Süße Kunst

Frische Hände fürs Brot: Vietnamesische Fachkräfte lernen in Heidenheimer Backstuben

Drei junge Frauen aus Vietnam stärken Heidenheimer Bäckereien. Körnlesbeck und Gnaier begegnen dem Fachkräftemangel mit internationaler Unterstützung. Was sie dazu bewogen hat, diesen Schritt zu gehen:

Während die ganze Stadt noch schläft, beginnt in den Backstuben Heidenheims bereits der Arbeitstag, getragen von einem Team, das so vielfältig ist wie später die Backwaren in der Auslage. Hinter den Theken der Heidenheimer Bäckereien Körnlesbeck und Gnaier gibt es seit geraumer Zeit tatkräftige Unterstützung aus Vietnam.

Die 22-jährige Auszubildende Chu-Thi-Minh Hang aus Vietnam lernt seit zwei Jahren in der Backstube des Körnlesbeck. „Da wir seit Jahren keine Lehrlinge und selten Praktikanten finden, ist Hang uns eine willkommene Hilfe“, erklärt Konditorin und Confiseurin Jeannette Mangold. Hang sei über ein Visum, welches extra auf ihre dreijährige Ausbildung beim Körnlesbeck zugeschnitten ist, nach Deutschland gekommen. Vermittelt wurde die Zusammenarbeit über das Goethe-Institut in Vietnam, in welchem Hang zuvor bereits Deutsch gelernt hat.

Hang lebt in Heidenheim in einer Wohngemeinschaft, von welcher sie sich jeden Montag, Mittwoch und Freitag um 4.30 Uhr zu Fuß oder mit dem Fahrrad auf den Weg zur Arbeit in der Griegstraße macht. Dienstags und donnerstags ist sie in ganztägig in Schwäbisch Gmünd in der Berufsschule.

Eine besondere Weihnachtskreation

„Ich liebe Deutschland, in Deutschland gibt es gute Schulen und Kollegen“, erklärt Hang. Motiviert nach Deutschland zu kommen wurde sie von ihrem Vater, der begeisterter Fan vom FC Bayern München ist, und von ihrer reiselustigen Mutter. Hang selbst ist unter anderem schon in die Schweiz gereist, um dort die Berglandschaft zu entdecken. Sie hofft, dass ihre Eltern sie eines Tages auch in Deutschland besuchen können, jedoch sind die Flüge von Vietnam nach Deutschland sehr teuer.

„Ich mag es, Linzerschnitten zu machen“, gibt Hang lachend einen Einblick in ihre Lieblingstätigkeit in der Backstube. „Die kann Hang mittlerweile von A bis Z alleine“, ergänzt ihre Kollegin Jeannette Mangold stolz.  Zusammen haben die beiden mit geschickten Händen in der Backstube des Körnlesbeck passend zur Weihnachtszeit, ein „Lebkuchenhaus im Zuckerwald“ zum Leben erweckt.  Über Weihnachten geht es für Hang auf eine neue Entdeckungstour. Mit einer Freundin reist sie nach Freiburg, um dort die Festtage zu verbringen.

Auch Gnaier vereint Nationen miteinander

Ebenfalls aus Vietnam kommen die 19 und 20 Jahre alten Auszubildenden Phan Thi Men genannt Mia und Dang Thi Tho alias Lucie, die seit letztem Winter das Team rund um Paul Gnaier unterstützen. Die beiden kommen ursprünglich aus der nordvietnamesischen Provinz Nghe An und haben sich in der Sprachschule der Hauptstadt ihres Heimatlandes Hanoi kennengelernt. Dort haben sie gemerkt, dass sie über ihr Interesse an der deutschen Sprache hinaus auch die Liebe zum Reisen verbindet und sich entschieden, gemeinsam in Deutschland eine Ausbildung zur Bäckereifachverkäuferin anzutreten.

Durch den Mix in der dualen Ausbildung bei Gnaier können Lucie und Mia nicht nur den theoretischen Unterricht besuchen, sondern auch alle anfallenden Aufgaben an ihrem späteren Arbeitsplatz meistern.  „Dort arbeite ich im Verkauf, mache Frühstück oder ich räume die Backwaren ein“, beschreibt Lucie ihren Arbeitstag in der Bäckerei.

Die jungen Frauen wünschen sich eine Zukunft in Deutschland

Für die Gnaier-Lehrlinge ist klar: Sie wollen, wenn sie 2027 ihre Ausbildung abgeschlossen haben werden, weiter in Deutschland bleiben. „Ich liebe Deutschland. Und meine Kolleginnen und Kollegen sind sehr nett, und ich liebe das Reisen“, resümiert Mia, welche ebenso die Chancen und Möglichkeiten schätzt, die ihr fernab von ihrer Heimat geboten werden.

Trotz aller Umstellungen, welche ein Umzug auf die andere Seite der Erdkugel mit sich bringt, haben sich beide junge Frauen schnell mit den zunächst unbekannten Backwaren angefreundet, sodass die salzige Brezel und der luftige Schlosswecken mittlerweile zu ihren Leibspeisen gehören. Gegen das immer mal wieder aufkommende Heimweh helfen den Mädchen tägliche Telefonate mit ihren Liebsten in der Heimat.

Und obwohl Lucie und Mia die ersten beiden vietnamesischen Auszubildenden in Paul Gnaiers Bäckerei sind, werden sie bei weitem nicht die letzten sein. Die beiden mutigen Mädchen dienen als Vorbild für weitere sieben Arbeitskräfte aus Vietnam.

Mit Unterstützung aus dem Ausland

Bäckereien im Landkreis Heidenheim greifen verstärkt auf Unterstützung aus dem Ausland zurück, bestätigt auch die Handwerkskammer in Ulm. Derzeit gebe es im Landkreis Heidenheim zehn Auszubildende im Bäckerhandwerk. Davon kommen zwei aus Aserbaidschan, fünf aus Vietnam und drei haben die deutsche Staatsbürgerschaft. Zusätzlich gibt es laut Handwerkskammer im Landkreis zwölf Azubis im Bereich Fachverkäuferin im Lebensmittelhandwerk/Bäckerei. Von diesen haben fünf die deutsche Staatsangehörigkeit, eine kommt aus der Ukraine und sechs aus Vietnam.

Freie Lehrstellen bei Bäckereien seien derzeit im Landkreis Heidenheim keine gemeldet, so Nina Kreke von der Handwerkskammer. Daraus könne man jedoch nicht schließen, dass es keine freien Stellen gebe: „Leider nutzen nicht alle Betriebe die Lehrstellenbörse der Handwerkskammer Ulm“, sagt die Pressesprecherin.