Unter Uns

Leben in der Provinz? Na und!

Aus Ballungszentren wird auch auf den Landkreis Heidenheim gerne mal von oben herabgeschaut. Das ist der pure Neid auf das Leben in der Provinz, findet Marc Hosinner von der HZ-Redaktionsleitung beim Blick auf die Woche.

Leben in der Provinz? Na und!

Jetzt spielt der Provinz-Club auch in der Bundesliga: Ich habe diesen oder ähnlich formulierte Sätze in den vergangenen Wochen öfters gelesen. Als dann die Freidemokraten am vergangenen Wochenende ihren Landesparteitag auf dem Heidenheimer Schlossberg abgehalten hatten, wurde in der Montagausgabe im überregionalen Teil getitelt: Berliner Turbulenzen reichen bis in die Provinz.

Ist das ein verächtlich machen einer Stadt beziehungsweise eines Landstrichs, von der oder dem man, in einer vermeintlichen Metropole sitzend, glaubt, dort sei der Hund begraben? Oder ist das pure Arroganz der Großstädter?

Vielmehr ist das der pure Neid. Glauben Sie nicht? Ich schon. Es ist der Neid auf eine Region beziehungsweise einen Kreis, der nicht nur landschaftlich viel zu bieten hat, sondern in dem auch vieles besser funktioniert als in der Großstadt – von der Brenzbahn mal abgesehen. Wahrscheinlich ist jede Tram oder jede U-Bahn zuverlässiger als das Schienen-Transportmittel zwischen Niederstotzingen und Königsbronn.

Ein Chaos wie in der Hauptstadt haben wir hier nicht

Klar: Wer einen Termin in den Rathäusern oder anderen Behörden braucht, muss schon mal ein paar Tage warten. Ein Chaos wie in der Hauptstadt? Haben wir sicher nicht.

Obendrein gibt es Freibäder ohne Gewaltorgien, Seen, die mit dem Rad erreicht werden können, gute Arbeitsmöglichkeiten, leckere Kässpätzle und eine große Auswahl an Vereinen zur Freizeitgestaltung. Was will man mehr?

Konzerte und Theater? Hochkultur? Rock- und Popkonzerte? Haben wir alles. Zwar nicht jeden Tag, aber das Angebot ist da. Und wenn nicht, steigen wir halt ins Auto oder in den Zug und fahren in die nächste größere Stadt. Dabei sind wir hier in der Provinz wahrscheinlich immer noch schneller am Ziel wie jemand, der sich in Stuttgart einmal durch den Stau quälen muss.

Nicht zu vergessen: Großstädter bleiben gern in ihrem Kiez, ihrem Viertel oder ihrem Stadtteil. Woanders hinfahren? Was anschauen in der großen Stadt? Nur, wenn Besuch kommt und es sich dann nicht vermeiden lässt. Da sind wir hier schon deutlich aktiver. Schönes Wochenende in der Provinz.