In den finalen Wochen vor Beginn der Sommerspielzeit, bevor im Naturtheater Heidenheim die Premieren über die Bühne gehen, herrscht in der hauseigenen Schneiderei in der Regel einer von zwei Gemütszuständen. Zwischen „Wir sind gut auf Kurs!“ und „Es könnte nicht schlimmer sein!“ ist die Spannweite der Emotionen recht groß. Dieses Jahr womöglich sogar ein bisschen mehr als sonst, denn das Kinderstück „Alice im Wunderland“ soll nicht zuletzt, aber insbesondere durch seine Kostüme glänzen.
Wie Alice, Hutmacher, Märzhase, Grinsekatze und Co. am Ende aussehen werden, hat sich Max Barth überlegt. Er ist beim Kinderstück für das Kostümkonzept verantwortlich und hat die entsprechenden Entwürfe angefertigt. Diese in die Realität zu überführen, ist die Aufgabe von Stefanie Antoniuk und Juliane Fache. Die beiden arbeiten in der Schneiderei des Naturtheaters, in der insgesamt zwei Angestellte, drei Minijobber und diverse freiwillige Helferinnen und Helfer dafür sorgen, dass die Ensembles pünktlich zu den Premieren angemessen gekleidet sind.

„Juliane kümmert sich um ‚Die drei Musketiere‘, ich um ‚Alice im Wunderland‘“, erklärt Stefanie Antoniuk. „Aber wir tüfteln immer mal wieder gemeinsam an Kostümen. Das sind nämlich keine Nullachtfünfzehn-Schnitte.“
Da gibt es etwa die Rolle der Keksdose, deren Darsteller buchstäblich aus einer Dose entspringt und dabei in einem Bett aus Keksen – die einst aufgeschnittene Schwimmnudel waren – sitzt. Oder etwa die beiden Diener der Herzkönigin und der Herzogin. Auf der Freilichtbühne werden sie von einem einzelnen Darsteller verkörpert, dessen Kostüm entsprechend in der Mitte geteilt ist – allesamt aufwendig produzierte Gewänder.
Nachhaltigkeit bei Kostümen im Naturtheater Heidenheim
„Primär sind es natürlich die Hauptfiguren, die komplett neue Kostüme bekommen“, erzählt Juliane Fache. Beim Volk wird versucht, im Sinne der Nachhaltigkeit möglichst oft auf den Fundus des Naturtheaters zurückzugreifen. „Wir schauen, dass wir dafür nicht unbedingt neue Stoffe kaufen müssen, schließlich wollen wir Ressourcen sparen.“ Was jedoch nicht bedeutet, dass für jede der kleineren Rollen ein einfacher Griff in den Kostümfundus reicht. Denn bei fast 200 Menschen im Ensemble, bei denen am Ende sogar jeder Schuh einzeln abgesegnet wird, gibt es selbstverständlich nicht immer eine Einheitslösung.
Wir schauen, dass wir dafür nicht unbedingt neue Stoffe kaufen müssen, schließlich wollen wir Ressourcen sparen
Juliane Fache, Schneiderin im Naturtheater
Dazu kommt, dass sich idealerweise ein gewisser roter Faden durch die Bühnenbekleidung eines Stücks zieht. Im Fall von „Alice“ ist dieser Faden buchstäblich ein lilaner: Flieder, Violett und Pink sind die Grundfarben des Ensembles. Eine „bewusste Reizüberflutung“ strebt das Stück an, viel Input für Auge und Hirn, aber gleichzeitig mit dem Anspruch, ein gewisses Maß an Harmonie einzubringen.

Wie der Wunderland-Vibe sein soll, ist also klar. Das Ganze umzusetzen, stellt die Schneiderei wie jedes Jahr vor Herausforderungen. „Wir beginnen im Januar mit unserer Arbeit, die heiße Phase beginnt dann Ende Mai“, sagt Antoniuk. Unter der Woche ist das Team jeden Tag in der Schneiderei zugange, seit Februar zudem jeden Samstag, dazu kommen die regelmäßigen abendlichen Durchlaufproben. Diese seien nicht zuletzt für das Kostümbild elementar, denn oftmals lasse sich erst auf der Bühne, während einer Szene erkennen, ob ein Outfit so wirke und funktioniere wie gewünscht.
Spätestens ab diesem Punkt setzt das eingangs erwähnte Wechselbad der Gefühle ein. Doch Fache zeigt sich zuversichtlich: „Bislang haben wir noch immer alles bis zur Premiere geschafft.“
Arbeit nach Ende der Spielzeit nicht zu Ende
Der Löwenteil der Arbeit in der Schneiderei fällt naturgemäß vor den Premieren an. Bis zum Ende der Sommerspielzeit wird nur selten an einzelnen Kostümen nachjustiert, die Arbeit der Schneiderei beschränkt sich hier eher auf Reparaturen.
Nach Ende der Spielzeit kann die Schneiderei allerdings keinesfalls die Füße hochlegen. „Im Anschluss sind wir wochenlang damit beschäftigt, die vielen Hundert Kostüme zu waschen, zu bügeln und im Fundus einzusortieren“, berichtet Stefanie Antoniuk.
„Alice im Wunderland“ feiert Premiere am Sonntag, 22. Juni, ab 15 Uhr. „Die drei Musketiere“ gibt es ab Freitag, 27. Juni, ab 20.30 Uhr auf der Freilichtbühne zu sehen. Karten sind unter anderem im Pressehaus in Heidenheim sowie unter hz-ticketshop.de erhältlich.