Die Rückseite der Giengener Schwagehalle ist seit Langem ein Ort, an dem sich Spuren von Jugendkultur und Vergänglichkeit mischen. Im September 2024 hatte dort ein Workshop des Jugendhauses stattgefunden, bei dem vier Schülerinnen und Schüler unter Anleitung des Graffitikünstlers Sebastian „Seko“ Hienz ihre Ideen auf die Wand brachten. Rund ein Jahr später ist von den damaligen Motiven kaum noch etwas zu erkennen. Das Werk wurde übersprüht – von wem und wann genau, ist unklar.
Seko selbst nimmt die Entwicklung überraschend gelassen. Auf Anfrage erklärte er: „Dass die Wand nicht ewig so bestehen bleibt, war irgendwie klar und gehört ja auch zum Spiel dazu“, sagte er. Graffiti sei eine Kunstform, die von Vergänglichkeit lebe. Anders als ein Gemälde auf Leinwand sei ein Werk im öffentlichen Raum nie dauerhaft gesichert, sondern könne jederzeit verschwinden – durch Wettereinflüsse, durch Bauarbeiten oder eben durch andere Sprayer. Bedauerlich findet der Künstler aber, was nach dem Workshop nicht passiert ist. „Schade finde ich nur, dass die Jugendlichen im Nachgang keine legale Fläche bekommen haben – nicht mal den Abschnitt vom Workshop an der Schwagehalle.“
Verpasste Chance für legales Sprayen?
Für ihn sei es ein verpasstes Signal gewesen: Gerade, weil die Rückseite der Halle ohnehin seit Jahren beschmiert sei, hätte man hier dauerhaft eine Möglichkeit für legale Graffiti schaffen können. „Da wurde leider eine gute Chance verpasst“, meinte er. Auch über mögliche Alternativen hat sich der Künstler Gedanken gemacht. Im Umfeld gebe es seiner Ansicht nach mehrere Wände, die sich für legale Projekte eignen würden. „Man hätte damit ein Zeichen setzen können“, so Seko. Graffiti brauche Flächen, um sich zu entfalten, und junge Menschen, die einmal einen legalen Rahmen kennengelernt haben, seien erfahrungsgemäß eher bereit, sich an Regeln zu halten. „Gerade in einer Kleinstadt ist es wichtig, dass man Jugendlichen Räume gibt, in denen sie sich kreativ ausdrücken können. Wenn man diese Möglichkeit verweigert, entsteht nur Frust.“

Kunst, die vergänglich ist
Für die Jugendlichen, die im Herbst 2024 am Workshop teilgenommen hatten, war das Projekt eine Premiere. Laura, Paul, Lisa und Samuel gestalteten damals Motive, die unterschiedlicher kaum sein konnten: von einer Hello-Kitty-Figur über ein Rapper-Porträt bis hin zu einem dreiköpfigen Fantasiewesen. Unter Anleitung des erfahrenen Sprayers lernten sie nicht nur, wie man mit Dosen, Linien und Farben arbeitet, sondern auch, welche Haltung zur Graffiti-Kultur dazugehört. Schon damals hatte Seko betont, dass jedes Bild vergänglich ist und man es besser sofort fotografieren solle – die jetzige Situation bestätigt diese Sichtweise.
Gleichzeitig unterstrich er jedoch, dass legale Flächen ein wichtiger Baustein seien, um Jugendlichen den Zugang zu ermöglichen. „Wenn man einmal gesehen hat, was man auf einer großen Wand mit Farben schaffen kann, will man weitermachen. Und wenn es keine Flächen gibt, bleibt oft nur der illegale Weg.“ Ein Blick auf die Schwagehalle heute zeigt: Von den Motiven des Workshops ist nur noch ein Hauch zu erahnen. Im Vordergrund dominiert nun ein neues Bild, dessen Linienführung vermuten lässt, dass der Sprayer schon Übung hat. Wer es war, bleibt offen.