Interview

Wie Gerstettens Bürgermeister Matthias Heisler sich in sein Amt eingefunden hat

Seit vier Monaten ist Matthias Heisler Bürgermeister in Gerstetten. Im Gespräch redet er über bürgerschaftliches Engagement, Windkraft im Teichhau und wie er die Stärken der Gemeinde weiter ausbauen will.

Herr Heisler, wie waren die ersten Monate als Bürgermeister für Sie?

Spannend und sehr bereichernd, wirklich. Ich bin sehr gut hier aufgenommen worden. Hier im Rathaus sind tolle Kolleginnen und Kollegen, die mich offen und fast schon freudig aufgenommen haben. Aber auch draußen, überall wo ich hingehe, wird mir ein großes Wohlwollen entgegengebracht. Ich nehme wahr, dass die Leute hier in der Gemeinde Lust auf was Neues haben; dass es, glaube ich, ganz gut mit uns passt.

Ich bin sehr dankbar um den Gemeinderat und um die Ortschaftsräte, da sitzen kompetente und sehr willige Leute drin, da wird auch wirklich super diskutiert. Was mir sehr gut gefällt, ist, dass gerade in den Gremien das beste Argument zählt. Hier wird sachlich diskutiert und niemand sitzt auf seiner Meinung und seiner Position drauf. Man diskutiert auch fraktionsübergreifend. Da sind super Leute drin, die mitdenken und Verantwortung übernehmen, und dann macht es Spaß, mit so einem Gremium zu arbeiten, und natürlich auch mit der Verwaltung, wo wirklich lauter Fachleute sitzen.

Ich war auch viel unterwegs und hab mir alles Mögliche angeschaut. Ich mache das gern, für mich ist das eine super Chance, unterschiedliche Menschen kennenzulernen, im Hauptort und in den Teilorten. Und ich bin natürlich sofort in die inhaltliche Arbeit eingestiegen. Das bleibt nicht aus, denn die Verwaltung muss weiterlaufen, der Gemeinderat muss weiterlaufen, man übernimmt Themen, man fängt schon an neue zu setzen. Es ist ein laufender Wechsel, ich konnte tolle Sachen von Bürgermeister a.D. Polaschek übernehmen, manche schon beenden und auch neue Akzente setzen.

Sie haben gesagt, Sie seien viel unterwegs; das war auch mein Eindruck. Ist das langfristig durchhaltbar? Und hält das einen manchmal von der Arbeit im Rathaus ab, wenn man so viel Zeit dafür investiert?

Ob es durchhaltbar ist, darüber reden wir dann mal in ein paar Jahren. Ich gehe zu diesen repräsentativen Terminen gerne hin. Ich sehe es als Chance, die Leute kennenzulernen, zu hören, was gut ist und was man anders oder besser machen kann. Ich bekomme ja nur ein Teil in der Amtsstube und in den Sitzungen und bei den offiziellen Terminen mit, und der andere Teil passiert draußen: bei Veranstaltungen, auf dem Sportplatz, auf dem Wochenmarkt, in Gesellschaft. Mir ist es wichtig, nahe an den Leuten dran zu sein. Und wenn man viele Stimmen hört, dann kann man ein möglichst scharfes Bild zeichnen. Ich hoffe, dass ich es durchhalte, bin aber guter Dinge. Wer nicht gern bei den Leuten ist, darf diesen Job nicht wählen.

Sie haben den Posten eines Fachbereichsleiters gegen den eines Bürgermeisters getauscht. Was hat sich in Ihrem Leben und Arbeiten dadurch verändert?

Das ist der Schritt von der zweiten in die erste Reihe, also schon ein Unterschied; auch was das Gefühl der Verantwortung und die reelle Verantwortung angeht. In diesem Dreiklang als Chef der Verwaltung, als Repräsentant nach außen und als Vorsitzender des Gemeinderates hat man eine ganz andere Funktion.

Bisher war ich als Fachbereichsleiter der Fachmann für ein Thema und jetzt muss ich vorne sitzen, ausgleichend sein, Kompromisse finden, den Weg aufzeigen, wie es weitergehen könnte, dann wieder darüber diskutieren, ob es der richtige ist oder vielleicht doch nicht.

Und ich merke natürlich schon, dass die Bekanntheit überall, wo ich hinkomme, doch noch mal anders ist. Aber das ist eine schöne Veränderung, und ich wusste ja im Vorfeld, zumindest im Großen und Ganzen, worauf ich mich einlasse.

Was macht Ihnen am meisten Spaß an Ihrem Amt?

Das habe ich ja im Prinzip schon beantwortet: Dieses Rausgehen und mit den Leuten reden. Zu sehen, dass die Leute einfach machen und dass das meistens gut wird, das ist eine große Freude, und dann macht es auch Spaß, die Grundlagen zu bieten und die Weichen zu stellen. Mein Credo ist, dass Ehrenamt Ehrenamt sein muss; die machen, aber wenn sie an ihre Grenzen kommen, sei es jetzt personell oder finanziell, dann muss wieder etwas aus der Gemeinschaft zurückkommen und dann unterstützt die Gemeinde. So funktioniert es hier, und das ist genau richtig so.

