Die Nachricht von einem mutmaßlichen Brandanschlag auf das Giengener Rathaus verbreitete sich heute vor genau zwei Jahren in Windeseile in der Stadt. Unbekannte Täter hatten zwei Fenster im Erdgeschoss eingeworfen, im Innern entdeckten Polizeibeamte Feuerwerkskörper. Zudem wurden vor dem Rathaus gehisste Flaggen der Ukraine und Israels gestohlen. Gänzlich aufgeklärt sind die Vorfälle bis heute nicht - und sie werden wohl zum Teil auch nicht aufgeklärt.
Wie die Staatsanwaltschaft Stuttgart mitteilt, wurden die Ermittlungen wegen Brandstiftung mittlerweile eingestellt, weil kein Täter ermittelt werden konnte. Hinsichtlich der entwendeten Flaggen wird dagegen weiter ermittelt. Hier gibt es offenbar zwar einen Verdächtigen, weil es sich bisherigen Berichten zufolge aber um einen Ausländer oder eine Person mit doppelter Staatsbürgerschaft handelt, müsse zur weiteren Verfolgung ein sogenanntes "Strafverlangen" der ausländischen Regierung vorliegen. Dies ist demnach nicht gegeben.
Die Tat wurde in der Nacht auf den 21. Oktober 2023 begangen, einem Samstag. Noch am gleichen Wochenende veröffentlichte Oberbürgermeister Dieter Henle eine Erklärung, wonach die Stadt Giengen „diesen Anschlag“ verurteilte. Der Verdacht, dass es sich nicht um bloßen Vandalismus handelte, lag nahe: Die Flaggen waren aus Solidarität zu den vom Krieg betroffenen Menschen in der Ukraine und im Gedenken an die Opfer des Terrorangriffs der Hamas auf Israel, zwei Wochen zuvor, angebracht worden. Womöglich waren auch die eingeschlagenen Fenster kein Zufall: Hinter diesen ist das städtische Ausländeramt angesiedelt. Dass es nicht zu einem größeren Feuer kam, war womöglich pures Glück. Der Sachschaden wurde mit 8000 bis 10.000 Euro beziffert.
Stuttgarter Staatsanwaltschaft ermittelt noch immer
Augenscheinlich nahm man seitens der Behörden rasch einen politischen Hintergrund an. Bereits am Tag nach der Tat bildete die Ulmer Kriminalpolizei eine Ermittlungsgruppe, an der auch die Abteilung Staatsschutz beteiligt war. Herrin des Verfahrens war und ist die Staatsanwaltschaft Stuttgart, die unter anderem für Staatsschutzdelikte im Bereich Württemberg zuständig ist.
Die intensiven Ermittlungen führten schnell zu einem Fahndungserfolg: Wenige Tage nach der Tat nahm die Polizei einen 19-jährigen Tatverdächtigen vorläufig fest, der laut Polizei einen deutschen und russischen Pass besaß. Allerdings ging man seitens der Polizei laut einer damaligen Pressemeldung von mehreren Tätern aus.
Die Erinnerung an den Anschlag ist frisch wie am ersten Tag.
Oberbürgermeister Dieter Henle
Seither ist es in dieser Sache ruhig geworden. Aus Sicht der Polizei Ulm ist der Fall abgeschlossen, sprich: Ihre Ermittlungsarbeit ist getan. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart ermittelt wegen der gestohlenen Flaggen weiter. Demnach gibt es bislang weder eine Anklage noch einen Gerichtstermin.
Überwachungskameras fürs Rathaus
Auch für die Stadt Giengen ist der Fall noch nicht abgehakt: „Die Erinnerung an den Anschlag und seine Umstände ist frisch wie am ersten Tag“, sagt OB Henle auf Anfrage. Man erinnere sich an die „teils wütenden Reaktionen von Bürgerinnen und Bürgern“ ebenso wie an die Ängste, die bei Mitarbeitenden des Rathauses ausgelöst wurden.
Um weiteren Vorfällen vorzubeugen, hat der Giengener Gemeinderat 2024 beschlossen, Teile des Rathauses mit Überwachungskameras auszustatten. Geplant ist, diese im Frühjahr 2026 zu installieren. Henle fügt jedoch hinzu: „Technische Unterstützung ist fraglos wichtig, aber sie genügt nicht.“ Zentral sei vielmehr auch die gesellschaftliche Wachsamkeit. „Wir brauchen eine hohe Aufmerksamkeit für Menschen, die sich entsprechend äußern und irgendwann womöglich radikalisieren“, so Henle. Es gelte, ihnen Einhalt zu gebieten, ihnen aber auch Hilfe anzubieten.
Was bedeutet Staatsschutz?
Mit dem Staatsschutz sind in Deutschland mehrere Behörden befasst, darunter der Verfassungsschutz des Bundes und der Länder, Staatsanwaltschaft und entsprechende Abteilungen der Kriminalpolizei. Unter Staatsschutzdelikte fallen Straftaten, die zum Beispiel die öffentliche Sicherheit oder die Staatsordnung gefährden können. Dies können etwa politisch oder religiös motivierte Terrorakte sein, aber auch rassistisch motivierte Körperverletzung.