevorstehende Änderungen, die sowohl Mitarbeitende als auch Leistungsbeziehende betreffen könnten, habe er allerdings wenig Einfluss. Vieles werde durch politische Vorgaben bestimmt, an denen die neue Bundesregierung drehen will – bislang jedoch nur in der Ankündigung.

Hohe Belastung am Jobcenter Heidenheim durch politische Krisenjahre

Die vergangenen Jahre seien für das Team äußerst fordernd gewesen: Einführung des Bürgergelds, Energiekrise, Ukrainekrieg, Coronapandemie – all das habe zu spürbaren Belastungen geführt. „Jetzt gilt es, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass wir gute Arbeitsbedingungen schaffen“, sagt Ebersbach.

Im Fokus steht für viele Leistungsbeziehende die Bearbeitung von Anträgen, die in der Regel ein bis zwei Wochen dauere – vorausgesetzt, alle notwendigen Unterlagen würden eingereicht. Vor allem bei Weiterbewilligungsanträgen alle sechs oder zwölf Monate sei der Aufwand hoch. „Wichtig ist uns, dass wir Leistungen ohne Lücke auszahlen – insbesondere bei der Weiterbewilligung. Aber letztendlich sind wir auf die Kunden angewiesen“, betont Ebersbach. Fehlen Unterlagen, könne sich ein Antrag über Monate hinziehen – in Einzelfällen bleibe er drei Monate oder länger unbearbeitet, ohne dass das Jobcenter dafür verantwortlich sei.

Neuregelungen für Geflüchtete aus der Ukraine lassen auf sich warten

Eine Herausforderung sieht Ebersbach in den angekündigten rechtlichen Veränderungen. „Es gibt einen Koalitionsvertrag, der einiges vorsieht, aber die Details fehlen.“ Klar sei jedoch: Der Fachkräftemangel stelle weiterhin eine zentrale Herausforderung dar. Ziel bleibe daher, arbeitslose Menschen in Beschäftigung zu bringen und sie dahin zu begleiten.

Etwas konkreter wird es bei der Einstufung ukrainischer Geflüchteter. Die Bundesregierung hat geplant, ihnen seit dem 1. April 2025 statt Bürgergeld wieder Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu gewähren. „Das ist bisher nicht gesetzlich geregelt“, erklärt Ebersbach. „Uns fehlen die fachlichen Weisungen. Deshalb arbeiten wir wie bisher weiter.“ Klare Vorgaben und ein Startdatum mit Vorlauf hätten aus seiner Sicht geholfen.

Grundsicherung in neuer Form geplant

Auch die geplante Umgestaltung des Bürgergelds von CDU und SPD zur neuen Grundsicherung beobachtet Ebersbach aufmerksam. Vermutlich werde es um Leistungsminderungen nach dem Prinzip „Arbeit muss sich wieder lohnen“ gehen. Was genau geplant sei, sei bislang unklar. Auch über Sanktionen werde diskutiert. Das könne im Einzelfall wirken, sei aber kein Allheilmittel. Immer wieder werde über „Totalverweigerer“ gesprochen – wer genau darunter falle, sei jedoch offen. „Die Fälle, in denen Menschen nie erscheinen und sich komplett verweigern, sind äußerst selten.“ Und oft wüssten diese Personen genau, wie sie sich durch Atteste oder andere Wege absichern. Eine vollständige Leistungskürzung sei verfassungsrechtlich ohnehin nicht möglich. Auch wenn in Extremfällen bereits heute eine zweimonatige Kürzung – ausgenommen die Kosten der Unterkunft – zulässig sei, habe es im Landkreis Heidenheim bislang keinen solchen Fall gegeben. Zudem sei der bürokratische Aufwand hoch. „Die Zeit, die man für den Nachweis benötigt, fehlt dann bei der Vermittlung.“

Wie viel Vermögen darf ein Bürgergeldempfänger behalten?

