Mobilität

Klein, aber oho? Sogenannte Microcars sind auch im Kreis Heidenheim auf dem Vormarsch

Sie sind klein, auf 45 Stundenkilometer beschränkt und zum Fahren berechtigt ein Rollerführerschein: Sogenannte Microcars sind auch zunehmend auf den Straßen im Kreis Heidenheim unterwegs. Eine sinnvolle Zweirad-Alternative?

Er ist mintgrün, ziemlich klein und ein echter Hingucker: Wenn die 15-jährige Amelie Herrmann mit ihrem Fiat Topolino auf den Straßen unterwegs ist, dann fliegen ihr so einige Blicke zu. Sie wird angelächelt, angesprochen und hinterhergehupt wird auch. „Ja, die Knutschkugel ist Gesprächsstoff“, sagt die Dunstelkingerin und lacht. Sie liebt ihr Mini-Auto.

Ihr Fiat Topolino ist ein sogenanntes Leichtkraftfahrzeug. Es gibt sie in unterschiedlichen Modellen von diversen Herstellern. Als Moped- oder Roller-Alternative sind sie zunehmend auf den Straßen unterwegs. Die Autos sind auf 45 Stundenkilometer beschränkt und dürfen mit einem Führerschein der Klasse AM gefahren werden. Somit können hierzulande bereits 15-Jährige ans Steuer sitzen. Die Fahrzeuge müssen nicht zugelassen werden, lediglich ein Versicherungskennzeichen ist nötig.

Voll elektrisch mit einer Reichweite von 75 Kilometern

Amelie Herrmanns Fiat fährt voll elektrisch, er kann an einer haushaltsüblichen Steckdose geladen werden. Die Reichweite beträgt 75 Kilometer. Damit kommt die Schülerin gut klar. Sie fährt hauptsächlich zur Schule nach Neresheim, zu Freunden und zum Training. Sie sagt: „Ich komme super von A nach B.“

Bei den Herrmanns war das Mini-Auto eine Weihnachtsüberraschung. Die Eltern hatten sich dafür entschieden, nachdem sich die Tochter wegen eines kleinen Sturzes auf dem Roller nicht mehr sicher gefühlt hatte. „Das Auto gibt uns ein ganz anderes Sicherheitsgefühl und Amelie kann jetzt einfach bei jedem Wetter fahren“, sagt Mutter Melanie Herrmann.

Das Auto gibt uns ein ganz anderes Sicherheitsgefühl und Amelie kann jetzt einfach bei jedem Wetter fahren.

Melanie Herrmann, Amelies Mutter

Das entlastet die Familie. Denn die Wege auf dem Land sind mitunter weit, die Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln lässt zu wünschen übrig und das Eltern-Taxi kommt irgendwann auch an seine Grenzen. So sorgt das Auto für Mobilität auf dem Land. Melanie Herrmann sagt: „Die Anschaffung war wirklich auch eine egoistische Entscheidung. Ich bin jetzt sehr entlastet.“

Einzig die Umstellung vom Roller aufs Auto war anfangs herausfordernd. Amelie Herrmann musste üben. „Es ist einfach ein anderes Fahrgefühl“, erklärt sie. Mutter Melanie Herrmann hakt ein: „Die Kinder machen ja einen Roller-Führerschein. Es wäre wirklich sinnvoll, ein paar Fahrstunden mit dem Auto anzuhängen, um Praxis zu haben.“

Fahrlehrer aus dem Kreis Heidenheim ordnen ein

Die Herrmanns kennen einige junge Fahrer mit 45er-Autos. Offizielle Zahlen gibt es nicht, weil die Autos nicht zugelassen werden müssen. Aber Manfred Kaufmann, Inhaber der Fahrschule Fastlane, teilt die Einschätzung, dass die 45er-Autos auf dem Vormarsch sind. Er sagt: „Es wird definitiv mehr.“ Der Fahrlehrer schätzt, dass 30 bis 40 Prozent seiner Fahrschüler für den AM-Führerschein vorhaben, ein 45er-Auto zu fahren. Die Nachfrage nach dem Roller-Führerschein habe nach der Herabsetzung des Mindestalters auf 15 Jahre ohnehin deutlich zugenommen. „Extrem hoch ist die Nachfrage auf dem Land“, sagt er.

Er steht den Autos prinzipiell sehr positiv gegenüber: „Es ermöglicht Mobilität auf dem Land und das bei Wind und Wetter.“ Und er bemerkt Vorteile, wenn die 45er-Fahrer den Autoführerschein machen: „Sie brauchen deutlich weniger Stunden.“

Auch Tino Trautmann, einer der Geschäftsführer bei Robbys Fahrschule, sagt: „Die Nachfrage nimmt eindeutig zu. Die Microcars machen auf dem Land und auch in der Stadt definitiv Sinn.“ Robbys Fahrschule bietet als einzige Fahrschule Deutschlands Fahrerschulungen im eigenen Microcar mit Doppelpedalerie an. Das lockt Microcaranwärter und -Fahrer von überall an und ergibt laut Tino Trautmann auch Sinn: „Ein Microcar ist einfach kein Roller.“

Tino Trautmann bezeichnet die 45er-Autos als „absoluten Jackpot“. Mögliche Sicherheitsbedenken will er ins Verhältnis setzen und entkräften: „Ein Microcar ist für die Mobilität eines 15-Jährigen besser als ein Roller.“ Und auch von den Erfahrungen am Steuer könnten die Jugendlichen profitieren – „das spürt man beim Autoführerschein dann auch bei den Kosten“, so Tino Trautmann.

Gemächlich unterwegs: Der Fiat-Topolino fährt nur 45 km/h, ist aber ein echter Hingucker. Rudi Penk

Pro und Contra: Das sagt der ADAC

Und was sagt der ADAC? Der Automobilclub macht auf verschiedene Sicherheitsbedenken aufmerksam. So zeigten Tests etwa „kein zufriedenstellendes Ergebnis bei den Sicherheitsausstattungen“, auch die Fahrstabilität lasse „zu wünschen übrig“. Ohnehin: „Leichtmobile unterliegen beim Thema Crashsicherheit keinen gesetzlichen Sicherheitsanforderungen“, heißt es auf der Seite des ADAC. Weiter berge die begrenzte Geschwindigkeit ein nicht zu unterschätzendes Sicherheitsrisiko. Und dass der Führerschein auf einem Zweirad absolviert wird, gelte als ein „unterschätztes Problemfeld“.

Unterm Strich resümiert der ADAC aber: „Verglichen mit einem 45 km/h schnellen Roller oder Moped ist das Schutzpotenzial eines Leichtfahrzeugs jedoch immer besser, weil die Gefahr eines Sekundäraufpralls auf die Fahrbahn durch den Dreipunktgurt beziehungsweise den geschlossenen Fahrgastraum weitestgehend verhindert wird.“ Längere Touren auf Landstraßen oder Nachtfahrten seien aber eher nicht zu empfehlen.

Die Herrmanns können manche Bedenken verstehen. Doch für sie überwiegen die Vorteile. Amelie Herrmann resümiert: „Für uns auf dem Land ergibt das nur Sinn. Und in der Stadt können die Autos sicher auch eine gute Alternative sein.“

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