Anklage: kinderpornografische Schriften

Wie eine Verhandlung vor dem Heidenheimer Amtsgericht die Gefahren des Internets offenbarte

Durch einen Zufallsfund wurde ein Giengener wegen Besitzes kinderpornografischer Schriften angeklagt. Das Schöffengericht um Richter Rainer Feil sprach den 33-Jährigen frei. Wie es dazu kam und warum die Verhandlung eine Lehrstunde in Sachen Gefahren im Internet war.

Als Richter Rainer Feil ihm das kleine Bild zeigte, betonte der Angeklagte erneut: „Ich weiß davon nichts und möchte auch nichts davon wissen.“ Gemeint ist ein WhatsApp-Sticker, auf dem eine kinderpornografische Szene zu sehen ist. Das strafbare Motiv war auf seinem Smartphone nach einer Durchsuchung seiner Wohnung in Giengen gefunden worden. Er wurde wegen des Besitzes kinderpornografischer Schriften angeklagt.

Richter Rainer Feil und die beiden Schöffen sprachen den 33-Jährigen am Ende der rund zweistündigen Verhandlung allerdings frei. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft Ellwangen und der Verteidiger hatten ebenfalls für einen Freispruch plädiert. „Wir wissen nicht, wie der Sticker auf das Handy kam und gehen davon aus, dass der Angeklagte nichts davon wusste“, begründete Feil die Entscheidung.

Zufallsfund nach Meldung aus den USA

Ihren Anfang nahm die Verhandlung vor dem Heidenheimer Amtsgericht in den USA. Von dort erreichte das Bundeskriminalamt eine Meldung, dass zwei kinderpornografische Videos im WhatsApp-Verlauf des Angeklagten gefunden worden seien. Es folgte der Beschluss zur Durchsuchung der Wohnung, bei der das Smartphone des Mannes sichergestellt wurde. Doch der zuständige Sachbearbeiter der Ulmer Kriminalpolizei berichtete vor Gericht: „Ich habe nichts gefunden, das den Bericht aus den USA verifiziert.“

Stattdessen fand er den kinderpornografischen Sticker. „Ich habe das Bild aber nicht in WhatsApp oder der Galerie gefunden, sondern im Hintergrund als Thumbnail“, so der Experte. Das Thumbnail beschreibt er als Vorschaubild, das automatisch vom Handy erstellt wird, um einen schnelleren Zugriff auf Dateien zu ermöglichen.

Es ist erschreckend, was im Internet möglich ist.

Der Verteidiger des Angeklagten

Wie kam der Sticker auf das Handy?

Ungeklärt war nun die Frage, wie das kleine Bild auf das Smartphone des Mannes gelangt war. Eine Möglichkeit eröffnete der Angeklagte selbst. „Ich habe mein altes Handy vor drei bis vier Jahren mitsamt der SIM-Karte verloren.“ Die Meldung aus den USA hatte sich auf die Telefonnummer dieses Geräts bezogen. Der Mann hatte sich inzwischen ein neues Smartphone gekauft, auf dem er einen Mobilvertrag mit dem gleichen Anbieter abgeschlossen hatte. „Auf dem neuen Handy wurden mir dann die neue und die alte Nummer angezeigt“, sagte er.

So kamen der Sachbearbeiter und Richter Feil auf die Idee, eine fremde Person habe das verlorene Smartphone an sich genommen und den kinderpornografischen Sticker darauf gespeichert. Wenn das Gerät nicht ganz ausgeschaltet war, sei es laut dem Angeklagten nicht gesichert gewesen. „Möglicherweise ist der Sticker dann über eine Cloud-Übertragung auf das neue Gerät gelangt“, überlegte der Sachbearbeiter laut.

Der Angeklagte räumte ein, dass er in mehreren WhatsApp-Gruppen war, in denen „viel Blödsinn“ geschickt wurde. Landete der kinderpornografische Sticker so auf seinem Smartphone? Es blieb bei Vermutungen – gelöst werden konnte das Rätsel nicht.

Warnung vor „Flut der sozialen Netzwerke“

Klar war jedoch, dass es keinen Beweis gibt, dass der Angeklagte von dem Sticker wusste oder ihn gar wollte. Der Mann war einverstanden damit, dass er das untersuchte Handy nicht zurückbekommt. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft hatte Bedenken geäußert, das Gerät mit dem kritischen Sticker wieder in den Umlauf zu bringen.

Der Verteidiger des 33-Jährigen zeigte sich in seinem Plädoyer beeindruckt: „Es ist erschreckend, was im Internet möglich ist“, sagte er. Feil warnte ausdrücklich vor der „Flut der sozialen Netzwerke“.

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