Was mir noch Spaß macht: Ich war jetzt schon einmal in Ungarn und zweimal in Frankreich, einmal zum Nationalfeiertag, einmal mit dem Trina-Orchester. Das macht auch mächtig Spaß, dieser internationale Austausch. Es sind zwei völlig unterschiedliche Charaktere von Gemeinden, aber beide wunderbar.

Gibt es etwas, was Sie ernüchtert hat?

Das Thema mit den veruntreuten Geldern. Wir haben es alle nicht für möglich gehalten, dass so etwas überhaupt geht. Aber offensichtlich ist es so, dass es immer irgendwelche Menschen gibt, die Lücken suchen und die auch finden; bei sämtlichen Sicherungsmechanismen, die ja alle eingehalten wurden. So tragisch das ist, wird es so etwas wahrscheinlich immer geben. Aber das habe ich mit meinem Verwaltungswissen aus den vergangenen 20 Jahren, auch mit dem, was ich über Rechnungsprüfung weiß, nicht für möglich gehalten. Jetzt muss man damit umgehen und es aufarbeiten, aber erwartet habe ich das nicht.

Was war die schwierigste Aufgabe bis jetzt?

(Lacht) Darüber müssen wir in einem Jahr nochmal reden. Was auf jeden Fall eine Herausforderung ist und was auch eine Herausforderung in der Zukunft bleiben wird, ist das Personal. Das ist zunehmend schwierig zu finden. Aber dabei handelt es sich nicht um ein Gerstetter Thema, sondern ein Thema in der Arbeitswelt allgemein und in den Verwaltungen im Speziellen. Die Botschaft ist: selber ausbilden.

Was würden Sie als die wichtigste Aufgabe für ihr erstes Jahr in Gerstetten beschreiben?

Das ist eine schwierige Frage; „die wichtigste“ wird es nicht geben. Ich glaube, da zählt der Gesamtklang. Eine Verwaltung ist ja ein fahrendes Schiff. Die vergangenen 31 Jahre wurde es in Gerstetten von Herrn Polaschek gesteuert, da gibt es viele Dinge, die sehr gut laufen, die gilt es zu bewahren. Es gibt auch viele Dinge, die wir angehen müssen. Die Entscheidungen, die wir jetzt treffen, die greifen erst irgendwann später. Deshalb ist es mir wichtig, mir einen Überblick zu verschaffen und mal einen Zyklus mit Haushaltsplanung und allem, was dazugehört, mitzumachen.

Im Wahlkampf haben Sie gesagt, dass Sie das solide finanzielle Fundament der Gemeinde erhalten wollen. Kann man als Einzelner einen nennenswerten Einfluss auf dieses große Feld ausüben?

Ja und nein. Der Bürgermeister der Gemeinde Gerstetten hat natürlich einen begrenzten Wirkungskreis, und keinen Einfluss darauf, was die große Politik macht. Also auch darauf, was landauf, landab überall diskutiert wird: Der Bund und die Länder wälzen die Aufgaben immer mehr auf die Kommunen ab, ohne sie auskömmlich zu finanzieren. Ja, das ist so und ja, darauf hat ein Bürgermeister keinen Einfluss.

Auf das, was Unternehmen inhaltlich machen, habe ich auch wenig Einfluss. Worauf die Gemeinde vielleicht schon einen Einfluss hat, das sind die Rahmenbedingungen. Wir können Gewerbegebiete entwickeln und diese auch, was ich immer betont habe, vorhalten für die guten Unternehmen. Also entweder für Bestandsunternehmen, die sich vergrößern wollen oder für vielversprechende Start-ups.

Dazu gehört auch, dass wir uns um die Infrastruktur drumherum kümmern. Warum soll sich jemand hier ansiedeln, warum soll jemand hier arbeiten? Weil die Rahmenbedingungen stimmen. Der Unternehmer findet eine vernünftige Infrastruktur und vernünftiges Internet vor. Er findet den Gewerbeplatz, aber er kann hier auch gut wohnen; das heißt, wir haben Bauplätze für den Unternehmer, wir bieten seiner Familie gute Kinderbetreuungsmöglichkeiten, gute Schulen, eine Bibliothek und tolle Turnhallen. Wir haben eine starke Sportvereins- und Musikvereinslandschaft. Wir haben Einzelhandel, der sehr gut funktioniert und auf Qualität aus ist.

Andersrum ist es auch wichtig, dass der Gerstetter hierbleiben kann, weil die Rahmenbedingungen stimmen. Hier finde ich einen Bauplatz und meine Kinder finden hier auch einen Bauplatz sowie einen Arbeitsplatz. An der Stelle können wir schon was tun.

Eine weitere Sache aus dem Wahlkampf: Sie haben gesagt, dass Ihnen die Förderung von Kindern und Jugendlichen besonders wichtig ist. Was möchten Sie in der Hinsicht unternehmen?

