Brenzpark-Open-Air

Wie das „Pop und Poesie“-Konzert im Heidenheimer Brenzpark die Zuhörer bestäblich von den Sitzen riss

Begeisternder Auftakt mit „Pop und Poesie“: Die von einem SWR1-Ensemble gezeigte Mischung aus erstklassiger Musik und in Szene gesetzten Texten zog auch im Brenzpark in Heidenheim.

„Früher oder später stehen sie“, behauptete Jochen Stöckle am Freitagabend im Brenzpark. Er muss es wissen, er kennt seine Heidenheimer, er ist ja hier aufgewachsen. Und der SWR-Moderator sollte Recht behalten: Am Ende des Konzerts „Pop und Poesie“ hielt es kaum noch jemand auf den Sitzen und der Freude über die Mischung aus erstklassiger Musik und ebenso erstklassiger Übersetzung der englischen Texte wurde freier Lauf gelassen.

Zuvor wurde diese Freude im Publikum eher innerlich ausgelebt. Da wurde genossen, ohne zu sehr aus sich herauszugehen, aber die Begeisterung über das Gehörte war deutlich spürbar, zuweilen sogar durch Mitsingen und Mittanzen erlebbar. „The Power of Love“ ist das Motto der aktuellen Staffel der beliebten Konzertreihe, die inzwischen schon seit 17 Jahren erfolgreich beileibe nicht nur durch das Ländle tourt. Zum ersten Mal nun also in Heidenheim, und das zur Eröffnung des Brenzpark-Festivals, das Siggi Schwarz in diesem Jahr wieder auf die Beine gestellt hat. Rund 1200 Zuhörer ließen sich das nicht entgehen.

Poetisch, berührend, cool

Sie erlebten eine äußerst vielseitige Auswahl an Liedern rund um die Kraft der Liebe, angefangen von Huey Lewis‘ „The Power of Love“ bis hin zu Holly Johnsons gleichnamigen Song, durchweg von starken Stimmen und großartiger Band interpretiert, teilweise völlig neu arrangiert, sodass die Lieder beim ersten Hinhören ganz neu die Lust am Entdecken entfachten. Diese Lust wurde auch durch die immer wieder so beeindruckenden Text-Übersetzungen geweckt – Jochen Stöckle hatte die bekannten englischen Texte in sehr lebendiges Deutsch transformiert und ihnen so ebenfalls ganz neues Leben eingehaucht.

Das Ensemble des SWR schaffte es immer wieder, unerwartete Kombinationen von Text und Musik einzubringen. Markus Brandhuber

Allein schon das Miträtseln, welche Songs denn wohl hinter den Übersetzungen stehen, die kraftvoll und leidenschaftlich gesprochen und in Szene gesetzt werden, bereitete ausnahmslos Vergnügen. Kleine Kostprobe gefällig? Da wäre beispielsweise das sehr poetische „Sie hat Augen wie das blaueste Blau des Himmels“ bei „Sweet child o’mine“ oder das mit der nötigen Coolness präsentierte „Heute ist der Tag, an dem sie es Dir heimzahlen“ von „Wonderwall“ oder das berührend in die Tiefe gehende „Ich sehe Dein wahres Ich durchschimmern“ bei „True Colors“.

Damit nicht genug: Auch die Übersetzungen waren mit Musik unterlegt, die herrlich in die Irre führte. So erklang beispielsweise die Schicksalsmelodie von „Love Story“ leise tröpfelnd im Hintergrund der Deutsch-Version des Textes von „I was made for loving you“. Oder es schlichen die „Riders of the storm“ unter der Textzeile „Wenn sich die Wahrheit als Lüge rausstellt“  von „Somebody to love“ von Jefferson Airplane durch – ein besonders schöner Einfall, weil man ja weiß, dass Sängerin Grace Slick zeitweise Jim Morrison als ihren „Somebody to love“ auserkoren hatte.

Trockener Witz, trockenes Wetter

Allein die genannten Lieder zeigen schon, wie abwechslungsreich das Programm gestaltet war, und dabei doch immer ganz nah am Publikumsgeschmack ausgerichtet. „Imagine“ und „Give peace a chance“ inspirierten die Zuhörer ganz besonders zum Mitsingen, vor allem weil dies auch resolut von den Akteuren auf der Bühne angefordert wurde. Und zu John Lennons legendären Worten könnte noch dies angefügt werden: Imagine, dass die Wetterprognosen gar nicht eintreten. Dem trockenen Witz von Jochen Stöckle passte sich auch das Wetter an und blieb regenfrei, der heiße Sound auf der Bühne steckte nicht nur das Publikum, sondern auch die Temperaturen an, die dann zwar nicht für eine laue Sommernacht, aber eben auch nicht für ausgesprochene Kälte sorgten. Eine Kälte, die Jochen Stöckle noch gut als „immer zwei Kittel kälter“ in Erinnerung hat – überhaupt genoss er ganz offensichtlich den Auftritt „dahoim in Hoirna“.

Moderator Jochen Stöckle, der ursprünglich aus Heidenheim stammt, führte gekonnt durch den Abend. Markus Brandhuber

Und das Publikum genoss die Kraft der Liebe in allen musikalischen und textlichen Variationen. Warum überhaupt das Thema Liebe? „Es ist so viel Hass in der Welt, und Kriege hier und Krisen da, da wollten wir etwas entgegensetzen“, erläuterte Jochen Stöckle die Gründe für die Wahl. „Algorithmen verstärken nicht die Liebe, sondern nur Hass und Hetze“ untermauerte er sein Plädoyer für mehr Liebe, denn „miteinander ist alles, was wir haben“. Große Worte, große Ideale, deren Umsetzung vielleicht zuweilen im kleinen Alltag scheitert. Dann bleibt aber immer noch als Alternative das Tanzen, denn auch dabei lässt sich viel positive Energie empfinden und entfachen. Auch in der Heidenheimer Variante des Stehens und Mitwippens.