Zwei Jahre Angriff auf die Ukraine

Hunderte setzten in Heidenheim ein Zeichen für Demokratie und gegen Krieg

Mehrere hundert Menschen versammelten sich am Samstagnachmittag vor der Heidenheimer Stadtbibliothek, um am Jahrestag des Beginns des russischen Krieges gegen die Ukraine zu gedenken.

Organisiert wurde die Kundgebung vom Verein „Heidenheim für Ukraine“. Als Redner hatte man Oberbürgermeister Michael Salomo, den CDU-Bundestagsabgeordneten Roderich Kiesewetter, den SPD-Landtagsabgeordneten Andreas Stoch, Landrat Peter Polta sowie den Dekan des evangelischen Kirchenbezirks, Gerd Häußler, eingeladen.

Heidenheims OB Michael Salomo erinnerte daran, dass die Ukrainerinnen und Ukrainer für ihre Demokratie und ihre Selbstbestimmung kämpften. Die Stadt Heidenheim habe 200 aus der Ukraine geflüchteten Menschen Obdach gewährt, sagte Salomo. Insgesamt lebten in der Stadt 700 Geflüchtete. Der Oberbürgermeister wies zudem darauf hin, dass auch in Deutschland momentan für die Demokratie gekämpft werden müsse, „denn Demokratie ist nicht selbstverständlich“.

„So geht es nicht weiter“

Da Roderich Kiesewetter zum Zeitpunkt der Kundgebung an einer Gedenkveranstaltung in Berlin teilnahm, hatte er den Veranstaltern eine Videobotschaft übermittelt. Der CDU-Politiker erinnerte daran, dass Putins Krieg gegen die Ukraine bereits vor zehn Jahren begonnen habe und vor zwei Jahren ausgeweitet worden sei. Deutschland sowie viele europäische Staaten hätten daran eine Mitschuld. 2015 - also nach der Besetzung der Krim und der Ostukraine - sei für ihn vor dem Hintergrund des Baus der Nord Stream 2-Gaspipeline der Moment erreicht gewesen zu sagen, „so geht es nicht weiter“. Wenn man wolle, dass die Ukraine leben könne, „muss man alles ändern“.

Dem Bundeskanzler warf Kiesewetter vor, das Existenzrecht der Ukraine zu verneinen. Putin betrachte den Krieg gegen die Ukraine nur als Zwischenschritt „nach Moldau, in die baltischen Staaten, nach Berlin“. Er verwies darauf, dass es Länder gebe, die die Ukraine - gemessen am Bruttosozialprodukt - wesentlich stärker unterstützten, als es Deutschland tue. Friedrich Nietzsches zitierend verglich er die Ukraine mit einer Flamme, die sich selbst verzehre, „und wir nähren sie nicht genug“. Auch der Westen werde seinen Frieden und seine Freiheit verlieren, „wenn wir die Ukraine scheitern lassen“.

Auf Schautafeln beschrieben Ukrainnerinnen und Ukrainer ihre Erlebnisse während des Krieges und der Flucht aus ihrem Land. René Rosin

Seit zwei Jahren sei der 24. Februar für ihn ein Tag, „der nie wieder ein normaler Tag sein wird“, sagte der SPD-Landtagsabgeordnete Andreas Stoch. Er erinnerte an die Kundgebung 2022 vor dem Heidenheimer Rathaus und seine dort geäußerte Befürchtung, dass die Solidarität mit der Ukraine „viele Monate, vielleicht sogar Jahre“ notwendig sein werde, dies sei nun Gewissheit. „Wir müssen an der Seite der Ukraine stehen, um die Demokratie in Europa zu verteidigen“, so Stoch.

„Wir hatten vor zwei Jahren die Hoffnung, dass das schnell vorbeigehen möge. Das ist aber leider nicht passiert“, sagte Landrat Peter Polta. In den vergangenen zwei Jahren seien über 2200 Menschen aus der Ukraine in den Landkreis Heidenheim geflüchtet, „es war eine große Aufgabe, das zu meistern“. Der Landrat dankte dem Verein „Heidenheim für Ukraine“ und den Städten und Gemeinden des Landkreises für die Solidarität mit der Ukraine und deren Menschen.