Auf diesem Feld haben wir schon viel gemacht: Wir haben das Thema der flexiblen Öffnungszeiten in den Kindergärten erledigt; ich glaube so, dass Eltern, Einrichtungen und Träger sehr gut damit leben können. Mit diesem Wahlrecht sind wir ganz bewusst über den gesetzlichen Anforderungen an die Betreuungszeiten. Und wir haben gleich noch eine Personalerhöhung beschlossen.

In Zukunft müssen wir über die Kindergärten reden, wir haben im Hauptort Gerstetten ein örtliches Ungleichgewicht, alle Kindergärten liegen südlich des Kreisverkehrs. Wir haben im alten Schulhaus einen Kindergarten, der einst als Provisorium gebaut wurde. Da müssen wir baulich ran, auch was Themen wie Barrierefreiheit angeht. Dann haben wir den katholischen Kindergarten Petrus und Paulus, der in einer alten Hausmeisterwohnung eingebaut ist, und deshalb räumlich nicht immer den Bedürfnissen entspricht.

Wir bereiten uns auch auf den Anspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule ab nächstem Jahr vor. Da stehen wir nicht schlecht da und ich bin guter Dinge, dass wir das umgesetzt bekommen. Das sind die Themen, die aktuell anstehen. Es wird immer darum gehen, den Spagat zwischen Qualität und zwischen dem, was machbar ist, zu versuchen.

Und die Jugendarbeit? Kann man da aktiv etwas machen oder stützt man sich eher auf Ehrenamt und Vereine?

Die meiste Jugendarbeit passiert tatsächlich da, wo die Gemeinde nicht mitmischen kann, nämlich in der Schule und in den Vereinen. Deswegen unterstützen wir die Vereine, weil das, was die leisten, das könnten wir gar nicht machen, das wäre völlig undenkbar.

Auch in der Schule wird immer mehr Partizipation gelebt. Wenn Schule immer mehr zum Ganztag und dadurch auch zum Lebensraum der Kinder und Jugendlichen wird, dann muss in der Schule auch immer mehr Teilnahme stattfinden. Wenn Kinder und Jugendliche länger zusammen sind, entstehen andere Reibungen, und die muss man klären; deswegen ist die Schulsozialarbeit auch so immens wichtig. Deswegen würde ich gar nicht differenzieren, was Gemeinde, was Schule, was Vereine machen. Das Zusammenspiel ist entscheidend.

Jugendbeteiligung ist extrem wichtig und ich kann nur dazu aufrufen, dass die Jugendlichen zu uns kommen, wenn sie ein Thema haben. Sie können ins Rathaus kommen, uns eine E-Mail schreiben, oder eine Nachricht auf Facebook oder Instagram. Sie können Gemeinderäte ansprechen, über die Schulsozialarbeit kommen oder über die Lehrerinnen und Lehrer.

Wichtig ist, dass sie Ideen einbringen. Und dann ist es die Aufgabe von Verwaltung und von Gemeinderat, schnell zu sein. Denn wir wissen auch, wie heterogen junge Menschen sind. Die müssen dann auch schnelle Erfolge sehen. Also wenn die sich einbringen, dann muss auch was passieren, wie immer in dem Zwang, dass wir den Haushalt haben, dass wir einen Vorlauf haben. Aber das muss man erklären, und es muss dann auch relativ schnell was getan werden. Was nicht passieren darf, ist, dass sie sich einbringen und dann jahrelang nichts passiert.

Wie stehen Sie zu den geplanten Windkraftanlagen im Teichhau?

Die Windkraftanlagen im Teichhau werden kommen. Das ist projektiert und der Bauantrag ist eingereicht. Ich weiß um die Argumente, die dafür sprechen, ich weiß um die Argumente, die dagegen sprechen, aber es ist am langen Ende gar nicht meine Aufgabe, das zu bewerten. Es gibt da einen Rechtsrahmen, wenn der eingehalten wird, ist es nicht mein Ermessen, nachher zu sagen, „will ich“ oder „will ich nicht“. Auch wenn das von der einen oder anderen Seite gerne gehört werden würde, das weiß ich auch.

Wenn man sieht, was in solchen Bauantragsverfahren alles abgeprüft wird, kann man sich schon sicher sein, dass da an alles gedacht wird. Also ich wüsste, glaube ich, kein Verfahren, das die öffentliche Beteiligung so krass einfordert, wie ein Bebauungsplanverfahren. Von dem her, kann man sich schon sicher sein, dass da alle gehört werden.

Haben Sie weiterhin vor, nach Gerstetten zu ziehen?

Ja, meine Frau und ich sind gerade an einem Haus dran. Ich bin guter Dinge, dass wir das relativ bald zu einem Abschluss bekommen und ich freue mich drauf, wenn ich dann nicht nur Bürgermeister hier bin, sondern auch wirklich Teil der Gemeinde.

Jetzt einfach weiterlesen
Jetzt einfach weiterlesen mit HZ
- Alle HZ+ Artikel lesen und hören
- Exklusive Bilder und Videos aus der Region
- Volle Flexibilität: monatlich kündbar