Lesung mit dem Verkehrsminister

Bahnübergang Giengen: Macht engerer Zugtakt den teuren Tunnel sinnvoll?

Grünen-Politiker Winfried Hermann las im Giengener Steiff-Museum aus seinem Buch zur Mobilität. In der Diskussion bewies er zu vielen Fragen des Verkehrs eine klare Meinung – auch zum schienengleichen Bahnübergang zwischen Giengen und Hermaringen.

Es mag ein Déjà-vu für den Verkehrsminister gewesen sein: Am Mittwochabend, wenige Stunden nach der historischen Vertragsunterzeichnung zur Brenzbahn im Heidenheimer Landratsamt, brauchte Winfried Hermann das Wort Unterzeichnung nur zu erwähnen – und erhielt spontan Applaus. Das dürfte unterstrichen haben, wie sehnlich der Ausbau im Landkreis erwartet wird.

Der Grünen-Kreisverband hatte „Winne“, wie Hermann allenthalben genannt wird, zu einer Lesung ins Giengener Steiff-Museum eingeladen. Wo der Minister schon mal in der Gegend war, so vielleicht das Kalkül, konnte er auch gleich aus seinem 2020 erschienenen Buch „Und alles bleibt anders: meine kleine Geschichte der Mobilität“ lesen. Und das tat er.

Erinnerungen an die Jugend in Rottenburg

In seinen mittlerweile 73 Lebensjahren hat der gebürtige Rottenburger viel Wandel in der Mobilität erlebt, und seit 14 Jahren gestaltet Hermann als Chef des baden-württembergischen Verkehrsministeriums die Mobilität im Land auch mit. So nahm denn auch das reine Lesen in der von der Heidenheimer Landtagsabgeordneten Clara Resch moderierten Veranstaltung den kleinsten Raum ein.

Als Kind habe er oft am Rottenburger Güterbahnhof gespielt und fasziniert das Ankommen und Abfahren der Züge beobachtet, das Be- und Entladen der Waggons. Die Schiene hat seit den 1950er-Jahren ihre Bedeutung im Transportwesen weitgehend eingebüßt. Der „Niedergang der Schiene“, wie Hermann es ausdrückte, nahm spätestens ab den siebziger Jahren Fahrt auf, als das Autobahnnetz massiv ausgebaut wurde. Jeder Bundesbürger, erinnerte Hermann an den damaligen Bundesverkehrsminister Georg Leber (SPD), sollte nicht weiter als 20 Kilometer von einer Autobahn entfernt wohnen. Dies führte aus Sicht des Grünen-Politikers zu einer bemerkenswerten Einschätzung: „Bahnkosten gelten immer nur als Defizit, Straßenbau dagegen als Investition.“

Brenzbahn soll Güterverkehrsachse werden

Die Brenzbahn müsse nach Überzeugung Hermanns als wichtige Nord-Süd-Achse des Transportwesens anerkannt werden. Auch deshalb sollte der Bund ein Interesse daran haben, die Brenzbahn auch als Güterverkehrsachse auszubauen. Bei Unternehmen wie BSH in Giengen würde man damit offene Türen einrennen.

Am Giengener Bahnübergang gab es bereits mehrere schwere Unfälle. Die Frage, wie die Gefahr beseitigt werden kann, ist umstritten. Foto: Archiv/Markus Brandhuber

Eine womöglich überraschende Meinung hatte der Minister zur Beseitigung des schienengleichen Bahnübergangs am Giengener Ortsausgang in Richtung Hermaringen, den der frühere Hermaringer Gemeinderat Hans-Dieter Diebold in der Diskussion infrage stellte. Der Bahnübergang in seiner bestehenden Form könne mit technischen Mitteln sicherer gestaltet werden, so Diebolds Überzeugung. „Wir planen den Ausbau der Brenzbahn mit der Perspektive, dass regelmäßig drei Züge pro Stunde verkehren, da werden Sie ziemlich unglücklich mit Schranken“, gab Hermann zu bedenken. Zudem wolle die Bahn solche Übergänge aus Sicherheitsgründen beseitigen. Dass eine Untertunnelung womöglich günstiger zu bauen sei als zuletzt geplant, wollte Hermann aber nicht in Abrede stellen.

„Das Auto ist ein Opfer des eigenen Erfolgs“, so der Autor und Politiker im weiteren Verlauf. In den Städten führe die Unzahl an Autos längst zum Kollaps. Die einmal mehr aufgeflammte Diskussion um den Rücktritt vom Verbrenner-Aus hält Hermann dagegen für „die dümmste Debatte seit Langem“, weil einerseits die Kundschaft verunsichert werde, aber auch die Industrie im Unklaren darüber sei, wie sie sich ausrichten solle.

Das Auto ist ein Opfer des eigenen Erfolgs.

Winfried Hermann, Verkehrsminister

Zur Frage einer Förderung von Fahrgemeinschaften im ländlichen Raum sagte Hermann, im neuen Mobilitätspakt für die Region werde es auch um neue Ansätze wie Apps für den Werksverkehr gehen. Das Ziel, in Orten wie Königsbronn künftig weniger Staus und damit vor allem weniger Belastungen für Anwohnerinnen und Anwohner zu haben, bleibt bestehen.