SPD-Jubiläum

125 Jahre Sozialdemokraten: Darum ist der Ortsverein aus Giengen nicht wegzudenken

Nicht nur bundesweit, sondern auch in Giengen blickt die SPD auf eine wechselvolle Geschichte zurück. Beim Jubiläum kam dennoch die Frage nach der Daseinsberechtigung auf.

Eben jene Historie brachte Streicher in Verbindung zur Frage nach der Notwendigkeit von Sozialdemokratie in den unterschiedlichen Ausprägungen des Staates. „Die SPD hat trotz vieler Widerstände schon im Kaiserreich gewirkt, indem sie sich für die Rechte der Arbeiter oder gegen Kinderarbeit eingesetzt hatte“, so die Historikerin und pensionierte Lehrerin.

Beim Ende der Weimarer Republik und der Machtergreifung der Nazis sieht sie durchaus erschreckende Parallelen zur Gegenwart. „Zum Teil läuft es nach den gleichen Mustern wie damals ab. Menschen werden verunglimpft, ausgegrenzt. Wieder wird mit Galgen auf der Straße demonstriert“, so Streicher. Vom Vorschlag „sollen die anderen mal machen“ hält sie nichts. Das sei schon früher nicht gutgegangen. „Man braucht uns Sozialdemokraten auch hier. Sogar mehr als je zuvor“, ist sich die Fraktionsvorsitzende sicher.

Frauen in die Politik gebracht

Apropos Fraktion: Im Gemeinderat waren und sind die Sozialdemokraten eine Konstante. Sie prägten die Entwicklung der Stadt maßgeblich mit, beispielsweise beim Bau des Giengener Krankenhauses, der Brücke über die Brenz, dem Schulzentrum in der Schwage, der Sanierung der Innenstadt in mehreren Epochen oder der Sanierung des Bergbades.

Ortsverein und Fraktion haben die Entwicklungen in der Stadt und drumherum mitgeprägt. Archiv

Eine Vorreiterrolle nahm die SPD im Gemeinderat bei der Besetzung von Sitzen mit Frauen ein. Anne Ehrlinger war 1967 die erste Frau im Stadtparlament, viele weitere wie beispielsweise Helga Jacobi, Helene Nieß, Elisabeth Fischer, Christine Mack oder Ute Goppelt folgten.

Ausblick und Ehrungen

Der Blick zurück bietet, wie es die langjährige Vorsitzende Christine Mack sagt, Anlass zu Feiern. Und der nach vorne? „Wir sind etwa 50 Mitglieder im Ortsverein. Die Zeiten der aufmüpfigen Jusos sind natürlich vorbei. Auch in der Fraktion wird es bei der nächsten Wahl wohl einen Generationenwechsel geben“, so Streicher.

Doch das ist Zukunftsmusik. Bei der Feier zum 125. gratulierte auch Oberbürgermeister Dieter Henle. Er würdigte den Einsatz der Partei zum Wohl der Bürger auch in den städtischen Gremien im Gemeinderat und erinnerte an die kontinuierliche Parteiarbeit seit der Gründung 1900.

Zusammenhalt stärken

Der Landtagsabgeordnete und SPD-Landesvorsitzende Andreas Stoch meinte, Giengen sei eine Stadt, wo es sich zu leben lohne. Man treffe engagierte Menschen im Ehrenamt und unterschiedlichen Menschen unterschiedlicher Herkunft. Wichtig sei weiterhin, den Zusammenhalt und den gegenseitigen Respekt in der Gesellschaft zu stärken. Das sei nicht immer einfach, aber man müsse die Ärmel hochkrempeln, denn Änderungen müsse es immer wieder geben, auf die mit Augenmaß zu reagieren sei.

Geschenke gab es bei der Geburtstagsfeier für langjährige Mitglieder: Geehrt wurden für 20 Jahre Thomas Petridis, für jeweils 25 Jahre Gertraud Brommer, Monika und Werner Danner, Anne Schmid sowie Gaby Streicher, die Fraktionsvorsitzende der Gemeinderatsfraktion. Jeweils 35 Jahre dabei sind Sylvia Gohle und Jürgen Meck. Am längsten die Treue gehalten mit 55 Jahren hat Claus-Jürgen Ruoff. Ihn hatte einst, wie viele andere auch, der legendäre Willy Brandt zur Partei gebracht.

Auf dem Bild von links: Ortsvereins-Vorsitzender Udo Fehrle, Claus-Jürgen Ruoff, Sylvia Gohle, Gaby Streicher, Gertraud Brommer, Andreas Stoch. Nicht dabei sein konnten Thomas Petridids, Jürgen Meck und Monika und Werner Danner. sie erhalten ihre Urkunden zu einem späteren Zeitpunkt. SPD

Ein Maurer war der Gründungsvater der SPD in Giengen

In der ehemals Freien Reichsstadt Giengen organisierte sich die Arbeiterbewegung sehr früh und schloss sich schnell der Sozialdemokratie an. Im November 1869 besuchte August Bebel, im selben Jahr Gründer der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands, Giengen. Mit der Gründung der Giengener Ortsvereins der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei im Jahr 1900 durch den Maurer Konrad Gerold – er war der erste Sozialdemokrat im Bürgerausschuss und zusammen mit Leonhard Gerold ab 1919 der erste SPD-Gemeinderat – formierte sich auf kommunaler Ebene der politische Wille eines Bevölkerungsteils.