"Der Kampf der Ukraine ist ein Ringen gegen die Strukturen des Bösen, die die Freiheit bedrohen.“

Gerd Häußler, Dekan

Man feiere heute „ein trauriges Jubiläum“, so der Dekan des evangelischen Kirchenbezirks, Gerd Häußler. Russlands Krieg habe auch in Deutschland viel verändert, „Verteidigung, Rüstungsproduktion und Wehrbereitschaft sind zu wichtigen Themen geworden“. Er, der er zu einer Generation gehöre, die mit der Friedensbewegung groß geworden sei, habe sich das nicht vorstellen können. „Aber es hat sich etwas geändert, nicht nur in der Ukraine. Das ist bitter. Aber es ist wohl doch notwendig. Das sage ich als Pfarrer und als glaubender Mensch“, so Häußler. Der Kampf der Ukraine sei ein „Ringen gegen die Strukturen des Bösen, die die Freiheit bedrohen“.

Nach Angaben von Jasmin Glänzel-Seibold, der Vorsitzenden des Vereines „Heidenheim für Ukraine“, habe man in den vergangenen zwei Jahren mehr als 310 Tonnen Hilfsgüter in die Ukraine geliefert, darunter Medizintechnik, Krankenhausbedarf, Stromgeneratoren und Öfen. Zudem seien vier Rettungswagen, vier Transporter und zwölf Pkw in die Ukraine überführt worden. Zu bereits vier gelieferten Feuerwehrfahrzeugen kommen demnächst zwei weitere hinzu.

Geschichten vom Leben und Überleben

Mindestens genauso eindrücklich und bewegend wie die mahnenden Worte der Redner war wohl auch die auf dem Platz vor der Stadtbibliothek aufgebaute Installation. An mehreren Stationen waren Gegenstände ausgestellt, die symbolisch auf das Leid aufmerksam machten, welches mit dem russischen Überfall einherging und geht. Auf Schautafeln berichteten Menschen von ihren Erlebnissen im Krieg und der Flucht vor ihm.

Zu sehen war beispielsweise ein Plüschtier, mit dem ein kleines Mädchen flüchtete. Und das  - traumatisiert von Explosionsgeräuschen - immer noch glaubt, bei großem Lärm wieder fliehen zu müssen. Zwei getrocknete Fische erzählten die Geschichte einer Familie, die sich in ihrem Keller versteckte und von den letzten Vorräten, die der dreiköpfigen Familie noch verblieben waren. Eine Frau berichtete davon, wie ihr Mantel sie und ihr Kind auf der Flucht mehrfach vor der Kälte schützte.

Oder die Geschichte der Topfpflanze, die in einer verlassenen Wohnung stand. Als die Besitzerin nach Monaten zurückkehrte, um die Wohnung gänzlich zu räumen, hatte die Pflanze neue Blätter bekommen. Eine Flasche Cola stand für die Erlebnisse einer Frau, die in den ersten Tagen des Krieges keine Nahrung bei sich behalten konnte. Wenn sie etwas aß, erbrach sie sich, von Wasser wurde sie krank. Das einzige, was sie in dieser Zeit am Leben hielt und sie mit Flüssigkeit und Energie versorgte, war Cola. Jetzt - zwei Jahre später - erinnere Cola sie immer noch an diese Zeit.

Spenden immer noch dringend benötigt

Der Verein „Heidenheim für Ukraine“ bittet nach wie vor um Geld- und Sachspenden. Neben Kleidung und haltbaren Lebensmitteln werden auch Hygieneprodukte, Medikamente und medizinisches Gerät benötigt. Auch technische Geräte aller Art sind gern gesehen. Genauere Informationen sowie die Kontonummern der Spendenkonten findet man auf www.heidenheim-fuer-ukraine.de/jetzt-helfen. Zudem sucht der Verein auch immer noch Helfer und Fahrzeuge zum Transport der Spenden.

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