Leitartikel Klartext

Bei der Brenzbahn wie bei Voith: Veränderungen brauchen Zeit

Der Ausbau der Brenzbahn ist jetzt beschlossene Sache, wird aber noch lange dauern. Schneller soll es beim Heidenheimer Unternehmen Voith gehen. Doch auch dort muss man ein wenig Zeit einplanen, meint HZ-Redaktionsleiterin Silja Kummer.

Gut Ding will Weile haben: Dieses Sprichwort ist nicht nur sprachlich antiquiert, sondern entspricht auch nicht mehr dem Zeitgeist. In der Wirtschaft dominieren Konzepte wie Agilität und Effizienz, alles verändert sich ständig und muss schnell gehen. Was heute beschlossen wird, kann morgen schon wieder überholt sein. Globalisierung, Internet und Künstliche Intelligenz (KI) tragen zur ständigen Beschleunigung des Lebens bei.

So wirklich „zeitgeisty“, wie der Engländer sagt, ist das Brenzbahn-Projekt also nicht. Mit der Vertragsunterzeichnung diese Woche wurde zwar ein Meilenstein für den Ausbau erreicht, aber die Planungsphase wird so lang sein, dass eine Verbesserung der Verkehrssituation noch in weiter Ferne liegt. Aber sollte man deshalb die Bemühungen einstellen, weil es lange dauern wird? Auf keinen Fall.

Parallelen dazu könnte man bei Voith finden. Der größte Arbeitgeber in Heidenheim ist nicht profitabel genug, anstehende Veränderungen schlagen jetzt schon Wellen, obwohl Genaueres noch nicht bekannt ist. Die Ausgründung der Getriebe-Sparte von Voith Turbo, die jetzt unter dem Namen Driventic firmiert, könnte beispielhaft dafür sein, dass sich der Konzern von Bereichen trennt, die unter dem großen Voith-Dach nicht (mehr) funktionieren.

Verständlich, dass dies vielen Menschen, die bei Voith arbeiten, Sorgen bereitet. Und die Ausrufung von angeblich neuen Werten, an denen sich das Unternehmen orientiert, wird daran nicht viel ändern. Zumal man sich nach einem sicherlich sehr aufwendigen Prozess auf Allgemeinplätze wie Teamarbeit, Eigenverantwortung, Respekt und Kundenorientierung geeinigt hat. Welches Unternehmen würde diese ablehnen?

Gewiss ist es notwendig, den Voith-Konzern zu reformieren. Im vergangenen Geschäftsjahr 2023/24 stand in der Bilanz ein Verlust von 247 Millionen Euro. Damit sich die Zahlen ändern, muss man sich auf eine neue Arbeitswelt einstellen, die mit der des Schlossers Voith kaum mehr etwas zu tun hat. Aber: Veränderungen müssen sich auch etablieren können und es dauert immer einige Zeit, bis die Mitarbeiter diese verinnerlicht haben. Gärtner kennen den Spruch, dass das Gras nicht schneller wächst, wenn man daran zieht. Das ist eine Wahrheit, an der auch der Zeitgeist nichts ändern wird.