Leitartikel Klartext

Falsche Themen, schlechte Noten

In der Bundespolitik ebenso wie im Lokalen: Die Themen, die am meisten polarisieren, sind nicht immer die tatsächlich wichtigen, meint HZ-Redaktionsleiterin Silja Kummer.

Wenn man in der Schule im Aufsatz mit hohem Einsatz und vielleicht sogar einwandfreier Grammatik über etwas anderes geschrieben hat, als in der Aufgabenstellung verlangt war, gab es dafür eine schlechte Note mit der Anmerkung „Thema verfehlt“. In dieser Woche wäre diese Bewertung an verschiedenen Stellen angebracht gewesen.

Eine Sechs bekommt Bundeskanzler Friedrich Merz für seine Vorstellungen vom Stadtbild, die implizieren, man könne aus dem Aussehen von Menschen darauf schließen, welche Nationalität, welchen Pass und damit auch welchen Wert sie für unsere Gesellschaft haben. Das ist auf so vielen Ebenen falsch und gefährlich, dass man sich nicht nur als Tochter, sondern vor allem als Mensch davon distanzieren möchte.

Auch nicht im Einserbereich landen die Windkraftgegner, die gegen die geplanten Anlagen im Dettinger Teichhau protestieren. Protest ist in einer demokratischen Gesellschaft vollkommen legitim. Man darf auch gegen etwas protestieren, das gesetzeskonform ist und das man mit legalen Mitteln gar nicht verhindern kann.

Aber man sollte trotzdem den Anstand wahren und die Spielregeln einhalten. Dazu gehört auch, dass man Sitzungen eines Gremiums nicht mit Zwischenrufen stört und politische Vertreter in einem Ortschafts- oder Gemeinderat ebenso wenig wie Mitarbeitende der Verwaltung persönlich bedrängt. Denn diese machen entweder ihren Job oder haben eine persönliche Haltung zum Thema, die genauso legitim ist wie die der Windkraftgegner. Ohne gegenseitigen Respekt geht es nicht, selbstverständlich auf beiden Seiten.

Manche Themen, die viel mehr Aufmerksamkeit benötigen würden, rücken angesichts des Radaus an falscher Stelle oft in den Hintergrund. Da wäre beispielsweise der Skandal, dass Kliniken komplett unterfinanziert sind, sodass sich die Verantwortlichen darüber Gedanken machen müssen, wie sie Geld einsparen können und nicht darüber, wie sie kranke Menschen optimal versorgen. Oder die Tatsache, dass Pflegeheime einen immer höheren Eigenanteil verlangen müssen, den Betroffene nicht mehr bezahlen können. Dann gehen nicht nur die Ersparnisse fürs Pflegeheim drauf, sondern der Staat muss an anderer Stelle mit Sozialhilfe für die Kosten aufkommen. Hier würde man sich mehr Protest wünschen, sogar lautstarken. Aber wer ins Krankenhaus oder ins Pflegeheim muss, bemalt keine Schilder.