In der politischen Diskussion stehen auch Änderungen beim Schonvermögen und bei der Übernahme der Mietkosten. Derzeit würden die Mietkosten unabhängig von ihrer Höhe übernommen. Beim Schonvermögen gelten Freibeträge von 40.000 Euro für die Hauptperson und 15.000 Euro für jede weitere Person in einer Bedarfsgemeinschaft. „Es gibt erste Signale, dass hier Anpassungen kommen könnten“, sagt Ebersbach – betont aber, dass auch hier vieles noch offen sei.

Passgenaue Vermittlung bleibt zentrales Ziel

Das Jobcenter wolle sich weiter auf seine Kernaufgaben konzentrieren: Vermittlung, Beratung, Qualifizierung. Gemeinsam mit Bildungsträgern und Unternehmen gehe es darum, Qualifikationsbedarfe frühzeitig zu erkennen und passende Angebote zu entwickeln. „Die Arbeitswelt bestimmt, welche Kompetenzen gefragt sind – wir müssen darauf reagieren“, sagt Ebersbach und verweist auf die Transformation der Wirtschaft. Stichworte seien hier Dekarbonisierung und Digitalisierung – insbesondere im Bereich der Automobilzulieferer werde sich viel verändern.

Doch für eine erfolgreiche Arbeitsmarktintegration brauche es finanzielle Mittel – etwa für Aktivierungsmaßnahmen, Bewerbungscoaching oder Praktika. Der Eingliederungszuschuss sei ein bewährtes Instrument, um Arbeitgeber zu motivieren, Langzeitarbeitslosen eine Chance zu geben. „Dafür aber brauche ich Geld im Eingliederungstitel“, so Ebersbach. Im Koalitionsvertrag sei zwar vorgesehen, ausreichend Mittel bereitzustellen – doch ob das tatsächlich geschehe, sei unklar. Aktuell sei der Trend umgekehrt: Es reiche für immer weniger Menschen.

Etwa die Hälfte der Kundinnen und Kunden des Jobcenters seien Langzeitleistungsbeziehende – ein Anteil, der in den vergangenen Jahren stark gestiegen sei. Gerade für diese Gruppe werde es bei einem schwächeren Arbeitsmarkt zunehmend schwer, wieder Fuß zu fassen. Umso wichtiger sei geförderte Beschäftigung. „Das ist keine Dauerlösung, sondern ein Einstieg.“ Wer mindestens zwei Jahre arbeitslos sei, könne bis zu zwei Jahre lang gefördert werden – zunächst mit 75, später mit 50 Prozent des Lohns. Längere Arbeitslosigkeit erlaube längere Förderung. Die Erfolgsquote von rund 50 Prozent belege die Wirksamkeit.

So viele Vermittlungen gelangen am Heidenheimer Arbeitsmarkt

Noch zeigt sich der Heidenheimer Arbeitsmarkt robust. Bis Ende April verzeichnete das Jobcenter 225 Integrationen, darunter 85 Ukrainerinnen und Ukrainer sowie acht Geflüchtete aus anderen Herkunftsländern. Vermittelt werde überwiegend in gewerbliche Berufe und ins Handwerk. Die Zahlen liegen derzeit über dem Niveau des Vorjahres.

Für die Zukunft wünscht sich Ebersbach von der Politik vor allem eines: Verlässlichkeit. „Der ständige Paradigmenwechsel sorgt für Reibungsverluste. Um unsere Arbeit gut zu machen, brauchen wir Kontinuität.“

Von der DH ins Jobcenter

Markus Ebersbach (40) stammt aus Bautzen, hat aber im Kreis Heidenheim längst seine Heimat gefunden. 2005 kam er zum Studium des Sozialmanagements an die damalige Berufsakademie in Heidenheim, heute Duale Hochschule. Nach dem Abschluss wechselte er direkt ins Jobcenter. Er lebt mit seiner Familie in Niederstotzingen. Zum Jahreswechsel löste er Albert Köble in der Führungsposition ab, der nach Aalen ans Jobcenter wechselte.

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