Herbstkonzert

Wie die Giengner Stadtkapelle am Samstag alle Grenzen sprengte

Unter der Stabführung von Nicole Brendel wachsen die Giengener Musikerinnen und Musiker unter dem Titel „Weite Ferne“ nicht nur thematisch über sich hinaus – ein ebenso berührender wie mitreißender Abend.

Ihrem Ruf, ein Aushängeschild der Stadt Giengen zu sein, wurde die Stadtkapelle beim Herbstkonzert am Samstagabend in der Walter-Schmid-Halle auf eindrucksvolle Weise gerecht. Das von Dirigentin Nicole Brendel zusammengestellte Programm unter dem Thema „Weite Ferne“ erwies sich als ein echtes Highlight moderner sinfonischer Blasmusik. Mit Präzision, aber gleichzeitig auch mit spielerischer Leichtigkeit, entführten die 35 Bühnen-Akteure rund 200 Besucherinnen und Besucher in fremde Kulturen, vergangene Zeiten und phantasievolle Klangwelten.

Wenn die Tage kürzer werden und dichter Nebel für eine undurchsichtige Welt sorgt, dann weckt dies in besonderem Maße die Reiselust. Wer sich der Empfehlung des Musikvereins-Vorsitzenden Rainer Lorenz hingab, sich träumend zurückzulehnen und auf „ein klimaneutrales Reisen mit der Stadtkapelle“ einzulassen, dem wurde es am Samstagabend leichtgemacht, in seiner Phantasie zumindest für zwei Stunden der November-Tristesse zu entfliehen.

Publikum in Giengen suchte Orte der Extreme auf

Versunkene Reiche, einsame Wüsten, orientalische Märkte, die unendlichen Weiten des Weltalls – es waren Orte der Extreme, die das Publikum träumend aufsuchen durfte. Der Facettenreichtum des eindrucksvollen Konzertabends spiegelte sich aber nicht nur in den unterschiedlichen Schauplätzen wider, sondern auch in den Erlebnisinhalten: Man konnte mit Walen tanzen und dem Geräusch der Stille lauschen, sehnsuchtsvolle Momente und melancholische Empfindungen wechselten mit mitreißenden und dramatischen Passagen.

Den Auftakt machte der Colonel-Bogey-March, bekannt aus dem Film „Die Brücke am Kwai“. Nach dem rhythmisch-prägnanten Warmmacher wurde es dann zunehmend romantisch und sphärisch. Moderatorin Viktoria Bölli lieferte zu jedem Stück die passenden Hintergrundinformationen – und so wusste das Publikum beispielsweise, dass die vom britischen Komponisten verfasste English Folk Song Suite auf drei ganz unterschiedliche Parts aufbaut. Beeindruckend dabei vor allem die Solo-Passage der Oboe im Intro des zweiten Teils.

Der durch Simon & Garfunkel bekanntgewordene Pop-Klassiker „The Sound of Silence“ bringt die Sprachlosigkeit einer Gesellschaft zum Ausdruck, in der, wie es Viktoria Bölli formulierte, „Menschen zwar reden, sich aber nicht mehr zuhören“. Ganz andere Inhalte vermittelt die „Jupiter Hymn“ als Teil der Orchestersuite „Die Planeten“ von Gustav Holst. Erhabenen Klängen folgten visionäre Sichtweisen durch das Raumschiff „Lord of seven seas“ mit starken Tempi-Wechseln und einem dramatisch-simulierten Sturm.

Nach der Pause wechselte die Szene vom „Blau des Ozeans“ (Atlantis) zum „Gold der Wüste“. Mit einer Karawane machte sich das Publikum auf den Weg zu einem persischen Markt, unterlegt mit orientalischen Klängen und passend intonierter Geschäftigkeit.

Ein Höhepunkt: der Tanz der Wale

Das Stück, das dem Herbstkonzert den Titel verlieh, „Weite Ferne“, entstammt der Feder des Frankfurter Komponisten Rolf Rudin. Schon beim Giengener Herbstkonzert 2024 war mit „Stille Hoffnung“ ein Werk Rudins zu hören. Nicole Brendel hatte sich bei einem Gespräch mit dem Komponisten die „Weite Ferne“ für dieses Jahr empfehlen lassen – und so kam schließlich auch das Thema zustande. Ein Höhepunkt am Samstag war fraglos der „Dance of the whale“ (Tanz der Wale) von Philip Sparke. Vor allem über die Tenorhörner wurde die Schönheit und Zerbrechlichkeit der geschmeidigen Meeres-Giganten spürbar. Das Stück entstammt einem Ballett, das bedrohten Tierarten gewidmet ist.

Der Blick auf eine hoffnungsvolle Zukunft sollte den Schlussakt bilden. Mit „Behind the horizon“ (Hinter dem Horizont) wurde die musikalische Perspektive nochmals nach vorne gerichtet. Die Zugaben „Anker gelichtet“ – zuletzt auch bei der Amtseinsetzung von Oberbürgermeister Dieter Henle dargeboten – und „Unsere Reise“ von der Schweizer Band „Fäaschtbänkler“ rundeten ein Konzert ab, bei dem die Stadtkapelle nicht nur in Bezug auf den Titel „Weite Ferne“ Grenzen sprengen konnte.

2026 mit Schweizer Beteiligung

Gäste aus der Schweiz konnte die Stadtkapelle am Samstag zum Herbstkonzert begrüßen. Eine Abordnung der Musikgesellschaft Oppligen, mit der die Giengener seit vielen Jahren freundschaftlich verbunden sind, war aus 416 Kilometern angereist.

Im kommenden Jahr, so verriet Vorsitzender Rainer Lorenz, soll es in Giengen ein gemeinsames Herbstkonzert mit den Schweizern geben. Die übergaben bei ihrem Besuch auch gleich die Noten eines Marsches, den sie dann zusammen mit der Stadtkapelle spielen möchten, an Dirigentin Nicole Brendel.

Für das Konzert in diesem Jahr hatte sich die Stadtkapelle übrigens seit Anfang August vorbereitet – unter anderem auch mit einem Proben-Wochenende auf der Kapfenburg. Als nächster Auftritt steht das Weihnachtskonzert gemeinsam mit dem Jugendblasorchester und dem Vororchester der Musikschule am 13. Dezember auf dem Programm.