Kneipenkultur

Wie die Kneipenbetreiberin Ulli Utz ein Stück Giengener Stadtgeschichte im „Zum Zinngießer“ bewahrt

Seit fast zwei Jahrzehnten zapft Ulli Utz im historischen Zinngießer-Haus in Giengen Bier – und bewahrt damit nicht nur eine Kneipentradition, sondern auch ein Stück Stadtgeschichte.

Zwischen altem Fachwerk, blank polierter Theke und dem Duft frisch gezapften Biers hat sich Ulli Utz ihr kleines Stück Heimat geschaffen. Seit 19 Jahren betreibt die 71-Jährige die Kneipe „Zum Zinngießer“, die im historischen Zinngießer-Haus in der Altstadt – an der Ecke Färberstraße und Hohe Straße – untergebracht ist. Die niedrigen Decken, das dunkle Holz und die gemütliche Enge erzählen von einer Zeit, in der man sich noch kannte, in der Gespräche an der Theke wichtiger waren als Wlan.

Ulli Utz: Die 71-Jährige betreibt ihre Kneipe bereits seit 19 Jahren.
Ulli Utz: Die 71-Jährige betreibt ihre Kneipe bereits seit 19 Jahren. Dennis Straub

Rustikal wie genial

„Ich mag dieses Alte, das Ursprüngliche“, sagt Utz und streicht über die Thekenkante, die vom täglichen Gebrauch glänzt. „Es gibt einfach Menschen, die wollen dieses Gemütliche – und nicht dieses Sterile mit stahlblauem Licht.“ Der „Zinngießer“ sei für viele Stammgäste genau dieser Ort: ein Gegenpol zur Hektik des Alltags, wo man beim Bier ins Gespräch kommt und wo das „Du“ noch selbstverständlich ist.
Utz kam 1991 nach Giengen – ursprünglich der Liebe wegen, wie sie erzählt.

Geboren ist sie in Bamberg, also in einer Region, in der das Wirtshaus fast zur Kultur gehört. „Dass ich irgendwann mal selbst eine Kneipe führen würde, hat sich eher zufällig ergeben“, erinnert sie sich. „Aber ich bin glücklich hier mit dem Laden. Ich liebe meinen Zinngießer – und ich hab’s noch nie bereut. Keinen Tag.“ Dabei hätte sie längst in Rente gehen können. „Ich bin ja schon sechs Jahre offiziell in Rente“, sagt sie schmunzelnd. „Aber das hier ist für mich keine Arbeit, das ist Unterhaltung. Ich habe jeden Tag Gesellschaft – und fürs Taschengeld reicht’s auch noch ein bisschen.“ Wer abends durch die schmale Tür tritt, landet mitten in einer anderen Welt. Ein Tresen, einige Barhocker, alte Fotos an den Wänden – und immer jemand, der grüßt. „Die meisten sitzen an der Theke, nicht an den Tischen“, sagt Utz. „Da kommt man ins Gespräch, da ist man näher dran. Ich mag das – das ist meine Welt.“

Personalmangel und steigende Kosten

Dass in Zeiten von steigenden Kosten und Personalmangel viele Gaststätten aufgeben müssen, beobachtet sie mit Sorge. „Die Leute sind einfach nicht mehr so ausgehfreudig wie früher. Die Lebenshaltungskosten sind gestiegen“, sagt sie. Trotzdem versucht sie, ihre Preise moderat zu halten: „Ich bin mit meinen Preisen noch human – unter vier Euro fürs Bier. Ich habe ja viele Rentner, da muss man ein bisschen entgegenkommen.“ Snacks gibt es derzeit keine, dafür dürfen die Gäste Speisen vom italienischen Restaurant „Sud Italia“ gegenüber bestellen. „Das funktioniert wunderbar – jeder bleibt bei dem, was er am besten kann“, erzählt sie.

Die rustikale Inneneinrichtung verleiht dem „Zinngießer“ einen ganz besonderen Charme. Foto: Dennis Straub Dennis Straub

Und wenn sie selbst mal krank sei, bleibe die Kneipe eben zu: „Ich hatte letztes Jahr einen Fahrradunfall, da war sieben Wochen dicht. Es hilft ja keiner aus – es will auch keiner mehr in der Gastronomie arbeiten, außer mir, komischerweise.“ Trotzdem: Von Aufgeben will sie nichts wissen. Einmal im Monat verwandelt sich der „Zinngießer“ in eine kleine Bühne – Karaoke-Abend. „Da wird’s dann richtig laut“, sagt sie lachend. „Aber der Nachbar hat sich noch nie beschwert – wir verstehen uns gut.“ Feste Öffnungszeiten hat sie längst abgeschafft. „Ich mache auf um 16 Uhr – und Feierabend, wenn ich Lust habe“, sagt sie mit einem Augenzwinkern. „Manchmal kommt bis fünf gar keiner, aber wenn dann doch wer hereinschneit, ist’s gleich gemütlich.“

„Solange ich kann, bleibe ich hier“, sagt Utz leise. „Ich bin zufrieden, ich mag meine Kneipe, ich mag meine Gäste – und ich mag mich halt auch. Und: Ich würde es immer wieder tun!“

Ein Stück Historie in Giengen

Das Zinngießerhaus in Giengen entstand wohl im Zuge der Stadterweiterung um 1400 und blickt auf eine lange Geschichte zurück. Früher befand es sich im Besitz der Roggenburger, bevor die Zinngießerfamilie Schnapper das Haus erwarb und dort ihr Handwerk bis zum Zweiten Weltkrieg ausübte. Bemerkenswert ist, dass die Brenz bis 1950 noch unter dem Gebäude durchfloss und das Haus über das erste WC mit Wasserspülung in Giengen verfügte. In den 1950er Jahren wurde das Gebäude schließlich umgebaut und als Gaststätte genutzt.