Mikroabenteuer

Süßes Nichtstun in Giengen: sich einfach einmal hängen lassen

Mikroabenteuer können mit sehr viel Aufwand verbunden sein. Marc Hosinner mag es minimalistisch. Ein paar Schritte, und schon schaukelt er von einem Abenteuer ins nächste.

Süßes Nichtstun in Giengen: sich einfach einmal hängen lassen

Die Kollegin, die einen Tag barfuß durch die Gegend lief, hat wahrscheinlich immer noch schwarze Füße, die andere hat sich beim Tauchen im Bergbad nicht so richtig wohl gefühlt und der Kollege aus der Kultur ist seither traurig, dass er es nicht geschafft hat, Feuer zu machen. Was für ein Aufwand alles. So sind sie halt, die Kolleginnen und Kollegen: fleißig, nicht nur am Schreibtisch.

Zeit also, einen Kontrast zu schaffen. Mein Mikroabenteuer liegt direkt vor der in Giengen befindlichen Haustür, beziehungsweise ungefähr 20 Schritte davon entfernt und ist auf der einen Seite an einem Apfel, auf der anderen Seite an einem Pflaumenbaum befestigt.

Die größte Hürde? Gut in die Hängematte reinkommen

Die größte Hürde auf dem Weg zum Abenteuer ist das Einsteigen. Ein Bein rechts, eins links und unfallfrei hineinplumpsen lassen und ein wenig anschubsen. Und schon kann es losgehen: das süße Nichtstun. Schneller runterkommen vom Alltag als in der Hängematte? Kann ich nicht.

Ob das am Baumeln liegt oder am Blick in den Baum? Im Grunde egal. Vielleicht liegt es auch am Apfel, der seit dem letzten hängen lassen gewachsen ist und wohl bald den Weg ins Müsli findet. Einfach pflücken und gut. Nicht dass er beim nächsten mal so groß ist, dass er mir noch auf den Kopf fällt.

Prima Aussicht in der Hängematte. Marc Hosinner

In der Hängematte liegen ist Luxus, der gratis zu haben ist. Schaukelnd kann man im hier und jetzt bleiben, durch die Äste in den Himmel schauen, sich auf Geräusche im Garten konzentrieren, die Blättern im Wind beobachten. Oder man schließt die Augen und denkt sich weg. Zum Beispiel auf ein Schiff, in dessen Leib man in der Hängematte liegend neue Ziele ansteuert.

Eben dort, auf Schiffen, kamen die Hängematten verstärkt zum Einsatz, nachdem Kolumbus sie auf einer seiner Expeditionen in die neue Welt entdeckte. Ist ja klar: Sie nehmen wenig Platz weg wenn man sie nicht braucht und obendrein fällt man beim Sturm nicht so leicht heraus wie aus einem Bett.

So lange die Äste halten ist das ungefährlich

Rausfallen: Das ist bei mir im Garten kaum möglich und wäre ob der geringen Höhe, in der ich schaukle, auch nicht so gravierend. So lange die Äste halten, ist das alles kein Problem.

Und so geht die Reise gedanklich weiter, nimmt eine Abzweigung ins Philosophieren. Ist in der Hängematte liegen Sozialismus? Schließlich sind dort, wie beim Gang auf die Toilette, alle gleich. Oder ist das vom Abhängen erzeugte Bewusstsein material- und umgebungsabhängig? Und wie ist das mit dieser ominösen sozialen Hängematte? Wo baumelt die nochmal?

Fragen über Fragen, für die es zumindest in diesem Kurzurlaub keine Antworten gibt. Eine Wespe nähert sich gefährlich der Nasenspitze und schiebt dem Denken einen Riegel vor. Bleiben oder Flucht? Ehe dies entschieden werden kann ist das Tierchen schon wieder weg. Gut so, denn nun schieben sich interessante Wolkenformationen über das Häuserdach. Die eine sieht aus wie der Umriss von Großbritannien. Und schon geht die nächste Gedankenreise los. Zu Pints, Fish & Chips, auf der falschen Seite fahrende Insulaner und Britpop. Sich hängen lassen: herrlich.

In der nächsten Folge der Serie geht Jan Beigelbeck auf Geo-Schatzsuche.