Bündnis gegen rechts

Mindestens 2500 Menschen bei Demo gegen Rechtsextremismus in Heidenheim

Tausende Menschen, unterstützt von mehr als 50 Organisationen, haben sich in Heidenheim am Samstagnachmittag zusammengefunden, um ein friedliches und starkes Zeichen gegen Rechtsextremismus zu setzen. Die Botschaften waren eindeutig.

So viele wie Menschen bei keiner Demonstration zuvor in den vergangenen Jahren folgten dem Aufruf von DGB, dem Bündnis gegen rechts und Heidenheims Oberbürgermeister Michael Salomo, um gemeinsam gegen den Rechtsruck und Menschenhass und für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und für demokratische Grundrechte einzustehen. Solidarisch erklärt hatten sich im Vorfeld 50 Parteien, Organisationen, Vereine.

Wie viele Menschen tatsächlich gekommen waren, darüber gingen die Angaben auseinander. Der Einsatzleiter der Polizei sprach von 2500 Teilnehmenden am Protestzug, der gegen Mittag am Bahnhof startete, quer durch die Innenstadt verlief und rund eine Stunde später am Rathaus endete. DGB-Gewerkschaftssekretär Christian Zeeb sprach von Veranstalterseite von knapp 4000 Teilnehmenden. Doch egal, wie hoch die Zahl war: Die Demonstration war die größte in Heidenheim der vergangenen Jahre. „Wir sind höchst zufrieden, das war ein tolles Bild in Heidenheim“, sagte Zeeb am Ende der mehr als dreistündigen Demo-Veranstaltung. Der DGB-Funktionär sieht die große Resonanz als starkes Zeichen dafür, in Heidenheim weiter gegen Rechtsextremismus angehen zu können.

Tausende Menschen bei Kundgebung gegen rechtsextreme Hetze am Samstag auf dem Rathausplatz in Heidenheim.
Tausende Menschen bei Kundgebung gegen rechtsextreme Hetze am Samstag auf dem Rathausplatz in Heidenheim. Oliver Vogel

Am häufigsten zitiert wurde an diesem Nachmittag das deutsche Grundgesetz und dabei explizit der unantastbare Artikel Nummer eins: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Ebenso gemeinsam war den Rednerinnen und Rednern, klare Kante gegen Rechtsextremismus zu zeigen, speziell die AfD wurde von vielen angegriffen als menschen- und demokratiefeindlich.

Heidenheims Oberbürgermeister Michael Salomo (rechts) mit DGB-Funktionär Christian Zeeb. Oliver Vogel

OB Michael Salomo: „Den Bösen reicht es, wenn die Guten nur zusehen“

Heidenheims Oberbürgermeister Michael Salomo war an diesem Tag der einzige Politiker unter den Rednern, wenngleich auch unter anderem Bundestagsabgeordnete Leni Breymaier, Heidenheims Landrat Peter Polta, die Landtagsabgeordneten Andreas Stoch und Martin Grath sowie zahlreiche Stadt- und Kreisräte teils mit ihren Familien in der Menge waren. FCH-Trainer Frank Schmidt hatte sich ebenfalls solidarisch erklärt, aber sich entschuldigt, wegen des Auswärtsspiels nicht teilnehmen zu können. Dennoch war Heidenheims Bundesligist symbolisch vertreten: Maskottchen „Paule“ stand ganz vorne in der Menge.

FCH-Maskottchen Paule trägt Regenbogenfarben bei der Heidenheimer Demo. Karin Fuchs

„Den Bösen reicht es, wenn die Guten nur zusehen“, zitierte Oberbürgermeister Michael Salomo die Anfangseinspielung eines Films über Adolf Hitler und dankte den vielen Teilnehmenden. Er wünsche sich, dass angesichts dieser breiten Masse kein Aufstieg des Bösen möglich werde. Die vielen Teilnehmenden machten klar, dass unsere Gesellschaft auf der freiheitlichen rechtlichen Grundordnung unseres Grundgesetzes stehe, so der OB. „Die Würde des Menschen ist unantastbar, sie zu achten und zu schützen ist die Aufgabe aller staatlicher Gewalt.“

Nour Bsata: „Ich danke Heidenheim, dass du zu meiner zweiten Heimat geworden bist.“

Die beeindruckendsten Worte fand Nour Bsata, Mitglied im Migrationsbeirat des Landkreises. „Ich liebe ihre Luft, ihr Schloss und jede Ente ihres Flusses.“ Die Architektin und Mutter von drei Kindern floh vor acht Jahren aus Syrien und nahm die Menschen mit auf eine Gedankenreise: „Stellt euch vor, ihr müsst euer Leben in einen Koffer packen, eure Erinnerungen auf einen Stick laden und Eltern und Freunde zurücklassen. Das hat weh getan in Kopf und Herz. Aber das Leben ist zu kurz, um zu hassen.“ Wie so viele andere Geflüchtete fühle sie sich als Teil der Gesellschaft, engagiere sich hier und wolle hier bleiben. „Ich danke Heidenheim, dass du zu meiner zweiten Heimat geworden bist.“

