Kabarett

„La Comédie Night“: Was Mademoiselle Mirabelle im Heidenheimer Lokschuppen präsentierte

Mademoiselle Mirabelle servierte mit „La Comédie Night“ Spritzigkeiten im vollbesetzten Lokschuppen. Warum es ein Volltreffer war:

Gibt es eigentlich in Heidenheim noch Kaugummiautomaten? Falls ja, bitte niemals entfernen. Exakt das geschah nämlich am Heimatort von Kabarettist Ralf Winkelbeiner, und danach war dort gar nichts mehr los. Dieser Ort, zum Markt Manching gehörig, hat allerdings ein Ortsschild in grün-gelb und mehr Nutzvieh als Einwohner, und statt den Q5 im nahe gelegenen Ingolstadt gibt es ordentlichen Kuh-Sex.

Das alles erfuhr das Publikum am Samstagabend im ausverkauften Lokschuppen bei der „La Comédie Night“, für die Mademoiselle Mirabelle, Veranstalterin und Moderatorin, wieder ein begeisterndes Trio an Kabarettisten zusammengestellt hatte: Zum schon erwähnten Ralf Winkelbeiner gesellte sich sein Landsmann Michi Dietmayr aus München, und Stuttgarterin Stefanie Kerker sprang für den erkrankten Herrn Niels ein und lieferte das Sahnehäubchen auf den brachial-bayerischen Humor.

Ehegattensplitting als Foltermethode

Sahne, die nicht nur süß und cremig daherkam, sondern sich als leicht bitter im Abgang herausstellte.  Zwar berichtete Kerker von Plüsch, Stuck und Samtsesseln, die dermaleinst den Lokschuppen zieren sollten, denn in ihrem Programm „Utopie to go“, das sie auszugsweise präsentierte, schaut sie aus der fernen Zukunft auf das Jahr 2025 zurück, in dem es noch umweltzertifizierte Flüge, für die Verhandlungen mit der Atmosphäre offenbar nicht nur geführt, sondern auch erfolgreich abgeschlossen werden konnten, vom Kaufrausch besiegte gute Vorsätze in puncto Nachhaltigkeit und so mittelalterliche Foltermethoden wie Ehegattensplitting gab.

Sie sang zur Gitarre, zur PVC-Rohr-Percussion und gab auch dabei immer ordentlich was zum Nachdenken mit. Zum Beispiel über das Missverhältnis der Einkommen von Erzieherinnen und Bankern: Während Banker über das ihr Anvertraute schon mal zugeben müssten, „Ich weiß nicht, wo es hin ist, aber es ist weg“, sei ein solcher Satz bei Erzieherinnen doch unvorstellbar. Absolut großartig: ihr Blockflöten-Medley mit der eigenen Großer-Zeh-Cello-aber-eigentlich-Keyboard-Begleitung, in dem der liebe Augustin und der Bi-Ba-Butzemann auf des Glückes Unterpfand und die Ode an die Freude traf. Sie machte ordentlich Lust darauf, das ganze Programm zu erleben.

Stimmung mit Schweinsbraten

Unbeschwerter ließen sich die beiden Bayern genießen, die beide leicht Verdauliches im Gepäck hatten. Winkelbeiner rief Lachsalven hervor mit seinen Berichten über die männliche und die weibliche Art der Verkündung einer Schwangerschaft, letztere gerne fein inszeniert bei Thermomix-, Tupper- oder sonstigem Verkaufsparty, Hauptsache, großes Publikum. Erstere einfach beim Bier. Zum Brüllen komisch auch seine Darstellung von Thai-Massagen, in der Klangschalen klingen und Aromakerzen vor sich hin aromen, und die Masseurin so jung aussieht, dass sie noch mit 42 Jahren „a Radl Gelbwurschd“ kriegt. Winkelbeiner weiß eben, dass alles Kostenlose des Schwaben Herz erfreut, schließlich hat er hierzulande schon erlebt, dass seine Aufkleber massenweise eingesteckt wurden, als wollte man damit „Radl flicken“.

Geradezu als Stimmungsschlager bezeichnen könnte man das Liedgut bezeichnen, das Michi Dietmayr, auch bekannt als Polizist in „Dahoam is Dahoam“, servierte: eingängige Melodien und leicht einprägsame Textzeilen, die sofort mitgesungen werden konnte, wie das schwer begeisterte Publikum im Lokschuppen bewies. „Hunger. Pipi. Kalt“ etwa, das Lied, das weibliche Bedürfnisse komprimiert zusammenfasst, und auch in der männlichen Variante „Fußball. Schweinsbraten. Bier“ nichts am Mitsing-Charakter verliert. Er ließ das Publikum auch Reinschnuppern in seine geplante Weihnachts-CD mit „Ich nieß‘ Dir ins G’nack“ zur Melodie von „Feliz Navidad“ und „In der Ochsen-Braterei gibt’s ne Massenschlägerei“ – bestimmt lässt sich das auch nicht ohne die berühmte Zuckowski-Melodie lesen. Auswirkungen des sächsischen Dialekts auf das erotische Vermögen des Mannes wurden von ihm ebenso auf die Schippe genommen wie Jugendsprache und Mütter beim E-Jugend-Fußballspiel.

Très charmant und très komisch

Dazwischen plauderte Mademoiselle Mirabelle très charmant und très komisch aus ihrem très französischen Leben als Auszubildende im „Moulin Rouge“ etwa oder von ihrem Trick, Polizeistreifen abzuschütteln: Sie sagt einfach, sie sei Lena Odenthal von der Kripo Ludwigshafen und fragt, ob die Spurensicherung schon da sei.

Der rund dreistündige Abend war wie gemacht für ein Post-Festtags-Programm, und das Publikum genoss ihn sichtlich und hörbar, verlangte sogar Zugaben. „Eine Stimmung wie bei den Stones“, dieser Eindruck könne bei zufälligen Passanten entstehen, meinte Michi Dietmayr und wollte sich schier wegwerfen über diesen Witz. Klar: Er weiß ja, dass am Lokschuppen kein Kaugummiautomat hängt.

„Nächstes Jahr, gleicher Tag“

Mademoiselle Mirabelle, die mit diesem Abend voll ins Schwarze getroffen hat, wusste auch bereits jetzt schon ein Päckchen unter den nächstjährigen Weihnachtsbaum zu legen: „Wir kommen wieder. Nächstes Jahr, gleicher Tag“. Das Publikum bekundete seine Vorfreude mit starkem Applaus. „La Comédie Night“ könnte ein Dauerbrenner nach Weihnachten werden. „La même procédure que chaque année“ gewissermaßen, ganz ohne Tigerfell, aber mit ganz vielen Spritzigkeiten im Gepäck. Welche das sein werden, darauf kann man schon gespannt sein.