Wandel ist ein wesentliches Merkmal der Gründerszene. Eine Idee bewährt und etabliert sich, eine andere kann sich nicht behaupten, die nächste wächst so rasant, dass bald nach dem Startschuss größer gedacht werden muss.
Im Giengener Gründerbahnhof gab es daher schon mehrmals Ein- und Auszüge. Jetzt aber kann sich die städtische Wirtschaftsförderin Teresa Winter erstmals über ein volles Haus freuen: Alle verfügbaren Flächen im Bahnhof sind derzeit belegt. Dass die vertretenen Gründungen einen inhaltlichen Schwerpunkt haben, war so zwar nicht geplant, die verkehrsgünstige Lage des Gründerzentrums erweist sich damit aber als entscheidender Vorteil.
Seit 2019 Gründerzentrum
Seit gut sechs Jahren gibt es den Gründerbahnhof. Zuvor hatte Investor Andreas Adldinger die Immobilie gekauft und Gewerbeflächen einrichten lassen. Ab 2019 standen jungen Unternehmerinnen und Unternehmern zunächst drei Büroräume zum Anmieten zur Verfügung. 2023 kamen nach einem Umbau drei weitere Räume hinzu.
Schon seit geraumer Zeit vertreten ist das Software-Unternehmen Innomanic. Zuletzt waren auch noch ein App-Entwickler und ein IT-Anwalt im Bahnhofsgebäude tätig. Nach deren Auszug hat sich der frühere Tech-Schwerpunkt in Richtung Gesundheit und Persönlichkeitsentwicklung verschoben.

Erste neue Mieterin war Elke Kleinknecht, die unter dem Kürzel „CoKoBe“ Coaching, Kommunikation und Beratung anbietet. Ihr folgte Judith Margani mit ihrem Angebot von Coaching und Körperarbeit. Dritte im Bunde ist Alexandra Bahmann, die als Personal-Coach und Heilpraktikerin für Psychotherapie tätig ist. Die drei Gründerinnen vermarkten sich unter einem Dach als „Stellwerk – Raum für persönliche Entwicklung“.
Gute Verkehrsanbindung
Dass nun vor wenigen Wochen die beiden noch offenen Räume vermietet werden konnten, führt Teresa Winter auch auf das Bemühen ihres Kollegen und städtischen Gesundheitsmanagers Günter Schmidt zurück, der eine weitere Neuansiedlung vermittelte: Die beiden psychologischen Psychotherapeutinnen Anna Heimgartner und Lea Gräß haben gemeinsam eine Praxis für Psychotherapie eröffnet. Offenbar stößt gerade dies auf Bedarf: Wie Oberbürgermeister Dieter Henle kürzlich mitteilte, verzeichnen alle jüngst in Giengen eröffneten psychotherapeutischen Angebote große Nachfrage.
Den neuen Schwerpunkt wertet Wirtschaftsförderin Winter als positiv. Der alte Bahnhof mit seiner guten Verkehrsanbindung sei gerade für Kundenverkehr geeignet. Mehr Menschen, die im Gründerbahnhof ein und aus gehen, belebten den Ort und machten ihn besser sichtbar, glaubt Winter.
Noch stärkere Besucherfrequenz würde ein Angebot ermöglichen, das seit mehreren Jahren im Gespräch ist: ein Café im Erdgeschoss des Bahnhofs. Ob dort wirklich eine Gastronomie einziehen wird, ist weiterhin unklar. Es wurden zwar bereits Proben aus dem historischen Gemäuer entnommen, eine endgültige Bewertung durch die zuständige Denkmalbehörde steht aber noch aus. Sollte ein Café möglich werden, wäre auch ein Umbau notwendig. Der Zugang zum Treppenhaus im Innern soll dann anders gestaltet werden, damit Besucherinnen und Besucher der Praxen und Büros im Obergeschoss nicht länger durch das Foyer gehen müssen.
Im Jahre 1875 errichtet
Der Giengener Bahnhof stammt aus dem Jahre 1875 und ist denkmalgeschützt. Das Gebäude mit seinem aus Jurakalk gemauerten Erdgeschoss zeichnet sich einer Bewertung zufolge durch eine „historisierende Formensprache“ aus, die sich „maßgeblich an der Gestaltungsauffassung der deutschen Renaissance orientiert“.
Neben dem einst öffentlichen Bahnhofsbereich im Erdgeschoss verfügte der Giengener Bahnhof einst über 375 Quadratmeter Wohnfläche. Im Obergeschoss wurde der Wohnbereich für den Gründerbahnhof zu Büros umgebaut, während es im Dachgeschoss noch zwei Wohnungen gibt.