Lilo Schwarz: „Es ist leichter, Hass zu predigen, als Dinge selbst besser zu machen.“

Mit einem Rückblick in das schwärzeste Kapitel deutscher Geschichte mit der Ermordung von mehr als einer Million Menschen in Konzentrationslagern warnte Lilo Schwarz von den „Omas gegen rechts“ vor einem erneuten Rechtsruck und dem Ausgrenzen von Menschen. Den rechtsextremen Politikern warf sie vor: „Es ist leichter, Hass zu predigen, als Dinge selbst besser zu machen.“ Sie kämpfe dafür, dass unsere Enkel in einem freien Europa aufwachsen könnten: „Denn sie werden auch uns einmal fragen, was habt ihr getan.“

Der Heidenheimer Künstler Rainer Jooß war einer der Redner. Oliver Vogel

Rainer Jooß: „Ich bin stolz – immer weniger ein Rassist zu sein“

Der Heidenheimer Künstler Rainer Jooß trug seine Botschaft auf Schildern um den Hals: „Ich bin stolz“ war auf der Brust zu lesen, als er die Kindheitsgeschichte erzählte, als er sich nicht traute, ein Gastarbeiterkind in das Elternhaus zu bringen. Vollständig wurden der Satz und damit auch seine heutige Sichtweise mit der Botschaft auf dem Rücken: „immer weniger ein Rassist zu sein.“ Jooß beschrieb, wie sich seine Sichtweise veränderte durch Bildung und Auslandsaufenthalte, die ihn auch dazu bewogen hat, Heidenheims umstrittenes Rommel-Denkmal umzugestalten. Im Kontext der Geschichte, den jüngsten Rommel-Forschungen sowie auch den jüngsten Entwicklungen in Deutschland forderte er dazu auf: „Hört nicht auf, euch zu informieren.“

Leon Klotzbach: „Wir haben geschlafen, als Faschisten sich gerüstet haben“

Für die Heidenheimer Jugend traten drei jungen Menschen ans Mikro. Die eindrücklichsten Worte fand Leon Klotzbach, der klar gegen die AfD Stellung bezog und deren Verbot forderte. Seine These: Dass gängige Vorurteile zugelassen und nicht bekämpft würden, gebe den Rechtsextremisten der AfD Nährboden. Die AfD erreiche in Umfragen in Thüringen 34 Prozent, bundesweit 20 Prozent und in Baden-Württemberg 18 Prozent. „Wir haben geschlafen, als die Faschisten sich gerüstet haben“, sagte der junge Heidenheimer und kritisierte namentlich den CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz mit dessen Umgang mit der Partei: „Herr Merz, die AfD ist eine Nazi-Partei, dies nicht klar zu benennen ist Heuchelei.“

Dorina Beck: „Es gibt mir Mut, dass Menschen bereit sind aufzustehen“

Erstmals seit der Friedensbewegung vor 40 Jahren nehme sie wieder an einer Demonstration teil, sagte DGB-Vertreterin Dorina Beck. „Es gibt mir Mut, dass Menschen bereit sind, gegen die AfD und Faschismus aufzustehen.“ Angst mache ihr hingegen, dass so viele Menschen den Lügen der Faschisten Glauben schenkten. Demokratie heiße, andere Meinungen auszuhalten, so lange sie sich auf rechtsstaatlichen Grundlagen beruhen.

In den Pausen und während des Umzugs leiteten die Veranstalter Sprechgesänge gegen rechts an. Viele der Teilnehmenden hatten Plakate dabei mit Botschaften wie "Menschenrechte statt rechte Menschen" oder "bunt statt braun" oder "Wir sind viele". Zwischen den vielen Worten gab es musikalische Botschaften der Bands Antischall und Billity und des Musikers Diego.

Das Heidenheimer Bündnis gegen rechts

Die Demonstration „Nie wieder ist jetzt“ war die erste große Aktion des Heidenheimer Bündnisses gegen rechts, das sich Ende 2023 gegründet hat. Federführende Leitung der Demo hatte der DGB übernommen, unterstützt wurde die Veranstaltung von 50 Organisationen, Parteien und Vereinen. Noch ist das Bündnis jung, eine Internetseite ist in Vorbereitung. Ein erster Auftritt im Netz ist ein Instagram-Account unter dem Namen „buendnisgegenrechtshdh“, über den die Veranstaltung angekündigt worden war.

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