Die Regale leeren sich. Notenhefte, Gitarrensaiten, Ersatzteile – die Stammkundschaft deckt sich ein mit allem, was Musikerinnen und Musiker noch brauchen, bevor es in Heidenheim keine Anlaufstelle mehr gibt. „Das ist aber sehr schade, dass Sie aufhören“, verabschiedet sich eine Kundin, die noch eine Instrumententasche kauft. „Ich wünsche Ihnen jedenfalls alles Gute.“ Ein letztes Händeschütteln, ein Lächeln zum Abschied.
Solche Begegnungen erlebt Rita Klein in diesen Tagen viele, seit sie die Schließung ihres Geschäfts vor zwei Wochen öffentlich gemacht hat. Der Grund: Mit fast 70 Jahren geht sie in den Ruhestand. Die Firma wird aufgelöst, das Gebäude verkauft. Wann genau der letzte Verkaufstag sein wird, ist noch offen. „Je nachdem, wie der Schlussverkauf läuft“, sagt sie.

Und er läuft gut. Besonders in den ersten Tagen sei der Laden regelrecht gestürmt worden. Gitarren, die einst einen ganzen Bereich füllten, gibt es nur noch vereinzelt. Die Cellos sind ausverkauft, von den Flöten sind nur noch Einzelstücke übrig. Fest steht: Am 27. August ist endgültig Schluss. „Wir müssen dann noch ausräumen, denn Ende August ist es vorbei“, sagt Rita Klein.
Ein Blick in die Geschichte des Musikhauses
Gegründet wurde das Musikhaus Klein 1923 im Flügel in Heidenheim. Später zog es an den Eugen-Jaekle-Platz, in den 1950er-Jahren schließlich an die Bergstraße 3 – in ein Viertel, das damals noch ein ganz anderes Gesicht hatte als heute. Das heutige Klein-Gebäude prägt das Bild rund ums „Scharfe Eck“. Errichtet wurde es 1973, als die alten Häuser in diesem Bereich abgebrochen wurden. Unter der Leitung von Rita Kleins Schwiegervater entstand das Eckhaus neu. Im Januar 1974 wurde der Neubau eröffnet.
Dass Rita Klein als junge Frau ins Geschäft kam, um eine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau zu machen, war im Rückblick eine glückliche Fügung. Denn dort lernte sie ihren späteren Mann Richard Klein kennen. Gemeinsam leiteten sie viele Jahre das Geschäft – das schon damals wie heute seinen besonderen Stil hatte. Denn neben Musikinstrumenten gehörten auch Radios, Fernseher, Rasierer, Haartrockner und Haushaltsgeräte der Firma Braun zum Sortiment. Eine Mischung, die es so kaum irgendwo sonst gab.
Wandel und Kontinuität im Musikhaus Klein
Im Jahr 2000 starb Richard Klein. Seitdem führt Rita Klein das Geschäft gemeinsam mit ihrem Sohn Detlev weiter. Während sie vor Ort mit den Mitarbeitenden den Laden betrieb, kümmert sich der Sohn um die Arbeit im Hintergrund. In dieser Zeit verlagerte sich der Schwerpunkt zunehmend auf Musikinstrumente, das Sortiment an Braun-Produkten wurde aufgegeben.

Seit 13 Jahren steht ihr Ingrid Knolmar zur Seite. Auch für sie endet mit der Schließung des Geschäfts ein Lebensabschnitt – sie wird sich künftig wieder verstärkt ihrer Tätigkeit als Lumara-Fachberaterin für Backformen widmen.
Rita Klein kennt sich mit Musikinstrumenten bestens aus. Sie weiß um die Besonderheiten einzelner Modelle, zieht Gitarrensaiten im Schlaf auf, stimmt Instrumente, spielt Akkorde an – auch wenn sie selbst nur die Melodika gelernt hat. Alles andere bringt die jahrzehntelange Berufserfahrung mit sich. Gerade deshalb geht mit dem Ende des Musikhauses Klein nicht nur ein traditionsreiches Geschäft, sondern auch ein Stück gelebte Fachkompetenz verloren. Rita Klein kennt Instrumente nicht nur aus dem Katalog oder aus dem Internet, sondern aus jahrzehntelanger Erfahrung im Kundenkontakt. Eine Lücke entsteht, die in Heidenheim kaum zu schließen sein wird.
Ungewisse Zukunft und offene Pläne
Was aus dem Gebäude an der Bergstraße wird, ist offen. Der neue Eigentümer hat noch keine Pläne bekannt gegeben.
Pläne für den Ruhestand? Hat Rita Klein bislang keine. Erst einmal wolle sie das Geschäft in Ruhe zu Ende bringen – das sei noch genug Arbeit. „Alles andere ergibt sich dann. Ich bin da völlig offen.“