Endsocken 2.0

Wie ein junger Designer Schuhe aus Giengener Filz hergestellt hat - und einen Preis gewann

Filzschuhe als modisches Statement: Designer Philipp Remus lotet mit nachhaltigen Methoden die Schuhherstellung neu aus und gewinnt einen renommierten Award.

Schuhe aus Filz – das klingt nach warmen Hausschlappen für den langen Winterabend, nach Behaglichkeit statt stilbewusstem Statement. Philipp Remus verfolgt einen anderen Ansatz. Er hat Filzschuhe vor allem nach modischen Gesichtspunkten gestaltet, mit Unterstützung aus Giengen.

Remus hat an der Hochschule Pforzheim Design studiert. Für seine Bachelorarbeit unter dem Titel „Mit Wolle gehen“ hat er zwei Schuhmodelle entworfen und entwickelt, die aus genau einem Rohstoff bestehen: Wolle.

Der zweite Prototyp ist ein Brogue, der in klassischer Handwerkstradition hergestellt wurde. Philipp Remus

„Ich möchte Wolle als Material in einen neuen Kontext setzen“, sagt der 25-Jährige. Als sehr traditioneller und vielfältig einsetzbarer Rohstoff sei Wolle mit der Zeit in der Öko-Nische gelandet. Remus hingegen möchte die Materialeigenschaften, aber auch die ästhetischen Potenziale von Wollfilz neu ausloten. Auf die Wolle kam er durch seine Professorin Simone Sommer, die bereits viel Erfahrung mit dem Werkstoff hat. Als eine Gruppe aus Pforzheim die Vereinigten Filzfabriken Giengen besuchte, waren die Studierenden beeindruckt vom Material Filz.

Handwerkstradition und moderne Technik

Das Ergebnis von Remus‘ Bachelorarbeit ist einerseits ein klassischer, handwerklich hergestellter Brogue, für den der gebürtige Darmstädter mit einem Werkstattleiter der Hochschule zusammenarbeitete, der Erfahrung mit dem Schuhmacherhandwerk hat. Was Remus dabei vor allem faszinierte, war die Festigkeit des Werkstoffs: Obwohl die einzelnen Teile fest miteinander vernäht wurden, riss der Filz an keiner Stelle aus.

Designer Philipp Remus will seine Prototypen weiterentwickeln. Johanna Gilbert

Für den zweiten Prototypen setzte der junge Designer „mehr auf skulpturale Ästhetik“. Entstanden ist dabei die Interpretation eines Clogs mit dicker Sohle und seitlichen Öffnungen. Dieser Schuh wurde auch nicht genäht, sondern mithilfe einer computergesteuerten Fräsmaschine aus einem massiven Filzblock gefräst. Aufgrund der technischen Limitierungen der Maschinen musste der Schuh in zwei Hälften gefräst werden, die am Ende mit einer Naht verbunden wurden.

Designer will Prototypen weiterentwickeln

Remus betont, dass seine Prototypen keinen Belastungstests unterzogen wurden, sprich: wie alltagstauglich die Schuhmodelle aus Filz wären, ist noch nicht klar. Das Fazit des Designers ist aber klar: „Es ist grundsätzlich möglich, Schuhe aus Filz herzustellen“, sagt Remus. Sein Ziel ist nun, die Prototypen weiterzuentwickeln. Im nächsten Schritt wird sein Projekt gewissermaßen international. Fürs Masterstudium zieht Remus nach Stockholm, seinen Ansatz, aus einem nachhaltigen Material nutzbare Gegenstände herzustellen, will er dort weiterverfolgen. „Ich finde es extrem interessant, wenn Projekte einen sichtbaren Sinn verfolgen, der die Welt ein kleines bisschen besser machen könnte“, sagt er.

Der Clog wurde in zwei Hälften aus einem Filzblock gefräst. Philipp Remus

Für die Weiterentwicklung der Schuhe will Remus auch weiter mit den Filzspezialisten der VFG zusammenarbeiten. Auch eine Selbstständigkeit kann sich der 25-Jährige für die Zukunft vorstellen. Erste Meriten hat er sich mit seinem Projekt bereits verdient: Im Rahmen des angesehenen IF-Design-Student-Awards hat Remus in der Kategorie „Nachhaltige Produktion“ einen Preis erhalten. Die Preisverleihung fand im Guggenheim-Museum im spanischen Bilbao statt. Die Jury zeigte sich durchaus begeistert: „Die effiziente Nutzung von Wolle in Verbindung mit modernster Fertigungstechnologie kann den Weg für einen Paradigmenwechsel in der Schuhindustrie ebnen.“

Burgberger Tradition: Schuhe aus Filz

Schuhe aus Filz herzustellen, hat in Burgberg eine lange Tradition. Dort werden seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit viel Fingerfertigkeit aus in Streifen geschnittenen Filzstreifen die sogenannten Endsocken gefertigt, die als bequeme und warme Hausschuhe beliebt sind. Was früher in vielen Burgberger Familien als Heimarbeit gepflegt wurde, ist mittlerweile ein beinahe ausgestorbenes Handwerk. In einem Ausstellungsraum der Alten Mühle in Burgberg lässt sich die Kunst der Endsocken-Herstellung nachvollziehen.

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