Opernfestspiele Heidenheim

Groß mit schelmischem Blinzeln: Leticia Moreno und die Stuttgarter Philharmoniker begeistern bei der „Last Night“

Die „Last Night“ der Opernfestspiele Heidenheim bescherte einen köstlichen Ausklang der Festspielsaison. Eine Wiederholung des Abends gibt es am Sonntag, 27. Juli, mit der „Last Last Night“.

Elvis hat es genutzt, die „Ärzte“, Alf und Borussia Mönchengladbach auch, und natürlich hat es Stanley Kubrick genutzt: Die Verwendung in seinem Klassiker „2001: Odyssee im Weltraum“ hat wohl wesentlich dazu beigetragen, dass „Also sprach Zarathustra“ von Richard Strauss zu den populärsten klassischen Musikstücken gehört. Und es wird immer gerne genutzt, wenn Großes verheißen werden soll.

So auch am Donnerstagabend im Festspielhaus, wo mit der „Last Night“ der große Abschluss der diesjährigen Opernfestspiele auf dem Programm stand, die Krönung der Saison gewissermaßen. Und wenn wir schon beim Thema Krönung sind: Die erlebte auch Solistin Leticia Moreno mit ihrem Auftritt in Heidenheim, befand Festspielleiter Marcus Bosch in seiner Anmoderation, nachdem sie bereits in Los Angeles, Washington, St. Petersburg, mit den Wiener Symphonikern und der Academy of St. Martin in the Fields aufgetreten war. Und sie freue sich, wieder in Heidenheim zu sein, ließ die Violinistin wissen, die schon 2019 beim Neujahrskonzert ein begeistertes Publikum hinterließ.

Vibrierende Lebendigkeit

Und das bekam sie bei der „Last Night“ auch wieder, besser gesagt: Sie hat es sich schwer verdient. Mit dem Violinkonzert e-Moll von Felix Mendelssohn Bartholdy wurde es sehr romantisch und gleichzeitig bestechend leidenschaftlich, verführerisch, sehnsuchtsvoll und auch bestechend heiter. Das alles aber auch nur, weil Moreno mit einer ganz verblüffenden Virtuosität und dabei so energiegeladen zu Werke ging, dass beinahe um ihre Nicola-Gagliano-Geige aus dem Jahr 1762 gefürchtet werden musste – kann man sich eigentlich einen Geigerarm zuziehen, analog zum Tennisarm? Falls ja, dann wäre Moreno ernsthaft gefährdet, denn ihr Spiel hatte gehöriges Tempo und Nachdruck und war dabei von einer vibrierenden Lebendigkeit geprägt.

Bei der „Last Last Night“ am Sonntag, 27. Juli, kann man diese musikalische Kombination noch einmal erleben.
Bei der „Last Last Night“ am Sonntag, 27. Juli, kann man diese musikalische Kombination noch einmal erleben. Foto: Oliver Vogel

Beherzt gab sie der Sehnsucht einige Ecken und Kanten, ohne dass Leidenschaft und Sinnlichkeit der Passagen darunter zu leiden gehabt hätten. Und immer wieder aufreizende Dialoge zwischen Solistin und Orchester, wobei die Stuttgarter Philharmoniker ihr auch immer wieder mit ihren fließenden Melodien Raum für ihr so temperamentvolles Spiel gaben. „Bravo“ hieß es da aus dem Publikum, und darin war der Wunsch zu hören, dass sie auf ihren internationalen Tourneen doch auch Heidenheim wieder berücksichtigen möge. Leticia Moreno bedankte sich mit Astor Piazzolla, und da bekam die Leidenschaft noch einmal eine ganz andere, ruhige Ausprägung.

Urgewalt mit Paukenschlag

Groß also schon dieser Programmpunkt, und stand ja auch noch Zarathustra bereit. Richard Strauss hatte seinerzeit übrigens geschwankt, ob er nicht besser Goethes „Faust“ den Vorzug geben sollte, also die Wahl zwischen „Wie hältst Du es mit der Religion“ und „Frage nicht nach Religion“. Er hat sich bekanntermaßen für letzteres entschieden und bekannt aus dieser Tondichtung ist vor allem die Anfangssequenz, die ja einer Urgewalt gleicht. Die Stuttgarter Philharmoniker ließen es unter dem Dirigat von Marcus Bosch auch ordentlich genauso groß wirken, wie es sich für eine Urgewalt gehört. Sich diesem geradezu magischen Crescendo und den anheizenden Paukenschlägen zu entziehen, war schlicht unmöglich.

Was nach diesem Auftakt kommt, ist schon weniger bekannt, aber nicht minder magisch und mitreißend. Denn eine unglaubliche Vielfalt steckt in der Fortsetzung, die Strauss mit Titeln von „Von den Hinterweltlern“ über „Freude und Leidenschaften“ und „Grablied“ bis zu dem „Nachwanderlied“ versehen hat. Ein flauschiges Gewebe hat er darin klanglich gestaltet, das bald sanft schwingend, bald stürmisch flatternd einhüllt und mit Vogelzwitschern, Klirren und Schwirren und quinquilierenden Flöten geradezu in andere Sphären versetzen kann. Groß, ganz, ganz groß, wie das von den Stuttgarter Philharmonikern umgesetzt wurde. Und genauso groß war der Applaus.

Witz und Übermut

Und ein ganz überraschendes Kleinod steckte in dieser „Last Night“: Waren beim Eröffnungskonzert der Opernfestspiele eher Ernst und Getragenheit vorherrschend, so steckte gehörig Schalk und Scherz im letzten Konzert. „Till Eulenspiegels lustige Streiche“, ebenfalls aus der Feder von Richard Strauss, zeigten noch eine ganz andere Seite des Komponisten:  Keck, überschwänglich, zuweilen lustig tänzelnd und dabei immer voller Witz und Übermut, selbst in den Gefahr und Unheil repräsentierenden Stellen, schien es fast, als blinzelte die Komposition ihren Zuhörern schelmisch zu, während sie die Glöckchen an Tills Narrenkappe zum Klingen brachte und ihn selbst wie einen Springinsfeld heiter hüpfen oder auch wild rasen ließ. Eine köstliche Ergänzung war das, die von den Stuttgarter Philharmonikern auch köstlich gereicht wurde, und der Applaus war nicht wie bei der Uraufführung nur „teilweise herzlich“, sondern voll und ganz von Herzen und dabei gleichermaßen voller Respekt und Vergnügen. Und ein bisschen auch schon Vorfreude auf die nächste Saison.

Noch nicht ganz zu Ende

Zwar hieß das Konzert „Last Night“, aber die letzte Nacht der Opernfestspiele war es noch nicht. Am Samstag, 26. Juli, stehen bei der Jazz-Gala „In the Mood“ im Festspielhaus mit Götz Alsmann, Fola Dada und der SWR Big Band abermals große Namen auf dem Programm.

Und die wirklich allerletzte Nacht, die „Last Last Night“, findet am Sonntag, 27. Juli, statt, wo dann abermals Zarathustra, Till Eulenspiegel und Leticia Moreno auftreten werden – bei schönem Wetter im Rittersaal.

Und vor der Nacht gibt es noch einen Morgen: Das Jazzfrühstück am Sonntag, 27. Juli, serviert das „Gregor-Hübner-Trio“, je nach Witterung im Brunnengarten von Schloss Hellenstein oder im Museum für Kutschen und Chaisen.

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