Druckgrafiken und Reliefs von Rolf Nesch (1893 – 1975) stehen im Mittelpunkt einer Ausstellung des Kunstmuseums Stuttgart. Etliche Jahre seiner Kindheit und Schulzeit hat der Maler und Grafiker in Heidenheim verbracht und hier wohl auch eine Lehre zum Dekorationsmaler aufgenommen. Für Roland Riegger, den früheren Kultur- und Sozialbürgermeister der Stadt Heidenheim, waren dies „prägende Jahre“ für den später international beachteten Künstler gewesen.
Ende der 1980er Jahre war Riegger den Spuren Neschs in Heidenheim nachgegangen. In einem Aufsatz für das Jahrbuch 1987/88 des Heidenheimer Heimat- und Altertumsvereins hat er seine Erkenntnisse zusammengefasst. Für Riegger steht fest, dass Nesch auch nach seinem Wegzug eine geistige Verbindung zu Heidenheim bewahrt hatte. So datiert sein Gemälde von Schloss Hellenstein auf das Jahr 1925.

In seiner Form- und Farbsprache zeigt es eine Nähe zum Maler Ernst Ludwig Kirchner, den Nesch kurz zuvor für einen Studienaufenthalt in Davos besucht hatte. 1987 Jahre war dieses Gemälde von der Stuttgarter Galerie Valentien für 120.000 Mark zum Kauf angeboten worden.
Rolf Neschs technische Innovationen
Ein weiteres Werk von Nesch mit Heidenheimer Bezug zeigt Prof. Eugen Gaus, seinen damaligen Lieblingslehrer. Die Arbeit an der Radierung „Steinerne Jungfrauen“ (1925) führte Nesch sogar per Zufall zu einer Erfindung, die ihn bekannt und berühmt machen sollte. Nesch hatte eine Druckplatte zu lange im Säurebad gelassen, sodass sich Löcher gebildet hatten. Anstatt die Platte zu entsorgen, wagte er dennoch den Druck. Mit einem überraschenden Ergebnis. Das Papier hatte sich durch die Schadstellen geschoben mit dem Effekt einer reliefartigen Erhöhung. Mit der plastischen Wirkung einher ging eine noch höhere Leuchtkraft. Diesen Effekt verstärkte Nesch später, indem er extra Metallplättchen auf der Druckplatte fixierte, sodass am Ende dreidimensionale Materialbilder entstanden. Nesch gilt heute als einer der bedeutendsten Erneuerer der modernen Druckgrafik.
Dem aufkommenden Nationalsozialismus hatte sich Nesch durch eine Umsiedlung nach Norwegen entzogen. Oslo wurde die zweite Heimat des gebürtigen Oberesslingers. Seine Migrationserfahrung bildet auch den Ansatzpunk der Ausstellung in Stuttgart mit dem Titel „Prägungen und Entfaltungen“. Arbeiten von Nesch werden zusammen gezeigt mit Werken der zeitgenössischen Künstler und Künstlerinnen Nadira Husain (1980) und Ahmed Umar (1988), die ebenfalls Migrationserfahrungen in ihre Bildsprache einfließen lassen.
Ausstellung in Stuttgart: Ein Blick auf Neschs Vermächtnis
Die Ausstellung in Stuttgart läuft seit 9. November 2025 und ist bis 12. April 2026 zu sehen. Zwei Werke von Nesch in der Stuttgarter Ausstellung sind Leihgaben des Heidenheimer Kunstmuseums. Es handelt sich um das Materialbild „Einzug“ und die Radierung „Cafe Vaterland“ In seiner Wahlheimat Norwegen gilt Nesch als einer der wichtigsten Künstler.