Leserbrief

Die Werte der katholischen Kirche sind mit dem Grundgesetz nicht vereinbar

Leserbrief zur Papstwahl und dem Umgang der katholischen Kirche mit Kritik.

Ein neuer Papst wurde gewählt: Er steht 1,4 Milliarden Gläubigen vor, mit wachsenden Zahlen in Afrika und Asien. In Deutschland sinkt die Zahl der Kirchenmitglieder, die Kritik an der Kirche wächst.

Missbrauchsfälle und ihre Vertuschungen verunsicherten die Gläubigen in den letzten Jahren. Über diese kriminellen Handlungen und ihre Aufarbeitung geriet ein ganz anderes zentrales Merkmal des Katholizismus aus dem Blickfeld: die seit Jahrtausenden bestehende Ungleichbehandlung von Mann und Frau und damit die Diskriminierung der Frauen! Das Thema findet kaum noch Eingang in die mediale Berichterstattung, es ist selbstverständliche Gewohnheit geworden.

Die patriarchalischen Strukturen der katholischen Kirche sind aber nicht gottgegeben. In unserem Grundgesetz steht:

Art 3(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich

Art 3(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt

Das heißt im Klartext: Die Werte der katholischen Kirche sind mit dem Grundgesetz nicht vereinbar! Nur die katholische Kirche braucht bei Stellenanzeigen nicht zu schreiben m/w/d, für alle anderen Wirtschaftsunternehmen ein No-Go, mit hohen Bußgeldern. Warum bekommt die katholische Kirche hier Sonderrechte, verbunden mit staatlichen Zuschüssen?

Die HZ schreibt in der Ausgabe vom 9. Mai, der neue Papst lehne die Weihe von Frauen für kirchliche Ämter ab. Er warnte bei der Weltsynode 2023 vor der „Klerikalisierung von Frauen“, das sei keine Lösung, sondern womöglich ein neuer Problemherd. Frauen hätten bereits vielfältige Rollen in der katholischen Kirche.

Das kann tatsächlich ein Problem werden, wenn man Frauen als gleichwertige Menschen begreift, Hilfsdienste zugunsten eines Priesteramtes aufgegeben werden und sich alle Aufgaben auf beide Geschlechter verteilen. Sollen Frauen immer beschränkt denkend die untergeordneten Stellungen wahrnehmen, die kleinen Leos bleiben? Der patriarchalische männliche Klerus fordert das an höchster Stelle!

Alle Versuche der Basis hier Veränderungen einzuleiten, scheiterten an den totalitären Machtstrukturen der katholischen Kirche. Der obere Klerus rekrutiert sich aus den Kardinälen, die nur die hochkommen lassen, die ihre Privilegien schützen und die konservativen Ansichten teilen. Kein totalitäres Regime weder in Russland noch in China macht es anders, die USA sind zurzeit leider auf einem ähnlichen Weg. Die Berufung auf Gott beim fragwürdigen Weltbild der katholischen Kirche ist eher Kosmetik zur Machtsicherung: Gott könnte auch anders! Vor Gott sind alle Menschen gleich, das ist die zentrale Aussage der biblischen Botschaft.

Der AfD wird heute zu Recht vorgeworfen, dass sie mit ihren rassistischen Äußerungen die Demokratie in Deutschland gefährdet. Es wird diskutiert, ob diese Partei verboten wird, ob Spenden nicht mehr absetzbar sind, ob staatliche Mittel zur Parteienfinanzierung gestrichen werden. Warum verfährt man mit der katholischen Kirche, solange sie mit zentralen und praktizierten Aussagen das Grundgesetz verletzt, nicht in gleicher Weise?

Das Argument, dass diese Kirche in vielen karitativen und seelsorgerischen Bereichen Hervorragendes leistet, ist unbestritten. Es rechtfertigt aber nicht die grundsätzliche Orientierung, die hat sich am Grundgesetz mit der Gleichstellung von Mann und Frau zu orientieren. Eine Kirche, die anders denkt, ist nur ohne staatliche Mittel, sich ausschließlich aus den Spenden ihrer Mitglieder finanzierend vorstellbar.

Jeder sollte kritisch prüfen, welche Ideologie er mit seiner Stimme und seinem Geld unterstützen will. Christsein ist in vielfältiger Weise möglich. Christsein heißt auch immer wieder neu aufbrechen und neu anfangen, das Licht dort suchen, wo Menschen sich gleichwertig in Liebe begegnen können.

Birgit Schötzau-Schock, Heidenheim

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