So langsam aber sicher könnte sich Peer Gynt mit der deutschen Bürokratie vertraut machen. Schließlich scheint der norwegische Bauernsohn bereits fest damit zu rechnen, nach Deutschland eingebürgert zu werden. Allein in Heidenheim lässt er sich dieses Jahr schon zweimal blicken, da liegt die Verlagerung seines Wohnsitzes auf die Ostalb nicht fern. Einen tänzelnden Peer konnte man im März auf der Bühne des Festspielhauses erleben, als ihn das Staatstheater am Münchener Gärtnerplatz zum Mittelpunkt des Winterballetts erhob. Und einen weiteren tänzelnden Peer zieht es am 30. Juli ins Konzerthaus, wo ihm Schülerinnen und Schüler aus dem Kreis Heidenheim in Form einer selbst entwickelten Choreografie Leben einhauchen wollen.
„Morgengrauen“ lautet der Titel dieses im Rahmen der städtischen Kulturwerkstatt stattfindenden, zeitgenössischen Tanzprojekts. Beteiligt sind die Gemeinschaftsschule am Brenzpark und die Karl-Döttinger-Schule in Heidenheim, die Pistoriusschule in Herbrechtingen sowie die Heidenheimer Tanzschule Tanzwerk. Und der, bei dem alle Fäden zusammenlaufen, ist der Choreograf und Tanzpädagoge Alan Brooks.

Die Aufgabe, die Brooks diesen 30 Eleven mit auf den Weg gegeben hat, ist so simpel wie anspruchsvoll: Erstellt eine Choreografie zu „Peer Gynt“. Aber eben nicht nur dazu. „Die Inszenierung hat sicherlich ‚Peer Gynt‘ in ihrer DNA“, erklärt Brooks. Doch die Handlung von Henrik Ibsens dramatischem Gedicht dient nur am Rande als Grundlage. Vielmehr, so Brooks, habe er versucht, von den Grundmotiven des Gedichts Brücken zu all jenen Themen zu schlagen, die junge Menschen heutzutage bewegen.
Der überwiegende Teil der Projektgruppe ist neu auf dem Gebiet des Tanzes, nur wenige brachten bereits etwas Erfahrung mit. Zu Beginn der Proben ging es demnach darum, Grundbewegungen zu erlernen. Anschließend durften sich die Schüler kreativ ausleben und ihre ganz eigenen Choreografien entwerfen. „90 Prozent des Endergebnisses stammen nicht von mir, sondern von den Jugendlichen selbst“, erzählt Brooks.
Heidenheimer Tanzprojekt soll Rollenbilder aufbrechen
Die Energie, welche die Schüler in das Projekt mit hereingebracht hätten, sei „fantastisch“ gewesen. Gleichzeitig hätten sich immer wieder feste Rollenbilder bemerkbar gemacht. Der Macho. Der Klassenclown. Der Stille. Jene Bilder gelte es, zu durchbrechen, und das wahre Ich, wie Brooks es nennt, herauszukitzeln. Durch Tanz.
Kein leichter Prozess, weiß der gebürtige Brite, der mehr als 30 Jahre Berufserfahrung mitbringt. „Manchmal muss ich dabei nett sein, manchmal streng. Meine Standards sind hoch.“ Der Sprung ins kalte Wasser habe zur Tagesordnung gehört. Auf das, was die 30 Jugendlichen geleistet hätten, auf ihre Antwort auf das Winterballett, könne man enorm stolz sein. „Sie alle wollen am Ende nur gehört werden.“
Ich will nicht, dass am Ende jemand sagt, dass das nett war.
Alan Brooks, Choreograf von „Morgengrauen“
Zuhören empfinde er als Aufgabe des Publikums; der durch Tanz ausgedrückten Geschichte der Gruppe zu lauschen. Diese habe Respekt verdient. „Ich will nicht, dass am Ende jemand sagt, dass das nett war.“ Denn wessen kleine Schwester „nett“ ist, dürfte bekannt sein, so Alan Brooks.
Am Ende, das hofft der Choreograf, werde deutlich, dass zeitgenössischer Tanz den jungen Menschen eine Möglichkeit biete, sprachliche und soziale Unterschiede zu überwinden, und zu lernen, ihre Emotionen in Bewegungen umzusetzen. Diese sollen beim Publikum durchaus für Überraschungen sorgen, ebenso die musikalische Auswahl von „Morgengrauen“. Neben Edvard Griegs Schauspielmusik sollen nämlich auch Werke des zeitgenössischen Komponisten Max Richter sowie Lieder des „Nine Inch Nail“-Frontmanns Trent Reznor zum Einsatz kommen. Man darf also gespannt sein.
Tanz-Abend rund um „Peer Gynt“
„Morgengrauen“ erlebt am Mittwoch, 30. Juli, ab 18 Uhr im Konzerthaus seine Uraufführung. Karten für die Tanzaufführung sind im HZ-Ticketshop, unter opernfestspiele.de sowie bei der Stadt-Information in der Christianstraße erhältlich.