Mit dem nüchternen Blick derer, die nach der Schule in die Ferne gezogen sind, kehrt Fanny an Weihnachten 2001 in ihren Heimatort Burgberg zurück. Sie zuckelt auf der Brenzbahn, die „an jedem Misthaufen“ hält, nach Giengen, trifft im Zug ihre Schulfreundin Nadine, die es nicht nach Freiburg geschafft hat, sondern zur Arbeit bloß ins übernächste Dorf pendelt.
In Burgberg ist der letzte Laden verschwunden, in der neuen Einbauküche der Eltern kennt sich Fanny nicht aus, also muss sie sich dem Gespräch mit den Eltern stellen, das wie immer sein wird. Oder doch nicht, denn Fannys Mutter lässt ganz beiläufig fallen, dass der Mann, den Fanny bis dahin für ihren verstorbenen Opa gehalten hatte, gar nicht ihr Großvater war.
Mit dieser Szene steigt die Autorin Stefanie Buchholz in ihren Roman „Vater unbekannt“ ein, der im Sindelfinger Molino-Verlag erschienen ist. Buchholz wurde 1974 in Giengen geboren, machte ihr Abitur am Margarete-Steiff-Gymnasium, zog in die Ferne und lebt heute als Deutsch- und Biologielehrerin mit ihrer Familie in Freiburg.
Autobiografisch geprägter Roman
Die Übereinstimmungen zwischen Fanny und Stefanie sind kein Zufall. „Das Buch ist autobiografisch inspiriert“, sagt Buchholz, einige Handlungselemente hätten so stattgefunden, vieles sei aber fiktional. Sie habe die Geschichte lange im Kopf „hin und her gedreht“, bis sich eine Struktur zusammengefügt hatte, auf der sie aufbauen konnte.
Mit dem Schreiben der ersten Fassung begann Stefanie Buchholz in den Sommerferien, danach investierte sie ihre Freizeit für die Schreibarbeit. Nach etwa vier Monaten war die erste Fassung fertig und die Autorin so weit von ihrem Werk überzeugt, dass sie sich mit der Hilfe einer Literaturagentin auf die Suche nach einem Verlag machte.
„Es hat mir vor allem einfach Spaß gemacht“, sagt die 51-Jährige. Sie schätze es als großen Vorteil, nicht vom Schreiben leben zu müssen, sondern ihre Kreativität auszuleben. „Ich musste nicht so schreiben, dass es massentauglich wäre“, sagt sie. Buchholz hat ihren Debütroman auf zwei Zeitebenen angelegt: Während sich Fanny in der Gegenwart auf die Suche nach ihrem unbekannten Großvater macht, begegnen die Leserinnen und Leser auf der zweiten Ebene Fannys Großmutter Trude, die als 16-Jährige die Enge der damaligen Ostalb verlässt und eine Stelle in Stuttgart annimmt. Die Agentin habe von dieser Teilung abgeraten, sagt Buchholz, sie habe sich davon aber nicht abbringen lassen. „Ich wollte hinter meiner Geschichte stehen können“, sagt sie.
Als Jugendliche war sie Preisträgerin
„Vater unbekannt“ ist zwar ihr erstes Buch – das Schreiben begleitet Stefanie Buchholz aber schon lange: 1991 gehörte sie zu den Preisträgerinnen beim Schriftstellerwettbewerb des Stadtjugendrings Giengen. Sie schrieb Gedichte und Kurzgeschichten, die vor allem ihr Deutschlehrer Elmar Wittmann zu lesen bekam. „Er hat mir gezeigt, dass Bücher anderen Welten sein können“, sagt sie, heute noch dankbar.
Dennoch geriet das Schreiben in den Hintergrund. Studium, Beruf und Familie ließen wenig Zeit. Immer wieder hätten Menschen aus ihrem Umfeld gesagt, sie müsse unbedingt wieder schreiben, aber die Geschichte, die unbedingt erzählt werden wollte, begegnete ihr erst später – in ihrer Familie.
Für sie sei gleich klar gewesen, dass die Geschichte in Burgberg und Giengen spielen musste. „Ich habe ein Gefühl für die Orte und Menschen, es hätte nicht funktioniert, die Erzählung woandershin zu verlegen“, glaubt die Autorin. Sie wollte zeigen, wie die Leute in den Fünfzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts getickt haben.
Es sei ein großartiges Gefühl gewesen, die ersten Exemplare ihres Romans in den Händen zu halten, sagt Buchholz. „Ich habe dann nochmal angefangen, es zu lesen, und es fühlte sich ganz anders an, es hatte plötzlich etwas buchstäblich Gesetztes“, so Buchholz.
Und sie denkt auch gar nicht daran, mit dem Schreiben schon wieder aufzuhören: „Ich bin schon an einem zweiten Roman dran“, sagt Buchholz. Das Manuskript sei schon ein Stück weit gediehen. Zum Inhalt will sie noch nichts sagen. Nur so viel: „Es ist ein ganz anderes Thema.“
Im Buchhandel erhältlich
„Vater unbekannt“ von Stefanie Buchholz umfasst 212 Seiten und ist im Molino-Verlag erschienen, ISBN 978-3911682190.


