Weinen oder Lachen? Als Bürgermeister Alexander Fuchs in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats über den aktuellen Stand der Stadtrandstraße zu sprechen begann, war einigen Stadträtinnen und Stadträten anzusehen, dass sie zwischen der einen und der anderen Gemütsregung schwankten. Was Fuchs an Nachrichten aus der Landeshauptstadt präsentierte, hatte einen Inhalt, der das Zeug dazu hat, mit Verständnislosigkeit oder Zynismus zu reagieren.
Wieder einmal scheint es, als würden äußere Faktoren einer Realisierung der Stadtrandstraße, und damit einer Anbindung des Gewerbegebiets Ried von Osten her mittels Abzweig auf Höhe der Memminger Wanne, einen Riegel vorschieben. Dieses Mal scheitert es nicht am Geld, das die Stadt in einer Kofinanzierung aufbringen müsste, auch nicht am Artenschutz, sondern offenbar an Stuttgart. Vielmehr am Regierungspräsidium und den geänderten Vorgaben, um in ein Förderprogramm aufgenommen zu werden. Tatsache ist: Alleine kann die Stadt den Bau nicht bezahlen.
Der Knackpunkt ist das Landesgemeindefinanzierungsgesetz (LGVFG), mit dem das Land Infrastrukturvorhaben unterstützt. Die Stadt Giengen, die sich, wie mehrfach öffentlich betont, an der Seite des Landes sah und die Planung der Stadtrandstraße dem Vernehmen nach Hand in Hand mit Stuttgart vorantrieb, setzte auf die Realisierung eines gestellten Förderantrags. Das Regierungspräsidium hat jedoch, so Fuchs, die Aufnahme ins Programm abgelehnt. „Bislang hat das Regierungspräsidium immer betont, dass die Straße wichtig ist und es uns bei der Realisierung unterstützt“, so Fuchs.
Sinneswandel in Stuttgart und die Gründe
Der Sinneswandel der Behörde fuße, so Fuchs, auf drei Säulen: In Stuttgart werde argumentiert, dass aufgrund der Verkehrszahlen aus der vorliegenden Verkehrsprognose eine deutliche Verbesserung der Verkehrsverhältnisse durch den Bau der Stadtrandstraße nicht nachgewiesen werde. Zudem seien aus der Verkehrszählung aktuell keine relevanten Verkehrsprobleme erkennbar. Obendrein: Als weiterer und wichtiger Grund werde aufgeführt, dass die Kriterien des zwischenzeitlich eingeführten Klimachecks mit dem Bau der Stadtrandstraße nicht erfüllt werden.
„Das ist dann jetzt der zweite Klimacheck. Den ersten haben wir bestanden“, so Oberbürgermeister Dieter Henle. Vom Land wird seit diesem Jahr gefordert, dass Straßen, die gebaut werden sollen, diesen Check bestehen müssen. Wie es Fuchs erklärte, spiele das beim Bau der Straße verursachte CO₂ eine Rolle. Dieses müsse durch die Realisierung an anderer Stelle eingespart werden. Für Giengen heißt das: Der Bau der Stadtrandstraße muss anschließend beispielsweise auf der Planiestraße viel CO₂ einsparen. „Das schaffen wir aber nicht“, so der Bürgermeister.
OB Henle: Stadt hat schon viel investiert
„Wir haben unser Unverständnis in Stuttgart deutlich gemacht“, so Henle, schließlich sei das bisherige Vorgehen zur Aufnahme ins Förderprogramm abgestimmt gewesen. Nicht nur das: Die Stadt habe bereits „erhebliche“ Ausgaben getätigt – für das Bebauungsplanverfahren, die Straßenplanung, Gutachten oder auch Grunderwerb.
In Stuttgart spielt das alles offenbar derzeit nur eine untergeordnete Rolle. Das RP fordert vielmehr von der Stadt Giengen, nun ein Mobilitätskonzept für die Gesamtstadt aufzustellen, was einem neuen Gutachten gleichkommt. Dieses wäre dann wiederum förderfähig. Aus dem Mobilitätskonzept, so die Vorstellung in Stuttgart, könnten unabhängig von der Stadtrandstraße weitere geförderte Maßnahmen hervorgehen – wie die Änderung der Breiten bestehender Straßen, neue und zusätzliche Radwege oder Verbesserungen bei Fußwegen im Ried.
Gut für Giengen ist in der Malaise, dass ein solches Mobilitätskonzept bereits in großen Teilen vorhanden sei. Es soll noch ergänzt werden durch eine planerische Ertüchtigung der Allewinder Straße (K 3025) und Punkte, die den Schwerlastverkehr betreffen.
Im Sommer wolle man erneut mit den Verantwortlichen in Stuttgart sprechen. Mit folgenden Zielen: Förderung und Umsetzung der Radhauptachsen; Ausbau der Allewinder Straße (K 3025) – gegebenenfalls mit Umfahrung von Allewind (parallel sollen Gespräche mit dem Landkreis als Straßenbaulastträger geführt werden). „Wir werden weiter über die Realisierung der Stadtrandstraße sprechen“, so der Oberbürgermeister.
Ostanbindung: Fortschritte und Rückschläge
Während die Idee der Stadtrandstraße schon seit etlichen Jahrzehnten existiert, gibt es seit etwa 2002 eine Planung, die heute in den Grundzügen noch aktuell ist. 2005 stellte die Stadt einen Antrag nach dem Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz, der 2006 auch positiv beschieden wurde. Drei Jahre später verzögerte sich die weitere Planung jedoch aus Gründen des Artenschutzes. 2010 wurde die Planung allerdings abgebrochen, weil das Regierungspräsidium damals festgestellt hatte, dass der Bau die damals klamme Stadt finanziell überfordert hätte. Die Finanzierung musste aus dem Haushalt genommen werden, 2012 wurde der Förderbescheid widerrufen, der rund die Hälfte der Baukosten umfasst hätte. Schlimmer noch: 2018 musste die Stadt Giengen bereits geflossene Fördermittel zurückzahlen. Bereits 2012 begann die Stadt mit der Planung einer abgespeckten Variante für die Ostanbindung.