Dass Klasse und Masse nicht grundsätzlich miteinander konkurrieren, sondern auch durchaus Hand in Hand gehen können, das bewies die Junge Philharmonie Ostwürttemberg (JPO) am Freitagabend eindrucksvoll in der Heidenheimer Waldorfschule. Anlässlich des 30-jährigen Bestehens dieses Projektorchesters, das sich aus talentierten Jungmusikerinnen und -musikern der Landkreise Ostalb und Heidenheim zusammensetzt, entstand in diesem Jahr ein absolutes Ausnahmeorchester aus aktuellen und ehemaligen Mitgliedern mit über 100 Musizierenden.
Das Ermöglichen derart nachhaltiger musikalischer Erlebnisse sowie auch die Kooperation mit der Cappella Aquileia macht die JPO, so die Heidenheimer Musikschulleiterin und JPO-Vorstandsmitglied Monika Zimmermann, zum Markenzeichen für Gemeinschafts- und Nachwuchsförderung und zur Kulturbotschafterin für die gesamte Region.
Preisgekrönten Bariton Andreas Beinhauer zu Gast
Zunächst noch ohne Verstärkung der „JPO-Veteranen“ offenbarten die jungen Instrumentalisten im Alter von 13 bis 26 Jahren mit Gustav Mahlers „Lieder eines fahrenden Gesellen“ ihre herausragenden Fähigkeiten. Als Solisten für das vier Lieder umfassende Werk konnte die JPO den mehrfach preisgekrönten Bariton Andreas Beinhauer gewinnen.
Der gebürtige Aalener, dessen musikalische Wiege als ehemaliges Mitglied des Jungen Kammerchors Ostwürttemberg in der Region liegt, und der, ganz heimatverbunden, bereits 2022 kurzfristig im Rahmen der Heidenheimer Opernfestspiele bei Wagners „Tannhäuser“ als Wolfram von Eschenbach einsprang, harmonierte fabelhaft mit dem nuancierten Vortrag des Orchesters.
Dabei gelang es im Zusammenwirken von Musik und Gesang ausgesprochen gut, die von Mahler in Dichtung und Komposition verarbeiteten Gefühle auszudrücken: der Schmerz einer unerfüllten Liebe, Verzweiflung und die Suche nach Trost in der Natur beschreibt Mahler mit autobiografischem Hintergrund in diesem Liederzyklus.
Forderndes Dirigat von Uwe Renz
Die dabei wechselhaften Stimmungen arbeiteten die jungen Talente präzise heraus und umspielten gefühlvoll den berührenden Vokalvortrag des Solisten. Damit stellte das Orchester sowohl ein hohes Maß an Professionalität als auch die Fähigkeit unter Beweis, dem schnörkellos klaren, aber fordernden Dirigat von Uwe Renz exakt zu folgen. Diesem gelang es auch in Mahlers folgender „Sinfonie Nr.1 in D-Dur“ meisterhaft, seinen mehr als einhundert Musizierenden weitere Höchstleistungen zu entlocken.
Mit sphärisch anmutenden Flageolettklängen der Streicher und sich darin fast unbemerkt einfügende Oboen- und Flöteneinsätzen setzte die JPO behutsam die fragile Einleitung des ersten Satzes um. Die sich zunächst fragmentartig durch fast alle Register ziehenden Naturklänge komplettierten sich mit weichen Hornklängen, dezenten Trompetenfanfaren aus weiter Ferne und einem vorwitzigen Klarinetten-Kuckuck wie selbstverständlich zu einem stimmigen Ganzen.
Stehende Ovationen in der Waldorfschule
Auch in den weiteren Sätzen der anspruchsvollen Komposition, in der Mahler auch stellenweise nochmals Motive aus „Lieder eines fahrenden Gesellen“ verarbeitete, konnte das Orchester in seiner üppigen Besetzung mit höchster Präzision in Klang und Zusammenspiel absolut überzeugen: Neun Celli, die sich mit blitzsauberen Pizzicato-Tönen unisono gekonnt mit den zarten Harfenklängen vereinten und gewaltige Tuttipassagen mit eindrucksvollen Beckenschlägen begeisterten ebenso wie die herausragende dynamische Ausgestaltung, die treffsichere Ausarbeitung aller Klangfarben und die mit hoher Exaktheit gewechselten Tempi in allen vier Sätzen des vielschichtigen Werkes.
Belohnt wurde die JPO mit stehenden und verdient opulenten Ovationen, bevor sie ihr Publikum, das übrigens während der Pause von den Blechbläsern der JPO noch mit einem Extraleckerbissen in Form der „Wiener Philharmoniker Fanfare“ (Richard Strauss) überrascht wurde, verabschiedete.