Nach neun Jahren war es am 18. Oktober endlich so weit: Die neue Turn- und Festhalle in Gussenstadt wurde eingeweiht. Damit findet ein mehrmals umgeplantes Projekt mit Kosten im Millionenbereich seinen Abschluss. Und doch war die Halle am Abend der Einweihung nicht das Hauptgesprächsthema. Dazu wurde stattdessen Gerstettens Bürgermeister Roland Polaschek, als er am Ende seiner Eröffnungsrede mit den Worten „Dein letztes Werk soll das Beste sein“ seinen Rücktritt verkündete.
„Für mich und einige handverlesene Eingeweihte stand schon seit geraumer Zeit fest, dass ich am Tag der Einweihung dieser Halle bekannt geben werde, mein Amt niederzulegen“, so Polaschek. Am kommenden Dienstag werde er den Gemeinderat offiziell darüber informieren und den mit Verwaltung und Ältestenrat abgestimmten Zeitplan für die Neuwahl vorstellen. Mit den Worten „Es war mir eine große Freude und eine noch größere Ehre“ beendete Polaschek seine Rede zu großem Applaus.
Auch Werner Häcker wird verabschiedet
Weniger überraschend, aber vor allem für Gussenstadt nicht weniger relevant war die offizielle Verabschiedung des langjährigen Ortsvorstehers Werner Häcker, der sich bei der Kommunalwahl im Juni nicht mehr für Ortschafts- und Gemeinderat aufstellen lassen hatte. „Wir ehren heute einen Mann, dessen politisches Wirken seinesgleichen sucht“, sagte Polaschek, bevor er einen Teil der ehrenamtlichen Tätigkeiten Häckers aufzählte.
Dieser war nicht nur als stellvertretender Ortsvorsteher und später Ortsvorsteher von Gussenstadt aktiv, sondern auch Mitglied des Gerstetter Gemeinderats, wo er in verschiedene Ausschüssen mitarbeitete, sowie Mitglied des Kreistags. Häckers Engagement für die Energiegenossenschaft Gussenstadt, deren Initiator er war, hob Polaschek besonders hervor. „Ich habe noch nie jemand kennengelernt, der so viele Dinge gleichzeitig auf die Reihe gebracht hat“, sagte Polaschek.
Für sein Engagement verlieh Polaschek Häcker die Goldene Ehrennadel der Gemeinde Gerstetten. Häcker blickte in seiner Rede zurück auf seine Schaffenszeit in Gussenstadt, für die er sich drei Ziele gesetzt habe: Das erste sei verbesserte Mobilität, dieses Ziel sei unter anderem durch die Einrichtung einer Ruf- und Linienbusverbindung nach Geislingen erreicht worden. Das zweite Ziel, „die Energieversorgung auf ein modernes Niveau zu heben“, sei durch die Energiegenossenschaft und ihr Nahwärmenetz erreicht worden. Und auch das dritte Ziel, die Erneuerung von Kindergarten und Festhalle, sei mit der Einweihung der Halle erfüllt.
Natürlich wurde trotz der Abschiede auch über die neue Halle gesprochen: „Begonnen hat dieser Marathon mit Hindernissen bereits 2015“, sagte Bürgermeister Polaschek mit Bezug auf das Projekt. Bereits damals habe man festgestellt, dass die bestehende Halle nicht mehr den Anforderungen der Zeit genüge, weshalb eine gemeinsame Kommission gegründet wurde, die zum Thema beraten sollte.
Als dann im Jahr 2017 ein irreparabler Wasserschaden am Wabenkindergarten auftrat, sei die Entscheidung gefallen, Kindergarten und Halle in einem Gebäude unterzubringen. So sollten Resourcen gespart und Kosten gesenkt werden. Mit einem Konzept des Architekturbüros Hüper-Plan sei man „voll froher Erwartung“ zum Regierungspräsidium in Stuttgart gefahren, um Fördermittel für den Bau einzuholen. Dort sei dann vorgeschlagen worden, das Projekt in zwei Bauabschnitten umzusetzen. „Um die benötigten Zuschüsse nicht zu gefährden, mussten wir dieses völlig unerwartete Hindernis auch noch in Kauf nehmen.“ So kam es, dass im November 2022 die Kindergarteneinweihung und der Spatenstich für die neue Halle am selben Tag stattfanden.
Ein preisverdächtiges Projekt?
Das Ergebnis bezeichnet Polaschek als „Vorzeigeprojekt, das seinesgleichen sucht“, vor allem, weil es lokal geplant und mit lokalen Ressourcen gebaut wurde. Zum Beispiel bestehe die komplette Fassadenkonstruktion aus Fichtenholz, das im Gussenstadter Mittloh geschlagen worden sei. Wärmeversorgung und Internetanbindung würden über die Energiegenossenschaft laufen. Mit dem Projekt werde sich die Gemeinde, zusammen mit dem Architekturbüro Hüper-Plan, auch auf den Holzbaupreis Baden-Württemberg bewerben.
Landrat Peter Polta stimmte Polaschek dabei zu, dass die Beschaffung von finanzieller Unterstützung „ein Ringen“ war. Am Ende seien aber aus den verschiedenen Programmen „Fördermittel, die sich sehen lassen“ zusammengekommen. „Für Gussenstadt ist die Halle ein neuer Leuchtturm“, so Polta, die Bewohner des Ortes könnten dort in Zukunft viele schöne Stunden verbringen.
Der SPD-Landtagsabgeordnete Andreas Stoch lobte die Idee, Rohstoffe aus der Umgebung zu nutzen und stellte Gerstetten als Gemeinde heraus, die es Kindern möglich mache, sich zu bewegen. Das sehe man auch an den drei neuen Hallen, die in jüngerer Vergangenheit auf dem Gemeindegebiet gebaut wurden. Neben einer sportlichen Funktion habe die Turn- und Festhalle in Gussenstadt auch eine soziale Funktion, sagte Stoch, und weiter: „Lassen Sie diese Halle zu einem Treffpunkt werden.“
Ortsmitte soll weiterentwickelt werden
In seinem Schlusswort bei der Halleneinweihung sprach Gussenstadts neuer Ortsvorsteher Thomas Häcker auch über Pläne, die erst noch umgesetzt werden sollen. So soll der Haupteingang der neuen Turn- und Festhalle einen „eindeutigen Ortsbezug“ zu Gussenstadt erhalten. Ganz in der Nähe soll bald ein Naturerlebnisraum gebaut werden, auf der „Mitmachbaustelle“ könne sich dann jeder einbringen. Laut Thomas Häcker gibt es zudem die Überlegung, die neue Mensa für alle Gussenstädter zu öffnen, auch um mehr Essen absetzen zu können und so vom Caterer bessere Bedingungen zu bekommen.